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Tom Tykwer produzierte in Berlin "Drei".

© IMAGO

Filmgeschäft: Wo Hollywood baden geht

Produzenten lieben Berlin und Brandenburg – doch die Filmstadt stößt an die Grenzen des Wachstums. Die Branche hat kräftig in Kapazitäten investiert, manche sagen: Zu kräftig.

Berlin - Wenn Hollywood-Stars baden gehen, dann sollten sie es in Babelsberg tun. Zum Beispiel in einem 500 000 Liter fassenden Wassertank. Liam Neeson, der im vergangenen Frühjahr in Potsdam und Berlin den Thriller „Unknown Identity“drehte, tauchte hier ab – in einem Taxi sitzend. Auch der indische Filmstar Shah Rukh Khan machte sich auf dem Babelsberger Studiogelände nass – für den Bollywood-Actionstreifen „Don 2“.

Das prominente Geplansche hätte in Hollywood kaum Aufsehen erregt. Anders am wichtigsten Filmproduktionsort vor den Toren Berlins: Der Wassertank, „Deutschlands größte Anlage für Dreharbeiten über und unter Wasser“, freute sich die Geschäftsführung des Studio Babelsberg, mache den Standort international konkurrenzfähig. Ob auch „Unknown Identity“ international Beifall findet, entscheidet sich im Wettbewerb der Berlinale. Ab 3. März läuft der Film in den deutschen Kinos.

Er ist einer von 300, die in Berlin und Brandenburg jedes Jahr produziert werden. Kein Tag, an dem nicht irgendwo in der Stadt gedreht wird. Die Filmwirtschaft hat sich zu einem bedeutenden Wirtschafts- und Wachstumsfaktor der industrieschwachen Region entwickelt. Rechnet man die TV-, Multimedia- und Gamesbranche hinzu, kommen im Großraum Berlin-Brandenburg 169 000 Beschäftigte in rund 16 000 Unternehmen zusammen. Allein der Film- und Fernsehumsatz in Berlin dürfte nach Schätzungen der Investitionsbank Berlin (IBB) bereits 2012 „nahe an die Drei-Milliarden-Marke heranreichen“.

Die Aufbaujahre nach der deutschen Einheit sind längst vorbei. Heute sei Berlin nicht nur die Stadt mit den meisten Kinos und dem größten Filmfestival, so die IBB, „sondern auch eine stark wachsende Filmproduktionsstadt“. Und die Film- und TV-Produktion in der Region werde weiter an Bedeutung gewinnen. „Besondere Wachstumspotenziale liegen vor allem in der Verbindung klassischer Filmproduktionen mit modernen Multimedia-Techniken“, glauben die Experten.

Lange stand die Metropole im Schatten der wirtschaftlich prosperierenden Filmregionen München, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Dort sorgten Branchengrößen wie Constantin, Bavaria oder RTL für Investitionen und die Filmförderer für üppige Subventionen. Doch das Selbstbewusstsein in Berlin und Brandenburg ist mittlerweile groß, beim Fördervolumen oder der technischen Infrastruktur liegt man im Bundesvergleich auf den vorderen Plätzen.

Die Ausstattung der großen Studios – in Babelsberg, Adlershof oder bei Union Film – hat internationales Niveau. Studio Babelsberg, in den 90er Jahren beinahe ein Fall für den Insolvenzverwalter, knüpft heute erfolgreich an seine große Tradition an. Neben Pinewood Shepperton in London und den Barrandov Studios in Prag ist Babelsberg das wichtigste europäische Filmstudio. „Das Management und der Service könnten nicht professioneller sein“, schwärmte Lloyd Phillips, Produzent des Tarantino-Films „Inglourious Basterds“ mit Brad Pitt.

Nebenan betreibt Studio Hamburg ein modernes Fernsehzentrum. Am anderen Ende der Stadt, auf dem ehemaligen Gelände des DDR-Fernsehens am Rande des Technologieparks Adlershof, drehen die Hamburger in weiteren 14 Studios Telenovelas, Publikums-Shows und Dailys. Seit 1994 hat Studio Hamburg in Berlin mehr als 120 Millionen Euro investiert. „Unsere Studios stehen vergleichsweise gut da, weil sie einen hohen technischen Standard haben, und weil wir hier in Berlin vom Flair der Hauptstadt profitieren“, sagt Carl Bergengruen, seit Anfang Februar Vorsitzender der Geschäftsführung der NDR-Produktionstochter. Filme waren neben den Fernsehproduktionen für die Hamburger bislang ein Zubrot. Das soll sich ändern. Bergengruen will die TV-Hallen besser auslasten und wünscht sich „alternative Nutzungsformen“ – zum Beispiel „nationale und internationale Kinoprojekte“.

Doch die Berliner Filmschaffenden wissen, dass sie nicht auf einer Insel der Glücklichen produzieren. „Alle Studios, auch die in Berlin, müssen sich einem harten Wettbewerb stellen, denn es gibt europaweit beträchtliche Überkapazitäten im Markt“, räumt der Studio-Hamburg-Chef ein. Filmproduktionen nach Adlershof zu holen, sei „ein ehrgeiziges Ziel“ und abhängig vom „Kundenbedarf“. Als der Medienkonzern Pro Sieben Sat 1 im Jahr 2009 von Berlin nach München umzog, wurde der Branche schmerzlich bewusst, dass Berlin zwar Kreativmetropole ist, aber als Medienstadt neben dem RBB keinen großen Fernsehsender hat, der als Ko-Produzent der Filmwirtschaft auftritt. Zum Zeitpunkt des Umzugs von Pro Sieben Sat1 wurde ein Drittel der Studio-Hamburg-Produktionen im Auftrag von Sat1 realisiert.

Jede zusätzliche Investition ist nach der dynamischen Entwicklung der Filmstadt also mit wachsenden Risiken verbunden. Schon Ende 2008 diagnostizierte eine McKinsey-Studie Überkapazitäten bei Filmstudios. Der Berliner Markt sei gesättigt, neue Studios – damals wurde über eine Nutzung des Flughafens Tempelhof diskutiert – würden nach Meinung der Berater nur zu einem „ruinösen Preiswettbewerb“ der Betreiber führen. Dies müssten nicht zuletzt die Beschäftigten ausbaden, die nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi schon unter Arbeitsbedingungen leiden, „die an Selbstausbeutung grenzen“: „überlange Arbeitszeiten, stark verkürzte Produktionszeiten, niedrige Honorare bis hin zu unvergüteter Arbeit“.

Um den Standort international konkurrenzfähig zu halten, müssen sich nach Meinung der regionalen Filmförderer auch die finanziellen Rahmenbedingungen weiter verbessern. Medienboard-Geschäftsführerin Kirsten Niehuus hält eine Auffüllung des 28,5 Millionen Euro großen Fördertopfes um drei Millionen Euro für „wünschenswert“ (siehe Interview). Doch der klamme Senat sieht keinen Spielraum. „Inzwischen gehört das Medienboard neben der Filmförderung NRW und Bayern zu den am besten ausgestatteten Filmförderinstitutionen in Deutschland“, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf dem Tagesspiegel. „Eine weitere Aufstockung ist aktuell nicht in Sicht.“ Freilich rühmt auch Wolf die Errungenschaften der Glamour-Branche, die der armen Hauptstadt Glanz verleiht. „Das Interesse seitens internationaler Großproduktionen ist ungebrochen“, weiß der Senator. „Mit weiteren Unternehmen, die nach Berlin kommen wollen, sind wir im Gespräch.“

Wachstumschancen sieht Wolf weniger bei den Studios, sondern im Distributionsbereich, „insbesondere bei Filmvertrieben und -verleihern“. Hier bekommt die Hauptstadt im Sommer Zuwachs, wenn die Kinowelt AG von Leipzig nach Berlin umzieht. Im Gepäck hat sie den Film, der im Babelsberger Wassertank entstand: Kinowelt ist der Verleiher von „Unknown Identity“.

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