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Gutes Geschäft. Verbraucher zahlen ein Honorar, sparen aber häufig die Provision.

© picture alliance / ZB

Finanzberatung: Ohne Provision

Honorarberater wie die „Alten Hasen“ werben mit ihrer Unabhängigkeit. Die Politik will den Berufsstand stärken.

35 Jahre lang war Rolf Klingen bei der Dresdner Bank. Zuletzt leitete der heute 65-Jährige die Abteilung für Firmenkunden in Leipzig, vorher kümmerte er sich in Düsseldorf ums Privatkunden- und Wertpapiergeschäft. Im Ruhestand ist Klingen trotz seines Alters noch nicht angekommen. 2010 bewarb der ehemalige Banker sich bei den „Alten Hasen“. Sie bieten Finanzberatung speziell für ältere Menschen an. „Ich wollte meine grauen Zellen fit halten“, begründet Klingen seine Tätigkeit. „Zugleich kenne ich so viele Leute, die falsch beraten wurden“, sagt der ehemalige Banker. Heute ist Klingen, der in Leipzig lebt, für den mitteldeutschen Raum zuständig. „Viele meine Kunden stammen aus Berlin“, sagt er. Ein Büro hat er nicht, Klingen fährt zu den Kunden nach Hause.

Wer für die Alten Hasen arbeiten möchte, muss mindestens Bankdirektor gewesen sein, über 20 Jahre Berufserfahrung haben und älter als 55 Jahre sein. „Wir machen Beratung von Senioren für Senioren“, sagt Klaus Nierendorf, der am Hauptsitz der Alten Hasen in Frankfurt am Main arbeitet. Bundesweit gibt es 15 Berater, die die einzelnen Regionen betreuen, persönlich oder telefonisch.

Honorar statt Provision

Wichtigstes Merkmal der Alten Hasen ist, dass sie eine Honorarberatung sind. Während bei Banken oder Finanzdienstleistern wie AWD die Beratung zunächst kostenlos ist, erhalten Honorarberater einen festen Stundensatz für ihre Arbeit – vom Kunden. Bei den Alten Hasen kostet eine Stunde rund 250 Euro. Beim Bankberater fallen die Kosten erst an, wenn der Kunde sich für eine Produkt entscheidet, denn der Mitarbeiter erhält Provision – vom Anbieter des jeweiligen Produkts. Reine Honorarberater nehmen keine Provisionen an. „Damit garantieren wir unsere Unabhängigkeit“, sagt Nierendorf.

In Deutschland ist die Honorarberatung im Finanzbereich noch nicht so weit verbreitet. Die Berater vermitteln nur knapp ein Prozent aller Anlagegeschäfte. Bundesweit gibt es rund 1500 Berater und 400 Firmen wie die Alten Hasen. Die Hälfte der Berater arbeitet frei. Außerdem gibt es noch die Berliner Quirin-Bank. Sie bietet ausschließlich Honorarberatung an – allerdings verlangt das Institut zusätzlich eine Gewinnbeteiligung.

Die Beratung auf Provision durch Banken, Versicherer oder freie Finanzberater ist die übliche Form. Im Zuge der Finanzkrise geriet das Modell aber in die Kritik: Banken hatten vielen Anlegern hochriskante Papiere verkauft, die hohe Provisionen bringen. „Beim Provisionsmodell fällt auf, dass das Depot häufiger umgeschichtet wird, als dies richtig wäre, und dass schlicht mehr als erforderlich verkauft wird“, sagt Dorothea Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. So lohne es sich für die Bankberater, Geld von einem Fonds in den anderen zu verschieben. „Das Problem ist systemimmanent“, klagt Mohn. Vielen Bankkunden sei zudem nicht bewusst, dass ein Teil ihres angelegten Geldes in Provisionen lande. „Die Honorarberatung löst den Interessenkonflikt“, sagt Mohn.

1973 gab es sieben Investmentfonds, heute sind es 600

Auch die Politik ist auf den Zug aufgesprungen. So will Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) Honorarberatung fördern und gesetzliche Regelungen für die Berufsgruppe schaffen. Sie sollen sich zum Beispiel – wie freie Finanzvermittler – registrieren müssen und Beratungprotokolle führen. Die SPD will eine Versicherung zur Pflicht machen, die bei gerichtlichen Auseinandersetzungen haftet. Verbraucherschützer halten ein Gesetz für überfällig. „Auch für die provisionsfreie Honorarberatung brauchen wir Qualitätsnormen“, sagt Mohn.

Weil es bislang keine festen Regeln gibt, sollte man bei den Honorarberatern genau hinschauen. Manche, wie die Alten Hasen, beraten nur. „Wir raten zu Anlagemöglichkeiten. Mit diesem Wissen können die Kunden sich dann selbst für Produkte entscheiden, bei einer Bank oder im Internet“, sagt Nierendorf. Der Nachteil: Auch hier muss der Kunde bei der Bank oder im Netz wieder Provision zahlen.

Andere Honorarberater kaufen die gewünschten Produkte direkt für den Kunden. Sollte eine Provision anfallen, wird sie an den Kunden weitergereicht. Manche Produkte erhalten sie direkt provisionsfrei, zum Beispiel Versicherungen. Und dann gibt es noch die Grauzone derer, die Honorar- und Provisionsberatung kombinieren. Schließt der Kunde nichts ab, zahlt er ein Honorar, kauft er ein Produkt, ist die Vermittlung kostenlos, der Berater streicht aber die Provision ein.

Konkurrenz für die Banken

Die Banken müssen sich also auf mehr Konkurrenz einstellen. Die Deutsche Kreditwirtschaft sieht jedoch keine Bedrohung. Die Honorarberatung komme nur für einen Teil der Kundschaft in Betracht, „insbesondere soweit erhebliches Vermögen vorhanden ist“, teilte der Verband mit. Allerdings dürfe die Honorarberatung nicht als „unabhängig“ und andere Formen als „abhängig“ bezeichnet werden. „Die Art der Vergütung ist kein Kriterium für die Qualität der Beratung“, heißt es. „Unsere Beratung ist transparent, die Provisionen werden offengelegt“, sagt auch ein Sprecher des Bankenverbands. Zudem seien viele Kunden mit der Beratung durch ihre Bank zufrieden.

Die Alten Hasen haben jedenfalls mehr Zulauf seit der Finanzkrise. „Es gibt eine starke Verunsicherung der Kunden gegenüber den Banken“, beschreibt Klingen seine Erfahrung. „90 Prozent der Kunden kommen, weil sie mit ihrer Anlageform unzufrieden sind“, sagt er.

Begonnen haben die Alten Hasen 2002, zu zweit. Joachim Schwer und Karl-Heinz Norek wollten nach vielen Jahren im Bankgeschäft ihre Erfahrungen weitergeben. Norek ist noch heute Gesellschafter, sein Kollege Schwer ist bereits verstorben. Heute haben die Alten Hasen rund 2000 Kunden. „Unsere Beratung ist nicht nur für Wohlhabende, wir beraten jeden“, sagt Nierendorf. Rund 90 Prozent der Kunden seien aber Ältere, die schon ein Vermögen aufgebaut haben. Die Alten Hasen stellen sich auf die Bedürfnisse der Älteren ein. „Wir beraten ohne Fachchinesisch“, sagt Nierendorf, der fünf Jahre das internationale Privatkundengeschäft der Commerzbank leitete.

„Viele blicken bei den Produkten nicht mehr durch.“ Als Nierendorf 1973 bei der Deutschen Bank anfing, gab es sieben Investmentfonds. „Heute sind es 600.“

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