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Bayern LB: Der Löwenanteil

Die Bayerische Landesbank steht wegen ihrer Geschäfte in der Kritik. Welche Folgen hat das für die CSU?

Und dann sind da auch noch diese vollkommen überflüssigen Weihnachtsfeiern, wo man in München gute Miene machen muss zu dem ganzen bösen Spiel: hier ein Parlamentarischer Abend, dort eine Jahresabschlussessen. Manchmal würde Horst Seehofer momentan wohl lieber mit einem Alutopf Ravioli ausbüxen, Türe zu, Handy aus, Feierabend; wie früher halt, aber so einfach geht das eben nicht mehr als Chef der CSU.

Am Dienstagnachmittag gilt es im Münchner Maximilianeum während der Landtagsdebatte einen Gespensterauftritt vom Abend zuvor halbwegs vergessen zu machen. Das war, als Seehofer, schmallippig wie selten, in der Staatskanzlei den Abgang von Michael Kemmer verkündet hatte, dem Chef jener Bayerischen Landesbank, mit deren Schicksalen und missglückten Winkelzügen Seehofers Ministerpräsidentenzeit von Anfang an verbunden gewesen ist. Seehofer hat Kemmer aus dem Bauch heraus niemals gemocht. Zu vage war der geblieben, als es nach der ersten großen Pleite der Landesbank (die den Freistaat dann zehn Milliarden Euro gekostet hat) um konkrete Zahlen ging, aber dann standen auf einmal die Mitarbeiter mit Fackeln für Kemmer auf der Straße, und das Volk hat dem Populisten Seehofer, wie das eben so ist, großen Eindruck gemacht. Also blieb Kemmer, bis das Desaster der Klagenfurter Tochterbank Hypo Group Alpe Adria (HGAA) vollends offenbar wurde, das nun noch mit einmal 3,75 Milliarden den einst als schuldenfrei vorgestellten bayerischen Haushalt belastet. Freistaatliche Schuldenfreiheit und gleichzeitige Führung in der „Champions League“ waren eine Stoiber’sche Altministerpräsidentenfantasie, nun ist sie ein realer Albtraum für Seehofer, wie so manches aus der sogenannten Ära seines Vorgängers: Günther Beckstein standen der hypertroph geplante Transrapid und das Schulprojekt G 8 im Weg; Seehofer hat die Bank bekommen. Nur dass nichts mehr drin ist. Unverhohlen und unisono sprechen sowohl der Wirtschaftsminister Martin Zeil von der FDP sowie Seehofer davon, dass eine einigermaßen konsolidierte Bayerische Landesbank sofort privatisiert werden müsste. Oder fusionierte, zum Beispiel mit der baden-württembergischen LBBW, die ihrerseits zu einer Aktiengesellschaft wird.

Im Landtag sagt Horst Seehofer, es sei „zu keinerlei Schönrednerei“ Anlass. Von einem „Debakel“ spricht er. Das klingt nach Aufräumen – auch in den eigenen Reihen. Aber er erinnert vorsorglich auch sofort an einen Brief des ehemaligen Finanzministers Kurt Faltlhauser, der im vergangenen Dezember an Seehofer geschrieben hatte, er habe es da leider mit einem ziemlichen Flop zu tun. Damit ist der Ministerpräsident und Parteichef ganz und gar auf der Linie der CSU-Fraktion, aus deren Sitzung vor der Plenarsitzung man hört, es dürfe jetzt um Gottes willen keine Vorverurteilung der Altvorderen geben. Erst müsse, bei der „Komplexität der Vorgänge“ das Ergebnis des Untersuchungsausschusses abgewartet werden, der sich erst noch konstituieren muss. Seehofer betont, es werde „ohne Rücksicht auf Strukturen und Personen“ nach Verantwortlichen gesucht. Die Opposition wüsste welche: Faltlhauser, Stoiber, Huber und Beckstein, die beide im Verwaltungsrat der Bayern LB saßen. Aber die SPD tut sich grundsätzlich nicht ganz leicht mit der Meckerei, schließlich war sie vor über zwei Jahren auch recht stolz gewesen auf den Mehrheitskauf der HGAA.

Seehofer verkauft die Niederlage also als halben Sieg, weil seine Regierung (die allerdings nie für Geschäfte mit den Österreichern war) jetzt geschafft hat auszusteigen, bevor das Fass vollends bodenlos wurde. Ausdrücklich dankt Seehofer dem Finanzminister Georg Fahrenschon, der, wie nun wieder die Österreicher einräumen, „brutal, aber fair“ verhandelt habe. Aber auch Fahrenschon bringt der CSU nicht zurück, was ihr in der Bevölkerung über die Parteiklientel hinaus und jahrzehntelang zugesprochen worden ist: Wirtschafts- und Finanzkompetenz. Dieser Nimbus ist, wie jener der Unbesiegbarkeit bei Wahlen, erst mal weg, und es bleibt zweifelhaft, ob er wieder zurückzugewinnen sein wird.

Genau betrachtet sind die Jahresenden irgendwie nichts für die CSU, das hat 2006 mit der Affäre Pauli angefangen, dann kam Stoibers Sturz, Becksteins Intermezzo, Seehofers hastige Inthronisation. Im vergangenen Dezember sorgte die Personalie Monika Hohlmeier, die Seehofer unbedingt als Fränkin nach Europa schicken wollte, für erhebliche Unruhe, kaum dass ein bisschen Frieden eingekehrt war. Nun ist es die Bayern LB, aber bis das vergessen wird, da mag der neue SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher recht haben, könnten Jahre vergehen. Wohl auch ein Grund, warum Rinderspacher gleich Neuwahlen fordert.

Einerseits ist die CSU in einem Zustand der totalen Verunsicherung, und es bessert die Lage selbstverständlich nicht, dass auch der nacheinander gleich auf drei Posten (Generalsekretär, Wirtschaftsminister, Verteidigungsminister) innerhalb eines guten Jahres neu installierte Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg sich neuerlich wegen Kundus in Erklärungsnöte gebracht hat. Andererseits scheint es, als ließe Horst Seehofer – ein Mann schneller Entschlüsse, aber auch, wie Strauß, oft seltsam zögerlich – die Chance verstreichen, die Strukturen neu zu ordnen. Am Montag kursierten, fast verschluckt von der Bankenaffäre, Absichtserklärungen des farblos amtierenden Generalsekretärs Alexander Dobrindt, die CSU wolle sich auf Dialogkonferenzen zu einer „echten Mitmachpartei“ wandeln. Kann sein, dass es da nicht mehr allzu voll werden wird. Am Dienstag schaute es zudem so aus, als könne sich der von Seehofer längst politisch ins Austragsstüberl verbrachte CSU-Fraktionschef Georg Schmid – ebenfalls Verwaltungsratsmitglied – doch dauerhaft im Amt halten.

Die CSU bleibt an der Macht. Aber sie hat an Mächtigkeit noch einmal schwer eingebüßt.

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