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Börsenkrise: „Zwischen Himmel und Hölle“

Die Lage auf dem internationalen Finanzmarkt spitzt sich weiter zu: Aktien werden panikartig verkauft, US-Anleihen verzweifelt gesucht – die Politik ist alarmiert.

Berlin - Die Lage auf dem internationalen Finanzmarkt hat sich am Donnerstag weiter zugespitzt. Von einer zwischenzeitlich erhofften Entspannung kann keine Rede sein: Am Donnerstag brachen die Börsen in Asien, Europa und den USA erneut massiv ein, die US-Notenbank pumpte abermals frisches Geld ins Bankensystem. Der Dax stand kurz vor Handelsschluss bei 7302 Punkten – 1,9 Prozent tiefer als am Vortag, zehn Prozent tiefer als bei seinem Rekord am 16. Juli 2007. Vorübergehend sackte der Index unter 7300 Zähler. Auch die US-Börse verlor in den ersten Handelsminuten knapp ein Prozent. Am Morgen waren die Börsen in Tokio, Hongkong, Singapur und Taiwan um bis zu 4,6 Prozent abgerutscht. „Wir befinden uns momentan auf einem ganz schmalen Grat zwischen Himmel und Hölle“, sagte ein deutscher Börsianer.

Zwei Nachrichten sorgten am Abend an der New Yorker Börse für neue Aufregung: So muss der größte US-Immobilienfinanzierer Countrywide Financial 11,5 Milliarden Dollar (rund 8,6 Milliarden Euro) aufnehmen, um ein Finanzierungsloch zu stopfen. Außerdem zeigte sich, dass der Bau neuer Häuser und Wohnungen in den USA angesichts der Immobilienkrise auf den niedrigsten Wert seit mehr als zehn Jahren zurückgegangen ist.

Die vom US-Hypothekenmarkt ausgelöste Krise erreicht inzwischen auch den Markt für erstklassige, kurzfristige Anleihen. Aus Angst vor einem Übergreifen auf andere Bereiche des Finanzmarktes stürmen Anleger den als sicher geltenden Rentenmarkt. Die Renditen sogenannter „Treasury Bills“ mit dreimonatiger Laufzeit sackten in den USA auf 4,09 Prozent ab. Dies war der stärkste eintägige Renditerückgang für diese Papiere seit dem 13. Oktober 1989.

Die instabile Lage alarmiert unterdessen auch die Politik. Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy warnte in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Entwicklung müsse „sehr genau“ verfolgt werden und auf dem Treffen der Finanzminister der führenden Industrienationen (G 7) diskutiert werden. Sarkozy hob insbesondere die Rolle der Ratingagenturen wie Standard & Poors’, Moody’s und Fitch hervor, die international Kreditrisiken bewerten und möglicherweise zu spät vor den Problemen auf dem US-Markt für zweitklassige Hypothekenkredite gewarnt haben. „Wir müssen uns fragen, welche Rolle die Ratingagenturen gespielt haben“, schrieb Sarkozy. Ein Kanzleramtssprecher verwies lediglich auf die Diskussion auf dem jüngsten G-8-Gipfel: „In Heiligendamm hat die Bundeskanzlerin deutlich gemacht, dass die Diskussion um mehr Transparenz auf den internationalen Finanzmärkten fortgesetzt werden muss.“ Die EU-Kommission prüft nach den Worten eines hochrangigen Vertreters gesetzliche Regelungen zur schärferen Aufsicht der Ratingagenturen.

Der amerikanische Finanzminister Henry Paulson, früher Chef der US-Investmentbank Goldman Sachs, räumte in einem Interview des „Wall Street Journals“ erstmals ein, dass der scharfe Abschwung der Finanzmärkte „bei der Wachstumsrate der amerikanischen Wirtschaft eine Strafe fordern wird“. Allerdings glaubt Paulson, dass die Wirtschaft und die Märkte stark genug sind, die Verluste aufzufangen, ohne eine Rezession in den USA auszulösen. Allein an der Wall Street hat es seit dem Höhepunkt der langjährigen Hausse im Juli bisher Gesamtverluste von mehr als zwei Milliarden Dollar gegeben.

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