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Europäische Zentralbank: Leitzins bleibt unverändert

Aufgrund der Krise an den internationalen Finanzmärkten hat die EZB den Leitzins für den Euro-Raum unverändert auf 4,0 Prozent gelassen. Eigentlich sollte der Zins wegen der guten Konjunktur angehoben werden.

Die wochenlange Krise an den Finanzmärkten hat die Europäische Zentralbank (EZB) vom Kurs abgebracht. Obwohl Europas Wirtschaft brummt, hat der EZB-Rat die ursprünglich erwartete Zinserhöhung erst einmal fallengelassen. Der Leitzins bleibt bei 4,0 Prozent - ob er dieses Jahr noch steigt, ist offen. Die Finanzmärkte bestimmen die Strategien der Notenbanken weltweit und zwingen sie zum Umdenken. Die US-Notenbank Fed jedenfalls wird nach Einschätzung von Ökonomen einen Richtungswechsel vollziehen und Mitte September den Leitzins von 5,25 Prozent erstmals seit vier Jahren wieder senken. Gleichzeitig verhindern die Notenbanken mit Finanzspritzen ein Austrocknen des Geldmarktes.

"Die Finanzmärkte sind nachhaltig verunsichert, es sind längst nicht alle Risiken offengelegt", sagt Prof. Winfried Fuest vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Gefahr, dass die Finanzkrise auf die Realwirtschaft überschwappe, sei nicht gebannt. Daher müsse die Notenbank abwarten, bis mehr Klarheit herrsche. "Die EZB darf in dieser Situation nicht noch einen obendrauf setzen und den Zinssatz nach oben schleusen", sagt der Europa-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. "Wenn die Kreditklemme sich auf die Realwirtschaft überträgt, würden wir in eine Rezession rutschen." Bislang gibt es aber noch keine Anzeichen dafür, dass Banken weniger Kredite an Verbraucher und Unternehmen vergeben.

Die Industrieländerorganisation OECD sieht Grund zur Sorge und fürchtet gravierende Auswirkungen der US-Immobilienkrise auf die Wirtschaft des Euro-Raums. Sie korrigierte ihre Wachstumsprognose für Deutschland für 2007 von 2,9 auf 2,6 Prozent nach unten. Die EZB und die EU-Kommission glauben dagegen weiter an einen gesunden Aufschwung. Dies spricht ebenso für eine Zinserhöhung wie die Inflationsgefahren als Folge von Lohnerhöhungen und gestiegene Lebensmittelpreise. Im August blieb die Inflation im Euro-Raum mit 1,8 Prozent aber unter Kontrolle.

Finanzmärkte weiter instabil

Die Währungshüter stecken daher in einem Dilemma: Obwohl die Wirtschaft im Euro-Raum robust wächst, kommen die Finanzmärkte infolge der US-Immobilienkrise nicht zur Ruhe. Trotz der Milliarden-Finanzspritzen der EZB gibt es immer noch eine Kreditklemme am Markt zwischen den Geschäftsbanken. Sie bleiben aus Misstrauen und zur Vorsorge auf ihrem Geld sitzen und vergeben kaum noch Kredite an die Konkurrenz. Nach vier sogenannten Schnelltendern im August hatte sich die Situation vor wenigen Tagen wieder verschärft, so dass die EZB erneut 42 Milliarden Euro zuschießen musste. Damit will sie den ausgetrockneten Geldmarkt vor dem Zusammenbruch bewahren.

Experten loben das rasche Eingreifen der Notenbank. "Die Zentralbank muss der Notnagel sein und hat für das Funktionieren des Geldmarktes gesorgt", sagt Holger Schmieding von der Bank of America. Am Markt sei genug Geld vorhanden - wo es klemmt, sei der Geldmarkt. Dort gibt die EZB zusätzliches Geld aus, das sie schnell wieder einsammeln kann. "Diese Feinsteuerung und Feindosierung ist genau der richtige Weg", sagt Prof. Fuest. Nach Ansicht der Volkswirte werden die Währungshüter in den nächsten Monaten noch mehrfach eingreifen müssen, weil die Turbulenzen am Geldmarkt zwischen den Banken wohl andauern. "Das ist wie der Bruch der Hauptwasserleitung im Keller - bis der Wasserdruck oben in der Leitung wieder ist wie vorher, kann es dauern", sagt Thomas Mayer.

Keine Zinserhöhung in diesem Jahr mehr erwartet

Aus diesem Grund erwartet die Mehrzahl der Experten 2007 inzwischen keine Zinserhöhung der EZB mehr, und auch im nächsten Jahr könnten die Zinsen stabil bleiben. Zinssenkungen zur Stützung des Finanzsystems lehnen die Notenbanken allgemein ab. Höhere Zinsen verteuern Kredite für Verbraucher und Unternehmen und können das Wachstum dämpfen.

Ökonomen streiten darüber, ob die Notenbanken immer weiter mit billigem Geld Investoren aus der Klemme helfen sollten. Banken und Anleger könnten dann sorglos mit Risiken umgehen, weil sie sich auf die Hilfe der Notenbanken als Feuerwehr verlassen könnten. "Diese Geldpolitik und Zinssenkungen sind die falsche Therapie", sagt Thorsten Polleit, Chefvolkswirt von Barclays Capital. Dagegen halten andere das weitere Eingreifen der Währungshüter für angebracht. "Es hilft nichts, dem Patienten zu sagen: "Du hättest nicht rauchen sollen", wenn er krank ist. Jetzt muss die Krankheit behandelt werden", sagt Schmieding. (mit dpa)

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