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© Ullstein Bild/Montage: Tsp

Euroraum in Nöten: Die Folgen der Griechenland-Krise

Selbsthilfe, Finanzhilfe oder Kollaps? Was wird aus dem Euro? Drei Szenarien für die Zukunft.

Für die neue Idee hatte der alte Mann nicht viel übrig. „Die Menschen sprechen verschiedene Sprachen und haben unterschiedliche Kulturen“, maulte er kurz nach Einführung des Euro. Schon bald werde das Vorhaben scheitern. „Euroland bricht in fünf bis fünfzehn Jahren auseinander.“ Als Milton Friedman 2002 der Gemeinschaftswährung derart Düsteres prognostizierte, lächelten viele über den betagten US-Wirtschafts-Nobelpreisträger. Heute lächelt niemand mehr. Die Finanzprobleme Griechenlands haben das europäische Projekt in eine tiefe Krise gestürzt. Trotz der Zusage der EU-Staaten, Athen zu helfen, ist der Ausgang ungewiss – der Euro befindet sich deshalb auf einer rasanten Talfahrt. Die nächsten Wochen entscheiden darüber, ob er sich fängt – oder zur Weichwährung wird.

SZENARIO 1: SELBSTHILFE

In Athen will man an ein olympisches Wunder glauben: So, wie die Griechen 2004 pünktlich alle Sportstätten für die Olympischen Spiele fertiggestellt hätten – gegen alle Unkenrufe –, so sei nicht ausgeschlossen, dass sie ihre Neuverschuldung bis 2012 wieder unter die Grenze des Europäischen Stabilitätspaktes drücken können. Martin Knapp, Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Handelskammer in Athen, die 800 Mitgliedsfirmen zählt, will das Wunder nicht beschwören. Aber er sei „zurückhaltend optimistisch“, sagt er. Das Ziel der Regierung ist dennoch ambitioniert: Dieses Jahr soll das Defizit von 12,7 auf 8,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt werden, 2012 sollen es weniger als drei Prozent sein. Gehälter der Beamten einfrieren, öffentliche Ausgaben runter, Rentenalter rauf, Benzin-, Tabak- und Alkoholsteuer erhöhen, Verwaltungen verkleinern. Kein Ding der Unmöglichkeit, glaubt Knapp. Die Regierung Papandreou müsse den Sparkurs freilich gegen Streiks und Demonstrationen durchsetzen. „Zwei Drittel der Griechen sind bereit, Opfer zu bringen“, sagt Knapp. Die griechische Wirtschaft habe einen „gesunden, mittelständischen Kern“ und eine „gewisse industrielle Basis“. Werften, Banken, Lebensmittelproduzenten, Bergbaufirmen und Raffinerien – alle könnten die wirtschaftlichen Aufräumarbeiten vorantreiben, „wenn die Sanierung der Staatsfinanzen in Angriff genommen wird und die Regierung sich vor sich selbst schützt“, sagt Knapp. Damit meint er die „Schwestern Bürokratie und Korruption“, die sich über viele Jahre gegenseitig gefördert hätten. Eine Voraussetzung für ein griechisches Wirtschaftswunder seien Direktinvestitionen aus dem Ausland. Die letzte größere aus Deutschland stammt von der Telekom; sie stieg für 3,2 Milliarden Euro beim Telefonkonzern OTE ein. „Wir brauchen mehr deutsche Dienstleister und produzierendes Gewerbe, die in Griechenland investieren“, sagt Knapp. Das würde Vertrauen schaffen. An den Anleihemärkten hat sich die Lage vor dem Wochenende schon etwas beruhigt. Das kommt den Griechen entgegen, denen im Frühjahr die erste milliardenschwere Umschuldung bevorsteht.

SZENARIO 2: FINANZHILFE

Wenn Griechenland im April eine neue Anleihe ausgibt, um an den Kapitalmärkten neues Geld aufzunehmen, könnte die Finanzhilfe der Euro-Länder zum ersten Mal nötig werden. Denn wenn es den Griechen nicht gelingt, ihr Staatspapier zu platzieren, müssten andere Geldgeber einspringen. Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt bei der Großbank Unicredit, warnt davor, in diesem Fall auch die Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Anspruch zu nehmen, weil dadurch ein „Glaubwürdigkeitsproblem“ entstünde. „Das langfristige Projekt einer stärkeren politischen Harmonisierung – wie im Lissabon-Vertrag angedacht – erhielte einen schweren Dämpfer“, sagt Rees. Alternativ könnten stärkere Länder zusammen mit finanzschwachen eine gemeinsame Anleihe auflegen. Oder einzelne Länder könnten über ihre Staatsbanken, das wäre in Deutschland die bundeseigene KfW, Kedite geben. Direkte EU-Geldspritzen verbietet der Lissabon-Vertrag indes.

SZENARIO 3: KOLLAPS

Vom schlimmsten aller Fälle will Jean-Claude Trichet nichts wissen. „Absurde Hypothesen“ seien Spekulationen über einen Austritt Griechenlands aus dem Euro-Raum, wehrt der Chef der Europäischen Zentralbank ab. Auch Athen selbst will von einer Rückkehr zur Drachme nichts wissen. Dirk Meyer, Ökonom an der Bundeswehr-Universität in Hamburg, sieht das anders. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich gezeigt, dass die Währungsunion wegen struktureller Probleme nicht funktioniert“, sagt er. Zu groß seien die Unterschiede zwischen Arm und Reich. „Nicht nur die Griechen, sondern alle Länder mit ungesunden Finanzen sollten die Währungsunion verlassen“, findet er. Also auch Spanien, Portugal und Irland. „Dann funktionierte die Währungsunion in den verbleibenden Ländern umso besser.“

Im Falle Griechenlands wäre das kein leichtes Unterfangen. Denn die neue Währung würde dramatisch abwerten – die Auslandsschulden wären für Athen dann noch schwerer zu bedienen. Zumal die Zinsen weiter steigen würden, womöglich auf ein zweistelliges Niveau. Der Beginn eines Teufelskreises aus immer schlechterer Bonität und immer höheren Zinsen. „Ein Anschlusskonkurs wäre dann wahrscheinlich“, sagt Meyer.

Also müsse Europa die Griechen locken – und ihnen den Austritt bezahlen. Geld werde die Krise ohnehin kosten. „Die Euroländer stehen vor der Alternative, Griechenland direkt zu helfen, oder ihre Banken zu stützen, die durch einen Zahlungsausfall Athens in eine Schieflage geraten würden.“ Allein deutsche Banken sitzen auf Forderungen von 30 Milliarden Euro gegenüber Athen.

Bleiben die Finanzschwachen an Bord, würden Transfers an sie wohl zum Dauerthema. Es sei denn, Europa würde seine Wirtschafts- und Finanzpolitik doch noch vereinheitlichen. Dann würde allerdings wie heute schon noch mehr Umverteilung stattfinden – über die Zinsen. Bereits jetzt profitieren die Griechen davon, dass die Zinsen bei ihnen niedriger sind als ohne Beitritt zur Währungsunion. In Deutschland sind dagegen die Zinsen höher, als sie sein müssten. Meyer zufolge ist das eine Last. „Das macht unserer Wirtschaft zu schaffen und belastet die Konjunktur der stärkeren Länder zusätzlich.“

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