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Trichet

© dpa

EZB: Einen halben Punkt für die Hoffnung

Die Europäische Zentralbank senkt die Zinsen, um die Konjunktur zu stützen. Die Aktienmärkte reagieren enttäuscht.

Berlin - Der staatlichen Förderbank KfW drohen neue Verluste. Wie die Bank am Donnerstag mitteilte, hat sie insgesamt 288 Millionen Euro bei isländischen Banken investiert. Dabei handele es sich um Wertpapiere und ein Globaldarlehen zur Förderung mittelständischer Unternehmen. Island war im Oktober nur knapp am Staatsbankrott vorbeigeschrammt und konnte nur mit Milliardenkrediten des Internationalen Währungsfonds gerettet werden. Die größten Banken des Landes sind faktisch zusammengebrochen und werden nun abgewickelt.

Die 138 Millionen Euro, die die KfW in Anleihen dieser Banken investiert hat, dürften daher größtenteils verloren sein. Anders verhält es sich mit einem Globaldarlehen über die restlichen 150 Millionen Euro. Dieses Geld hatte die isländische Glitnir-Bank erhalten und an eine norwegische Tochter weitergereicht, damit diese wiederum mittelständische Unternehmen in Norwegen unterstützt. Eine KfW-Sprecherin sagte auf Anfrage, es handele sich um „ganz normales Fördergeschäft“. Die Fördertätigkeit der KfW im europäischen Ausland sei im Gesetz verankert und stehe im Einklang mit den Vorgaben der Bundesregierung. Zudem teilte die Bank mit, sie habe rechtliche Schritte eingeleitet, um ihre vertraglichen Rechte wahrnehmen zu können. Wie hoch der Verlust am Ende ausfalle, könne man noch nicht sagen. Bisher hat die KfW für ihr Island-Engagement nach eigenen Angaben eine Risikovorsorge von 98 Millionen Euro gebildet.

Deutsche Banken gehören mit zu den größten Kreditgebern Island

Die deutschen Banken gehören zu den größten Kreditgebern Islands. Die dortigen Banken und sonstige Kreditnehmer schulden deutschen Instituten mehr als 21 Milliarden Dollar (16,2 Milliarden Euro). Allein die BayernLB hat in Island Forderungen von 1,5 Milliarden Euro, von denen etwa die Hälfte auszufallen droht. Die Commerzbank schrieb im dritten Quartal 232 Millionen Euro auf ihr Island-Engagement ab.

Das Bundesfinanzministerium, dem die Aufsicht über die KfW obliegt, nahm die Bank in Schutz. Ein Sprecher erklärte auf Anfrage, der Bank sei in diesem Fall „überhaupt kein Vorwurf“ zu machen. „Die KfW hat sich im Rahmen des normalen Geschäfts und ihres gesetzlichen Auftrags bewegt.“ Dies gelte auch für die Höhe des Engagements.

FDP-Politiker: KfW soll sich ausschließlich auf die Mittelstandsförderung konzentrieren

Der FDP-Politiker Frank Schäffler kritisierte dagegen, die KfW sei dabei, „buchstäblich den letzten Kredit zu verspielen“. Die KfW müsse sich künftig „ausschließlich auf die Mittelstandsförderung konzentrieren“, sagte er. Der Haushaltsexperte der Union, Steffen Kampeter (CDU), mahnte, die Island-Verluste der KfW nicht überzubewerten. Nicht jedes KfW-Geschäft sollte nachträglich skandalisiert werden, sagte Kampeter.

Die Staatsbank kommt seit Monaten nicht aus den Schlagzeilen. Mitte September hatte die staatliche Förderbank knapp 320 Millionen Euro an die bereits insolvente US-Bank Lehman Brothers überwiesen. Zuvor hatte sie bereits bei ihrer inzwischen verkauften Tochtergesellschaft IKB Milliarden zuschießen müssen und deshalb 2007 einen massiven Verlust verbucht. Auch für 2008 wird mit einem Minus gerechnet.stek/dpa/AP

Neue Leitzinssenkung der EZB im Dezember erwartet

Frankfurt am Main - Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich mit einem zweiten großen Zinsschritt innerhalb von vier Wochen gegen den Konjunkturabschwung und die Finanzkrise. Die Eurobanker verbilligten den wichtigsten Satz für Zentralbankgeld um 0,5 Punkte auf 3,25 Prozent. Bereits Anfang Oktober hatten sie den Leitzins, zu dem sich Banken bei ihr Geld leihen können, von 4,25 auf 3,75 herabgesetzt.

Man habe sogar eine Absenkung um 0,75 Punkte diskutiert, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet nach der Sitzung des europäischen Zentralbankrates am Donnerstag. Zugleich deutete er an, dass der Leitzins im Dezember erneut sinken dürfte. „Ich schließe nicht aus, dass wir die Zinsen weiter senken.“ Im Juli noch hatten die Währungshüter den Leitzins auf 4,25 Prozent erhöht, um den Inflationsgefahren zu begegnen.

Trichet: Aussichten für die Weltwirtschaft sind düster

Der Aktienmarkt reagierte enttäuscht auf den Schritt der EZB. Viele Investoren hatten eine deutliche Zinssenkung erwartet. Der Dax brach um 6,8 Prozent auf 4813 Punkte ein. Auch schwache Bilanzzahlen von Unternehmen und schlechte Wirtschaftsdaten zogen die Kurse nach unten. So sind die Aufträge in der deutschen Industrie im September überraschend stark gesunken. Preis- und saisonbereinigt seien die Bestellungen im Vergleich zum Vormonat um acht Prozent gefallen, teilte das Wirtschaftsministerium am Donnerstag in Berlin mit. Das ist der stärkste Einbruch seit der Wiedervereinigung. Besonders aus dem Ausland blieben die Aufträge aus.

Die Aussichten für die Weltwirtschaft seien düster, die Unsicherheit außergewöhnlich hoch, sagte EZB-Präsident Trichet. „Die Verschärfung und Ausweitung der Finanzmarktkrise wird höchstwahrscheinlich die Nachfrage weltweit und im Euroraum für längere Zeit dämpfen.“

Zinssenkung soll den Geldhandel zwischen den Banken wieder anregen

Angesichts der schwierigen Lage forderte Trichet die Banken in ungewohnter Deutlichkeit auf, ihrer Verantwortung für die gesamte Wirtschaft gerecht zu werden. „Wir erwarten, dass der Bankensektor seinen Beitrag zur Wiederherstellung des Vertrauens leistet.“ Es sei entscheidend, dass die Banken die Maßnahmen der Regierungen zur Überwindung der Finanzkrise und auch das Handeln der Notenbanken berücksichtigten.

Seit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September leihen sich die Banken aus gegenseitigem Misstrauen untereinander kaum mehr Geld. Die Zentralbanken müssen deshalb einspringen und die Banken mit den nötigen Krediten versorgen. Die Regierungen haben zudem Garantien für Bankkredite bereitgestellt. Die Zinssenkung soll nun ein weiteres Signal sein, um den Geldhandel zwischen den Banken wieder in Gang zu bringen. Laut EZB-Präsident Trichet hat sich auch die Vergabe von Krediten an Unternehmen erkennbar verlangsamt. „Eine Kreditklemme sehe ich aber im Moment nicht“, sagte Trichet.

Leitzins im Euroraum höher als in den USA

Die Inflationsgefahren, die die EZB noch bis vor Kurzem zu einer restriktiven Geldpolitik gezwungen hatten, sind dagegen deutlich zurückgegangen. Im Oktober war die Inflationsrate im Euroraum wegen des stark gefallenen Ölpreises und der schwachen Konjunkturaussichten auf 3,2 Prozent gesunken, nach 3,6 Prozent im September und 3,8 Prozent im August. Trichet rechnet jetzt mit einer weiteren Abschwächung. Im Laufe des kommenden Jahres könne die Teuerungsrate wieder auf etwa zwei Prozent sinken.

Der Leitzins im Euroraum ist mit 3,25 Prozent so niedrig wie zuletzt vor zwei Jahren. Er liegt aber immer noch weit über dem Niveau in den USA, wo er inzwischen bei 1,0 Prozent angekommen ist. Die britische Notenbank verbilligte am Donnerstag ihren Leitzins um 1,5 Prozentpunkte auf drei Prozent – dies war die stärkste Senkung seit 1981.

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