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Jean-Claude Trichet

© dpa

EZB-Präsident Trichet: Halbzeit für Mister Euro

Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, hat ein bewegtes Jahr hinter sich. Die Kämpfe um den Stabilitätspakt und gegen die Krise auf den Hypothekenmärkten haben ihn in seiner Position gestärkt. Morgen feiert er sein viertes Jahr im Amt.

Die schwerste Bewährungsprobe hat Jean-Claude Trichet gerade erst bestanden. In der Finanzmarktkrise der vergangenen Wochen musste der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) schnell handeln und ruhig Blut bewahren. Mit großzügigen Finanzspritzen stellte der oberste Euro-Hüter im August den Banken im Euro-Raum mehr als 200 Milliarden Euro kurzfristig zur Verfügung, damit der Handel der Banken untereinander nicht austrocknete. Zugleich sagte Trichet die angekündigte Erhöhung des Leitzinses von 4,0 Prozent kurzerhand ab. Die meisten Ökonomen geben dem Top-Notenbanker daher gute Noten. An diesem Donnerstag hat Trichet Halbzeit in seinem achtjährigen Amt an der Spitze der EZB.

"Trichet ist krisenerfahren und hat entschlossen gehandelt", lobt Volkswirt Michael Schubert von der Commerzbank. Genau diese Eigenschaft hat den heute 64-jährigen Geldpolitiker 2003 in sein Amt gebracht: Als Präsident der französischen Nationalbank Banque de France schlug der parteilose Währungshüter einen strikt stabilitätsorientierten Kurs ein, um Frankreich fit für den Euro zu machen. Gegen den erbitterten Widerstand der Regierung setzte Trichet seine Politik des starken Franc durch und wurde von französischen Politikern als "Sklave" der Bundesbank beschimpft.

Märkte mit Liquidität überschwemmt

Auch als EZB-Präsident wehte dem Absolventen französischer Eliteschulen in den vergangenen Jahren heftiger Gegenwind entgegen. Als die EZB wegen des beginnenden Aufschwungs und Inflationsgefahren Ende 2005 mit Zinserhöhungen begann, warnten Gewerkschaften, Politiker und internationale Organisationen vor einem Abwürgen der Konjunktur. "Aus heutiger Sicht hat die EZB dagegen ein halbes Jahr zu spät mit den Zinserhöhungen begonnen", sagt Ökonom Mario Mattera von der Privatbank Metzler. "Die Notenbanken in der ganzen Welt sind zu lange bei ihrer Niedrigzinspolitik geblieben und haben die Märkte mit Liquidität überschwemmt, was zu der derzeitigen Krise geführt hat." Trichet stellte sich gegen die Kritik: "Wir tun, was wir für richtig halten."

Den Prestige-Titel des "Mister Euro" muss sich der Franzose mit dem Vorsitzenden der Euro-Finanzminister Jean-Claude Juncker teilen. Mit viel Elan kämpft Trichet immer wieder für die politische Unabhängigkeit der EZB. "Wir können keine Anweisungen entgegennehmen", wiederholt der Notenbankchef ein ums andere Mal. Demonstrativ gelassen blieb Trichet, als Frankreichs neu gewählter Präsident Nicolas Sarkozy im Sommer eine Aufweichung des Stabilitätskurses der EZB forderte. "Ich werde mit größter Entschlossenheit die Unabhängigkeit der EZB unter allen Umständen bewahren", lautete die Antwort des "Meisters der Diplomatie".

In Konflikten zurückhaltend

"Trichet bleibt als Geldpolitiker blass, er ist wenig innovativ und vertrauensbildend", kritisiert der Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft, Prof. Rudolf Hickel. Gegenüber seinem Vorgänger Wim Duisenberg, der in der Öffentlichkeit kaum ein Blatt vor den Mund nahm, bleibt Trichet bei Konflikten zurückhaltend - um hinter den Kulissen knallhart aufzutreten, heißt es. Immer wieder wirbt er um Vertrauen für die EZB als Kämpferin gegen die Inflation. Das 'Nein' der Franzosen und Niederländer zur europäischen Verfassung konterte Trichet nüchtern: "Sie können uns vertrauen. Unser Auftrag lautet Preisstabilität."

Der Lyrik- und Opern-Fan musste lange um den Posten im Euro-Tower zittern. In der ersten Runde musste er sich dem Niederländer Duisenberg geschlagen geben, danach lastete seine angebliche Verstrickung in den Bilanzskandal der staatlichen Großbank Crédit Lyonnais in den 90er Jahren auf Trichet. Erst nach einem Freispruch war der Weg in den Frankfurter Euro-Tower frei. Trichet ist verheiratet und hat zwei Söhne. (mit dpa)

Marion Trimborn

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