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EZB: Zentralbank pumpt Geld in den Finanzmarkt

Für die Banken in der Euro-Zone ist es ab sofort so günstig wie noch nie, sich Geld zu leihen. Die Europäische Zentralbank senkte am Donnerstag den Leitzins auf den historischen Tiefstand von 1,0 Prozent.

Frankfurt am Main/Berlin - Für die Banken in der Eurozone ist es ab sofort so günstig wie noch nie, sich Geld zu leihen. Die Europäische Zentralbank senkte am Donnerstag den Leitzins auf den historischen Tiefstand von 1,0 Prozent. Außerdem will sie die Rezession bekämpfen, indem sie für etwa 60 Milliarden Euro Pfandbriefe kauft. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet erklärte, die Konjunktur stabilisiere sich auf sehr niedrigem Niveau. Die deutsche Industrie erhielt derweil im März erstmals seit sechs Monaten wieder mehr Aufträge.

Nach der siebten Leitzinssenkung seit Oktober vergangenen Jahres schloss Trichet eine weitere Lockerung der Geldpolitik nicht aus. Damals hatte der Satz noch bei 4,25 Prozent gelegen. Aktuell sei das Niveau aber angemessen. „Wir haben nicht beschlossen, dass dies der niedrigste Stand ist, den wir jemals unterschreiten können“, sagte er. Auch sollen die Geschäftsbanken Zentralbankgeld künftig für zwölf statt wie bisher höchstens für sechs Monate ausleihen können. Damit will die EZB erreichen, dass auch der Markt für Kredite mit längerer Laufzeit wieder in Schwung kommt.

Die neuen Maßnahmen sollten die Banken ermutigen, mehr Kredite an Unternehmen und Verbraucher auszugeben, sagte Trichet. Im Zuge ihrer Finanzierungsprobleme haben die Finanzinstitute ihre Kreditbedingungen deutlich verschärft. Experten befürchten, dass dies für eine Verlängerung der Rezession sorgen könnte, da es für Unternehmen schwierig bleibt, Geld für Innovationen und neue Projekte aufzutreiben.

Mit der neuerlichen Zinssenkung dürften die Zinsen für Tages- und Festgeld und andere Sparprodukte weiter sinken. Andererseits müssten sich auch Kredite verbilligen. In der Vergangenheit haben Banken und Sparkassen allerdings die Einlagenzinsen schneller und deutlicher zurückgenommen als die Kreditzinsen.

Mit dem Kauf von Pfandbriefen ab Juni greift die EZB nun auch zu Mitteln alternativer Geldpolitik – dies hatten zuvor bereits die Zentralbanken der USA und Großbritanniens getan. Allerdings wird die EZB nicht Staatspapiere erwerben wie etwa die Fed – denn auf diesem Weg würde sie das Haushaltsdefizit der Länder Europas mithilfe der Notenpresse finanzieren. Nach Einschätzung von Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, will die Notenbank mit diesem Schritt vor allem den wichtigen Pfandbriefmarkt stützen, dessen Liquidität in der Finanzkrise besonders angegriffen ist.

Zur Lage der Konjunktur sagte Trichet, das erste Vierteljahr in der Eurozone sei sehr schlecht gelaufen. Dies werde sich auch auf das zweite Quartal auswirken. Erst im Laufe von 2010 werde es eine allmähliche Erholung geben. Gleichwohl wertete Trichet das Plus beim Auftragseingang in der deutschen Industrie als Anzeichen für eine Stabilisierung der Lage.

„Der Anteil an Großaufträgen war für einen März stark überdurchschnittlich“, hatte das Wirtschaftsministerium zuvor die neuen Daten kommentiert. Der Nachfragerückgang in den sechs Monaten zuvor sei mit der Belebung allerdings längst nicht ausgeglichen. Es gebe aber „Hoffnung auf eine Normalisierung“. Insbesondere die Auslandsnachfrage konnte, begünstigt durch die Großaufträge, kräftig zulegen. Die Inlandsnachfrage stieg ebenfalls, wenn auch weniger deutlich.

Angesichts der schwachen Nachfrage macht sich die EZB um die Preise keine Sorgen. Billigere Rohstoffe könnten die Inflationsrate zur Jahresmitte sogar in den Minusbereich drücken, sagte Trichet. Im April lag die Preissteigerungsrate im Euroraum bei 0,6 Prozent. Für 2010 rechnet die EZB mit einem Anstieg – die Marke soll aber unter zwei Prozent bleiben, dem Niveau, bei dem die Bank Preisstabilität als gewährleistet ansieht.

Die britische Zentralbank beließ ihren Zinssatz derweil bei 0,5 Prozent. Allerdings hatte sie ihre laufenden Ankaufprogramme für Anleihen auf 125 Milliarden Pfund ausgeweitet, um auf diese Weise zusätzliches Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Rolf Obertreis/Carsten Brönstrup

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