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Finanzen: Fertig ist das Hilfspaket

Eine halbe Billion Euro setzt Deutschland der Finanzkrise entgegen. Was soll mit dem Geld bewirkt werden?

Was soll mit dem Rettungspaket erreicht werden?

Die Banken sind das Herz einer Marktwirtschaft – pumpt es nicht genügend Blut, kann der gesamte Organismus Schaden nehmen. In einer solchen Situation stecken derzeit die meisten großen Volkswirtschaften der Welt: Die Versorgung der Wirtschaft mit Geld ist dem Stillstand nahe, weil die Banken einander misstrauen und sich kein Geld mehr leihen. Jeder Geschäftspartner, so fürchten sie, könnte schon morgen ein Fall für den Konkursrichter sein. Deshalb tun sich die Banken auch schwer, den produzierenden Unternehmen Kredite zur Verfügung zu stellen. Dies könnte die Weltwirtschaft, die sich ohnehin auf Talfahrt befindet, in den Abgrund reißen.

Um das zu verhindern, haben die Zentralbanken versucht, die Geldinstitute mit Kapital zu versorgen. Niedrigere Leitzinsen und milliardenschwere Liquiditätsspritzen haben aber nahezu nichts bewirkt, die Banken horten das Geld auf ihren Konten, statt es in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Nur der Staat kann das fehlende Vertrauen wiederherstellen. Es geht um ein Signal: Seht her, Investoren und Banken, ihr könnt wieder gefahrlos untereinander Geschäfte machen, weil im Fall des Falles der Finanzminister einspringt und dafür bürgt, dass kein Geld verloren geht.

Was konkret ist in dem Paket drin?

Die erste Säule besteht aus einer Garantie des Staates für Kredite, die sich die Banken untereinander gewähren. Die maximale Höhe dieser Versicherung liegt bei 400 Milliarden Euro. Damit sind Banken für bis zu 36 Monate dagegen geschützt, dass sie Kredite und Wertpapiere abschreiben müssen, weil sie das verliehene Geld nicht zurückbekommen. Im Gegenzug müssen sie dem Staat zwei Prozent der jeweiligen Summe als Gebühr überweisen. Bis Ende 2009 kann das Geld ausgegeben werden. Daneben gilt weiter die Garantie für alle privaten Spareinlagen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgesprochen hat.

Die zweite Säule besteht aus Hilfen von bis zu 80 Milliarden Euro, mit denen der Staat das Eigenkapital von Banken stärken kann. Fachleute sprechen von einer Rekapitalisierung. Das bedeutet: Der Bund würde Miteigentümer einer angeschlagenen Bank, indem er Aktien bekommt. Wenn es dazu kommt, kann der Staat in die Geschäftspolitik des Unternehmens eingreifen, zum Beispiel die Strategie ändern, die Bezahlung der Manager oder die Dividenden für die Aktionäre mitbestimmen. Alternativ kann der Bund faule Papiere der Bank übernehmen, ähnlich wie in den USA.

Alle Banken können sich vom Staat helfen lassen – sowohl die privaten Institute wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank als auch die Volksbanken und die Sparkassen sowie deutsche Tochterfirmen ausländischer Banken. Die Entscheidung trifft der Finanzminister.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Möglichkeit für die Banken, ihr Vermögen flexibler zu bewerten. Das ist wichtig für die Bilanz einer Bank, also die Gegenüberstellung von Soll und Haben. Bislang mussten die Häuser viel Geld verloren geben, weil Wertpapiere wegen der Krise nicht mehr verkäuflich waren – in den Bilanzen aber mit dem aktuellen Marktwert auftauchen mussten. Nun soll es einen weniger strengen Bewertungsmaßstab geben. Die neue Methode dürfen die Banken schon für die Berechnung der Zahlen zum dritten Quartal anwenden.

Woher kommt das Geld?

Das Volumen des Rettungspakets entspricht etwa den gesamten deutschen Steuereinnahmen eines Jahres. Als Namen für ihr Konstrukt haben sich die Banker und Politiker das schöne Wort „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ einfallen lassen. Dieser Nebenhaushalt untersteht Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und wird von der Bundesbank verwaltet. Die Hoffnung der Regierung ist, dass möglichst kein einziger Euro fließen muss. Über die Bürgschaften verspricht der Bund, im Notfall einzuspringen – und erst dann fließt auch wirklich das Geld des Steuerzahlers. Tatsächlich rechnet der Bund damit, dass er für fünf Prozent der Bürgschaften geradestehen muss, das wären 20 Milliarden Euro. Diese Summe soll über neue Schulden finanziert werden.

Auch bei der maximal 80 Milliarden Euro schweren Eigenkapitalhilfe hat der Bund fromme Wünsche: Sollte er tatsächlich bei einem Institut einsteigen müssen, bekommt er im Gegenzug Aktien. Und die will er eines Tages wieder mit Gewinn verkaufen. In der Zwischenzeit würde er Dividenden kassieren – wie es schon heute der Fall ist, wenn zum Beispiel die noch teils staatseigene Telekom Gewinn an ihre Aktionäre ausschüttet.

Was kommt auf den Bundeshaushalt zu?

Noch lässt sich nicht beziffern, wie viele neue Schulden Steinbrück aufnehmen muss. Erst in den Jahren ab 2010, nach der Schließung des Fonds also, wird es Klarheit geben. Vorausgesetzt, die Finanzmärkte haben sich bis dahin beruhigt. Von den Kosten sollen 65 Prozent der Bund und 35 Prozent die Bundesländer zahlen. Länder, deren Landesbanken gerettet werden müssen, sollen sich noch stärker engagieren. Jedoch haben einige Länder Widerstand angekündigt.

Der Plan der Koalition, bis 2011 einen Haushalt ohne neue Schulden zu schaffen, ist schon seit der Verschärfung der Finanzkrise Makulatur – weil Steinbrück angesichts der abbremsenden Konjunktur auf viele Steuermilliarden wird verzichten müssen. Hinzu kommen nun mögliche Belastungen aus dem Rettungspaket. Dass das große Sparziel der Koalition verfehlt werden dürfte, haben Steinbrück und Merkel bereits eingeräumt.

Womit muss der Steuerzahler rechnen?

Das ist noch nicht abzusehen. Steuersenkungen sind aber für die kommenden Jahre wohl nicht drin. Eher könnten Steuererhöhungen ein Thema werden – jedoch auf keinen Fall vor der Bundestagswahl im September 2009. Angesichts der historischen Mehrwertsteuererhöhung von Anfang 2007 ist es danach am ehesten denkbar, dass Besserverdiener zur Kasse gebeten werden.

Hat die Politik die Krise nun im Griff?

Das kann noch niemand sagen. Wichtig ist, dass nicht nur die Banken mehr Geld bekommen. Sie müssen auch dafür sorgen, dass wieder mehr Vertrauen in ihre Geschäfte entsteht. Gefragt ist vor allem Transparenz – nur wenn die Risiken offen liegen, kann eine Bank wieder mit Vertrauen rechnen. Das ist die Grundlage, damit der Markt wieder funktionieren kann. Helfen sollen dabei die zahlreichen Regulierungsvorschläge, die derzeit international diskutiert werden.

Was sagen Experten zu dem Paket?

Wirtschaftsforschern gehen Details der Rettungsplans nicht weit genug. „Eine Bank sollte komplett verstaatlicht werden können, wenn sie die Hilfe des Bundes benötigt“, findet Thomas Straubhaar, der Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs HWWI. Sonst bestehe die Möglichkeit, dass die derzeitigen Aktionäre womöglich in ein paar Jahren noch Gewinn erzielen würden, nachdem der Staat geholfen hat. „Man sollte erst die Aktionäre in die Pflicht nehmen und erst dann den Steuerzahler. Das ist keine Enteignung – im Fall einer Pleite wäre das Geld der Aktionäre ja auch weg“, argumentiert Straubhaar.

Ulrich Blum, Präsident des Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), will die Banken stärker an die Kandare nehmen. „Dringend nötig ist eine Übersicht, wie viele Giftmüllkredite noch in den Büchern der Banken stehen“, sagte Blum. Die Krise laufe bereits seit Monaten, aber noch immer gebe es darüber keine Klarheit. „Ein normaler Unternehmer, der von seiner Bank Geld will, würde ausgelacht, wenn er keine Angaben über seine Risiken machen könnte“, sagte der Ökonom. Psychologisch hält er das Vorgehen der Regierung aber für den richtigen Schritt. „Je mehr die Hoffnung aufkommt, dass das Rettungspaket ausreicht, desto mehr kann man auf ein Ende der Krise hoffen.“

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