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© dpa/Zentralbild

Finanzkontrollen: Rentner werden nicht verschont

Ab Oktober überprüft der Fiskus, ob Senioren ihre Steuern gezahlt haben. Die Kriterien bleiben geheim.

Berlin - Rentner müssen nun doch ab Oktober mit Kontrollen der Finanzämter rechnen. Eine Bagatellgrenze, bis zu der die deutsche Finanzverwaltung pauschal auf Nachforderungen verzichtet, wird es nicht geben. Stattdessen haben sich das Bundesfinanzministerium und die Länder jetzt auf ein spezielles Risikomanagementsystem geeinigt, mit dem die Rentenbezugsmitteilungen ausgewertet werden sollen. Diese Auswertungen sollen jedoch „mit Augenmaß“ vorgenommen werden, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Deutsche Steuergewerkschaft warnte vor einer Überforderung der Finanzämter, der Sozialverband VdK appellierte an die Finanzverwaltung, Rentner nicht zu kriminalisieren.

Im Oktober rollt auf die Finanzämter eine Lawine von 120 Millionen Rentenbezugsmitteilungen zu. Darin sind alle Einnahmen aufgelistet, die Rentner seit 2005 aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus Betriebsrenten und aus privaten Leibrenten bekommen haben. Mit Hilfe dieser Mitteilungen können die Finanzämter feststellen, ob Rentner in den vergangenen Jahren ihre Steuern bezahlt haben oder nicht. Seit 2005 gilt ein neues Steuersystem für Alterseinkünfte. Seitdem müssen mindestens 50 Prozent der Renten oder Pensionen versteuert werden.

Viele Rentner haben keine Steuererklärung abgegeben, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären. Schätzungen gehen von rund einer Million Betroffener aus, das Finanzministerium nennt keine Zahlen. Klar ist aber: Mit Hilfe der Rentenbezugsmitteilungen kann der Fiskus solche Fälle jetzt erstmals flächendeckend herausfiltern. Betroffen sind Alleinstehende, deren Rente über 19 000 Euro im Jahr liegt, oder Senioren, die neben der Rente noch nennenswerte Zusatzeinnahmen aus Kapitalanlagen oder Vermietungen haben.

Die Deutsche Steuergewerkschaft hatte für eine Bagatellgrenze plädiert, bis zu der Steuersünder verschont bleiben sollten. Doch Bund und Länder haben anders entschieden. „Allgemeine Nichtaufgriffsgrenzen wären aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu rechtfertigen“, betonte das Bundesfinanzministerium. Stattdessen sollen demnächst die Rentner, die keine Steuererklärung abgegeben haben, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären, angeschrieben werden. „Das Finanzamt bittet um Erläuterung“, sagte der Sprecher, „es wird aber nicht sofort eine Nachzahlung festgesetzt.“

Um die Steuerehrlichkeit der Rentner zu überprüfen, sollen Steuererklärungen nach wechselnden Kriterien überprüft werden. Diese Kriterien sollen geheim gehalten werden, damit sich die Steuerbürger nicht auf das Prüfverhalten der Finanzämter einstellen können. Mögliche Punkte könnten Zusatzeinnahmen aus Vermietungen oder Verpachtungen sein, die Höhe der Renten oder besonders hohe Differenzen zwischen den Jahren.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, warnte davor, Rentner als Steuerhinterzieher zu kriminalisieren. „Viele wussten nicht, dass sie Steuern zahlen müssen, weil das Bundesfinanzministerium die Betroffenen über die Besteuerung der Renten nur unzureichend informiert hat“, sagte sie dieser Zeitung. Sie fordert die Finanzverwaltung auf, die Rentner bei möglichen Nachzahlungen nicht zu überfordern.

Das Bundesfinanzministerium geht davon aus, dass nur „vergleichsweise wenige Rentner“ mit Nachfragen behelligt werden. Das sieht auch die Deutsche Steuergewerkschaft ähnlich, allerdings aus anderen Gründen. „Mit dem vorhandenen Personal ist das nicht zu machen“, kritisiert Detlef Dames, Leiter des Landesbezirks Berlin. Schon jetzt fehle Personal in den Berliner Ämtern. 7300 Angestellte und Beamte arbeiten derzeit in den Berliner Finanzämtern, nach Meinung der Steuergewerkschaft sind das mindestens 700 zu wenig. Wenn ab Oktober die Rentenbezugsmitteilungen eintreffen, wird die Lücke noch größer, sagte der Gewerkschafter dem Tagesspiegel am Sonntag.

Dames warnt davor, dass sich die Bearbeitungszeiten für die Steuerbescheide weiter verlängern. Bereits heute dauere es in Berlin zwischen zwei und sechs Monaten, bis Steuerzahler ihren Einkommensteuerbescheid erhielten. Ab Oktober könnte sich das um weitere zwei bis vier Monate verzögern. „Unsere Leute gehen auf dem Zahnfleisch“, berichtet Dames, „der Frust ist sehr groß“.

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