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© AFP

Finanzmarkt: Europa will mehr Kontrolle

"Jeder kehrt vor seiner Tür", empfiehlt Minister Michael Glos. Die Amerikaner können in Sachen Finanzkrise nicht auf Hilfe aller Verbündeten zählen. Zudem wird der Ruf nach einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte in Europa immer lauter.

Berlin - Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise geht Europa auf Distanz zu den USA. Führende deutsche Politiker gaben am Montag zu verstehen, die amerikanische Regierung müsse die Probleme des Bankensektors alleine lösen. Auch die übrigen wichtigsten Industrienationen (G 7), darunter Großbritannien, Frankreich und Italien, lehnten eine Beteiligung am geplanten amerikanischen Rettungspaket ab. Zudem wird der Ruf nach einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte in Europa immer lauter. Die USA haben sich solchen Maßnahmen innerhalb der G 7 bisher stets widersetzt.

Die US-Regierung hatte am Wochenende ein 700-Milliarden-Dollar-Paket angekündigt, mit dem der Staat den angeschlagenen Banken riskante Kreditpapiere abkaufen will. Auch andere Staaten sollten sich an dem Rettungspaket beteiligen.

Dies dürfte nach der Weigerung der G-7-Staaten nun hinfällig sein. Aus Deutschland kam am Montag ein besonders klares Nein, quer durch die politischen Fraktionen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) empfahl das Motto „Jeder kehrt vor seiner Tür, und sauber ist das Stadtquartier“. Die Krise in den USA bezeichnete er als „Sonderprobleme“. Auch Bundestagsvizepräsident Hermann-Otto Solms (FDP) hält nichts davon, der US-amerikanischen Bitte nachzukommen. „Die Ursachen der Krise sind einzig und allein in den USA zu suchen und müssen auch dort behoben werden“, sagte Solms dem Tagesspiegel.

Dennoch gab es viel Lob für das geplante Rettungspaket der USA. Die Bundesregierung begrüßte, dass die USA in „Wahrnehmung ihrer besonderen Verantwortung“ gehandelt haben. Die Maßnahmen würden entscheidend zur Entspannung der Lage beitragen, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. In den USA ringen derzeit Demokraten und Republikaner über Einzelheiten des Hilfsprogramms. Die US-Regierung hat dabei angeblich einigen Bedingungen des Kongresses bereits zugestimmt. Darunter seien staatliche Hilfen für Hausbesitzer und eine starke Kontrollfunktion des Kongresses, sagte Barney Frank, der Vorsitzende des Finanzausschusses im Abgeordnetenhaus. In den Gesprächen zwischen Abgeordneten und Vertretern der Regierung seien große Fortschritte erzielt worden. Auch ein mit den Verhandlungen vertrauter Regierungsbeamter erklärte, die Regierung habe zugestimmt, einen Plan aufzulegen, um Zwangsvollstreckungen bei Hypotheken zu verhindern, die sie im Rahmen des Finanzpakets aufkaufen will. Die US-Regierung braucht für ihr Vorhaben, den Steuerzahler Milliarden zur Stabilisierung der Banken aufbringen zu lassen, das Einverständnis des Kongresses, in dem die Demokraten die Mehrheit haben.

Die große Koalition in Berlin bereitet indes eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte vor. In der SPD soll eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in den nächsten Wochen Vorschläge vorlegen, kündigte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil am Montag nach einer Präsidiumssitzung in Berlin an. „Finanzmärkte brauchen klare Regeln“, sagte Heil. Es sei „höchste Zeit zu handeln“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich erneut für eine stärkere Regulierung aus. Es sei im ureigensten deutschen Interesse, Regelungen einzufordern, sagte Merkel. Dies werde unter anderem beim nächsten Europäischen Rat im Oktober geschehen. Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte zu Gesprächen mit den USA auf. „Die Amerikaner können nicht tun und lassen, was sie wollen“, sagte Kauder.

Auch Großbritannien, das sich in der Vergangenheit wie die USA gegen eine schärfere Finanzmarktregulierung gewehrt hatte, will nun Maßnahmen ergreifen, um die Finanzkrise in den Griff zu bekommen. Finanzminister Alistair Darling kündigte am Montag auf dem Labour-Parteitag in Manchester härtere Regeln für den Bankensektor an. In zwei Wochen werde er ein entsprechendes Gesetz ins Unterhaus einbringen. Nach den Plänen soll die Aufsicht des Bankensystems gestärkt werden, die Aufsichtsbehörden sollen neue Befugnisse bekommen. Die EU-Kommission will zudem am 1. Oktober verschärfte Eigenkapitalvorschriften für Banken vorlegen. Allerdings lehnte EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy am Montag eine strengere Regulierung von Hedge Fonds und privaten Finanzinvestoren ab. Diese hätten die Krise der Finanzmärkte nicht verursacht, sondern positiv gewirkt, sagte McCreevy am Montag im Europäischen Parlament.

Um die kurzfristigen Probleme zu lösen, griffen am Montag erneut die Zentralbanken mit Geldspritzen ein. Die Europäische Zentralbank, die Bank von England und die Schweizer Notenbank pumpten zusammen mehr als 76 Milliarden Dollar in den Markt. Mitarbeit: Antje Sirleschtov

Stefan Kaiser

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