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Finanzmarktkrise: Steinbrück sieht die Zukunft "multipolar"

Während die US-Regierung versucht, den Kongress von ihrem Milliarden-Rettungsplan für den kollabierenden Finanzsektor zu überzeugen, spricht Finanzminister Peer Steinbrück im Bundestag Klartext: Die Finanzsupermacht USA ist am Ende und in Zukunft wird die Finanzwelt "multipolarer".

US-Regierung und Kongress haben am Donnerstag ihre fieberhafte Suche nach einem Kompromiss beim geplanten milliardenschweren Rettungsplan für die Finanzbranche fortgesetzt. Dabei wuchs die Zuversicht, das Programm in den kommenden Tagen verabschieden zu können. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) steht dem Vorhaben der US-Regierung jedoch kritisch gegenüber. Im Bundestag sagte Steinbrück, dass er negative Auswirkungen auf das weltweite Wirtschaftswachstum befürchtet und forderte bei der Bewältigung der Finanzkrise schnelles Handeln auch der Europäischen Union. Aktionärsschützer forderten eine schärfere Regulierung und mehr Transparenz auf den Kapitalmärkten.

Trotz einer Reihe noch strittiger Fragen nimmt das US-Hilfsprogramm zunehmend Konturen an. Die beiden Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain sicherten in einer gemeinsamen Erklärung ihre Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit von Demokraten und Republikaner zu: "Wir dürfen keine wirtschaftliche Katastrophe riskieren." US- Präsident George W. Bush hatte zuvor McCain und Obama für Donnerstagnachmittag zu einem Krisengipfel in Weiße Haus geladen. McCain sagte, er glaube an eine Zustimmung im US-Kongress für das Regierungsprogramm bis Montag, "bevor die Märkte öffnen".

Wirtschaftsexperten: Nachhaltiger Konjunktureinbruch droht

Nach Einschätzung von Steinbrück (SPD) wird die Bankenkrise das Weltfinanzsystem tiefgreifend umwälzen und das Wirtschaftswachstum bremsen. "Die Welt wird nicht wieder so werden wie vor der Krise", sagte Steinbrück am Donnerstag in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag. Er sprach von einem Erdbeben, in dessen Folge die USA ihren Status als "Supermacht des Weltfinanzsystems" verlieren würden. Ein Ende der Krise und deren langfristige Folgen seien noch nicht absehbar. Steinbrück stimmte die Bürger auf niedrigere Wachstumsraten und einen raueren Wind auf dem Arbeitsmarkt ein: "Unsere Realwirtschaft wird in Mitleidenschaft gezogen."

Steinbrück geht davon aus, dass künftig vier große Währungen eine weltweite Leitfunktion übernehmen werden. Der US-Dollar werde trotz der Bankenkrise zwar nicht die Funktion einer Leitwährung verlieren. Es kämen jedoch andere Währungen hinzu wie der Euro, der chinesische Yuan und der japanische Yen, sagte Steinbrück nachdem er sich am Donnerstagnachmittag mit seiner französischen Amtskollegin Christine Lagarde getroffen hatte. "Die Welt wird multipolarer", hatte Steinbrück mit Blick auf die großen Volkswirtschaften in Asien und Europaschon am Vormittag im Bundestag angekündigt.

Irland rutscht in die Rezession

Auch nach Einschätzung des Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) könnte Deutschland wegen die Immobilienkrise ein nachhaltiger Konjunktureinbruch drohen. Nach den USA gebe es bereits in Großbritannien und Spanien viele Anzeichen, dass eine solche Krise schon ausgebrochen sei, heißt es in einer am Donnerstag vorgestellten Studie.  Auch Frankreich und eine Reihe kleinerer Länder in Europa könnten betroffen sein.

Erstmals seit 25 Jahren ist nun Irland wieder von einer Rezession erfasst worden. Laut Angaben des irischen Statistik-Amtes ging das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen April und Juni um 0,8 Prozent zurück und sank damit im zweiten Quartal in Folge. Die Regierung machte den angeschlagenen Immobilienmarkt und die weltweite Konjunkturabkühlung für die Rezession verantwortlich. Sollte die Konjunkturkrise noch weitere Länder erfassen, drohe insbesondere Deutschland wegen seiner vielfältigen internationalen Handelsverflechtungen eine anhaltende Konjunktureintrübung bis zumindest Ende 2009.

Bush drängt auf Umsetzung des Milliarden-Rettungsplans

Deutschland und Frankreich pochen derweil bei der Bewältigung der Finanzkrise auf ein schnelles und flexibles Handeln auch der Europäischen Union. Die EU-Kommission müsse in schwierigen Zeiten zügig arbeiten können, sagte die französische Finanzministerin Christine Lagarde nach einem Treffen mit Steinbrück in Berlin. Die amerikanischen und europäischen Kreditinstitute müssten auch bei Bilanzierungs- und Bewertungsfragen gleich behandelt werden.

Aktionärsschützer forderten eine schärfere Regulierung und mehr Transparenz auf den Kapitalmärkten. Es müssten Lehren gezogen werden, damit sich "die Exzesse, die zum Kollaps des US-Bankensystems geführt hätten, nicht wiederholen", erklärte der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker, in Düsseldorf. Ausdrücklich begrüßte er das milliardenschwere Rettungspaket der US-Regierung.

US-Präsident George W. Bush hatte am Tag zuvor erneut vor den dramatischen Konsequenzen der Finanzkrise für alle Amerikaner gewarnt. Falls sich Kongress und Regierung nicht "so schnell wie möglich" auf das Maßnahmenpaket einigten, drohe eine "schmerzhafte Rezession" mit kaum absehbaren Folgen. "Unsere gesamte Wirtschaft ist in Gefahr." Zudem drohe Panik auf dem Finanzsektor. (iba/dpa)

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