zum Hauptinhalt

Geld: Wenn die Zinsen Kopf stehen

Kurzfristige Anlagen werfen momentan mehr ab als langfristige. Was für Sparer problematisch ist, kommt Bauherren zugute.

An den Kredit- und Zinsmärkten steht die Welt Kopf: Kurzfristige Geldanlagen bis zu zwei Jahren Laufzeit werfen derzeit ebenso hohe oder gar höhere Zinsen ab als Sparformen, bei denen sich der Kunde fünf bis zehn Jahre binden muss. Normalerweise ist es genau andersrum.

„Invers“ nennen Fachleute eine solche Zinsstruktur, die am einfachsten an den Renditen deutscher Staatsanleihen ablesbar ist: Zehnjährige Bundespapiere rentieren derzeit mit 4,58 Prozent, zweijährige werfen dagegen mit 4,62 Prozent etwas mehr ab.

Der Hintergrund: Die Kapitalmärkte erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) heute ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,25 Prozent anheben wird. Da solche Zinsschritte am Markt stets vorweggenommen werden, sind die kurzfristigen Sätze zuletzt stark angestiegen. EZB-Chef Jean-Claude Trichet hatte eine Zinsanhebung schon vor Wochen angedeutet, um die derzeit hohe Inflation im Euroraum zu bekämpfen. Doch die Notenbanker stecken in einem Dilemma: Erhöhen sie die Zinsen zu stark, könnten sie die Konjunktur in Europa abwürgen. Ohnehin stehen manche Länder im Euroraum, etwa Spanien und Italien, schon am Rande einer Stagnation. Langfristig rechnen die Finanzmärkte deshalb wieder mit fallenden Zinsen.

Die Banken und Sparkassen haben diese Situation in ihren Kredit- und Anlage-Konditionen bereits eingearbeitet. Der übliche Risikoaufschlag, den Sparer für langfristige Geldgeschäfte erhalten und Kreditnehmer bezahlen müssen, entfällt beziehungsweise schrumpft derzeit.

Für Anleger bedeutet dies: Der Markt für Festgelder bis zu einem Jahr ist enorm in Bewegung. Vor allem die Großbanken, die früher eher durch mickrige Zinssätze auffielen, liefern sich eine Zinsschlacht, die vorerst die Commerzbank gewonnen hat: Sie bietet Neukunden, die ihr Geld zwölf Monate anlegen möchten, einen Zinssatz von 5,2 Prozent und hat sich damit knapp vor Dresdner, Deutscher und Postbank platziert. Von den sonst so zinsstarken ausländischen Instituten bietet mit 5,5 Prozent nur die Demir-Halk-Bank höhere Renditen. Die Kaupthing-Bank aus Island umgarnt Neukunden mit 5,65 Prozent bis zum Jahresende, allerdings für ein Tagesgeld-Konto.

Bei längerfristigen Sparformen oder Sparbriefen sind Zinssätze über fünf Prozent dagegen Mangelware. Eine Ausnahme unter den heimischen Instituten bilden die Citibank (Sparbrief fünf Jahre mit 5,3 Prozent Verzinsung) und die BKM Bausparkasse Mainz (5,4 Prozent), sonst liegen die Sätze durchgängig unter fünf Prozent.

Postbank-Volkswirt Brian Mandt rät Anlegern deshalb auch ausschließlich zu kürzerfristigen Zinsbindungen. „Es macht in der derzeitigen Konstellation keinen Sinn, das Ersparte mehr als zwei Jahre zu binden“, sagt der Zinsspezialist. Sein Kollege Christoph Balz von der Commerzbank geht davon aus, dass die Notenbank den Leitzins im September ein weiteres Mal um 25 Prozentpunkte anheben wird, vor allem, weil beim Ölpreis – und damit bei der Inflation – bis dahin mit keiner Entspannung gerechnet werden könne. Auch bei den Marktzinsen sieht Balz folglich „noch Luft nach oben“. Während dies Anlegern die Chance gibt, vielleicht noch das eine oder andere Zehntelprozent herauszuschlagen, rät Balz umgekehrt Kreditkunden, sich die derzeitigen Langfristsätze zu sichern.

Wer etwa einen Baukredit auf zehn Jahre abschließt, erhält bei manchen Banken günstigere Konditionen als bei nur fünfjähriger Festschreibung der Zinsen. So verlangt die Spardabank Berlin für ein zehnjähriges Baudarlehen 5,37 Prozent effektiv, für fünf Jahre jedoch 5,49 Prozent. Auch bei Finanzmaklern wie Baufi, Hypopool oder Dr. Klein oder bei Großbanken stehen die Sätze Kopf.

Robert Haselsteiner, Vorstand des Baukredit-Vermittlers Interhyp, sieht in der inversen Zinsstruktur deshalb eine attraktive „Chance für Baufinanzierungskunden und Anschlussfinanzierer“. Noch ist der Markt von den Bestkonditionen zum Jahresbeginn 2006, als man zehnjährige Darlehen noch für 3,5 Prozent effektiv abschließen konnte, weit entfernt. Unter fünf Prozent gewährt derzeit mit dem Vermittler Baufi nur noch ein einziger Anbieter, dies auch nur bei bester Bonität und nur bis zu 60 Prozent Beleihung. Doch laut Interhyp „sind auch rund fünf Prozent, historisch betrachtet, noch ein ordentliches Niveau, das man sich langfristig sichern sollte“.

Während die Anbieter mit ihren Langfristkonditionen werben, geben Verbraucherschützer zu bedenken: Es ist durchaus möglich, dass in drei Jahren Inflation und Ölpreis gesunken sind – und mit ihnen auch die Zinssätze. Ende 2009, glaubt etwa Commerzbank-Volkswirt Balz, werde die Notenbank mit ersten Zinssenkungen beginnen.

Veronika Csizi

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false