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HRE-Rettung: Kabinett beschließt Gesetzentwurf zur Banken-Enteignung

Die Bundesregierung hat die Weichen für eine Enteignung angeschlagener Banken im äußersten Notfall gestellt. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch das sogenannte Rettungsübernahmegesetz. Bundesfinanzminister Steinbrück verteidigte den umstrittenen Beschluss.

Banken können erstmals in der Nachkriegsgeschichte verstaatlicht und ihre Eigentümer enteignet werden. Die Bundesregierung billigte am Mittwoch das Rettungsübernahmegesetz, das eine Verstaatlichung maroder Banken als letzte Option vorsieht. Das in der Koalition höchst umstrittene Gesetz soll nur bis Ende Juni gelten und ist auf die Rettung der Bank Hypo Real Estate (HRE) zugeschnitten.

Zugleich beschloss das Kabinett Änderungen an dem erst im Oktober beschlossenen Banken-Rettungspaket von 480 Milliarden Euro. So wird die Garantiezeit für Anleihen deutscher Banken von drei auf fünf Jahre ausgeweitet. Dazu wird das Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetz mit seinem Rettungsfonds Soffin ergänzt. Die von 36 auf 60 Monate verlängerte Garantiefrist stößt in der Union auf Widerstand. Sie befürchtet, dass andere Finanzmarkt-Akteure benachteiligt werden.

Entschädigung für Aktionäre

Der Gesetzentwurf stellt klar, dass eine Enteignung nur das letzte Mittel sein kann und die Pläne nur auf die Abwehr der aktuellen Krise beschränkt sind. Zuvor müssen alle anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen zum Erwerb einer Kontrollmehrheit des Staates bei einer Bank gescheitert sein. Zudem beauftragte die Regierung die Ressorts für Wirtschaft und Justiz, ein "Restrukturierungsmodell zu entwerfen, das eine nachhaltige Sicherung der Finanzmarktstabilität ermöglichen soll und sich unterhalb der Schwelle der Enteignung" bewege. Damit sind Änderungen im Gesellschaftsrecht für Aktionäre gemeint.

Die betroffenen Unternehmen sollen wieder privatisiert werden, sobald sie nachhaltig stabilisiert sind. Die Aktionäre sollen entschädigt werden. Zusätzlich bekommen sie das Recht, nach einer Sanierung bevorzugt ihre Aktien zurückzukaufen. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Durchschnitts-Aktienkurs der letzten zwei Wochen vor dem Enteignungsverfahren. War der Kurs innerhalb der letzten drei Tage niedriger, gilt dieser.

Verstaatlichung als letztes Mittel

Die Regierung schreibt in dem Gesetzentwurf, dass zur Sicherung des öffentlichen Gutes "Finanzmarktstabilität" eine zeitlich befristete Möglichkeit geschaffen wird, Anteile an Finanzunternehmen gegen eine Entschädigung zu verstaatlichen. "Die Verstaatlichung ist ultima ratio." Sie sei nur zulässig, wenn "andere rechtlich und wirtschaftlich zumutbare Lösungen zur Sicherung der Finanzmarkt-Stabilität nicht mehr zur Verfügung stehen". Der Gesetzentwurf sei angesichts der anhaltenden Finanzkrise "besonders eilbedürftig".

Die Möglichkeit, ein Enteignungsverfahren einzuleiten, ende am 30. Juni 2009. "Damit wird deutlich, dass die Option einer Verstaatlichung zum Zwecke der Stabilisierung nicht auf Dauer zur Verfügung stehen soll, sondern nur zur Bewältigung der Finanzkrise zulässig ist." Die Rechtsverordnung für die Umsetzung kann nur bis 31. Oktober erlassen werden. Entgegen ersten Plänen erhält die Finanzaufsicht BaFin kein Weisungsrecht, um Aktionärs-Blockaden gegen Kapitalmaßnahmen auf Hauptversammlungen auszuhebeln.

87 Milliarden Euro vom Steuerzahler für HRE

Die HRE wird mit Garantien und Kapitalhilfen von 102 Milliarden Euro gestützt. Davon sind 87 Milliarden Euro vom Steuerzahler. Der Münchener Finanzkonzern, der auf Pfandbriefe und Immobiliengeschäfte spezialisiert ist, benötigt noch mehr Milliarden. Auch um die Interessen der Steuerzahler zu wahren, dringt der Bund jetzt auf eine Kontrollmehrheit (75 oder 95 Prozent) bei der HRE. Dazu wird weiter mit dem amerikanischen HRE-Großaktionär J.C. Flowers verhandelt sowie eine Änderung des Aktionärsrechts ausgelotet.

Vor allem die Union hatte erste Gesetzespläne von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) scharf kritisiert. So waren zunächst ein längerer Zeitraum für mögliche Enteignungen sowie noch schärfere Einschnitte bei den Aktionärsrechten geplant. CDU-Finanzexperte Steffen Kampeter begrüßte, dass es sich nun "um ein Rettungsübernahme- und nicht um ein Enteignungsgesetz handelt".

Die Union habe noch Gesprächsbedarf zu den von drei auf fünf Jahre verlängerten Garantien. "Eine Ausweitung der staatlichen Garantien ist problemverschärfend und nicht problemlösend", sagte Kampeter. Es drohten Wettbewerbsverzerrungen auf dem wichtigen Pfandbriefmarkt. "Es macht wenig Sinn, mit einer Hilfsmaßnahme andere Institute in Schwierigkeiten zu bringen." Zudem müsse die parlamentarische Kontrolle vor allem im Enteignungsfall ausreichend gesichert sein.

Steinbrück: Staat will Steuerzahler absichern

Steinbrück verteidigte die umstrittenen Gesetzespläne für eine Verstaatlichung maroder Banken im Notfall. Ziel sei, eine systemrelevante Bank zu stabilisieren, sagte er am Mittwoch nach der Kabinettsentscheidung in Berlin. Ein Zusammenbruch der Bank Hypo Real Estate könne eine Erschütterungsdynamik über Deutschland hinaus auslösen.

Es gehe nicht darum, mit dem Gesetz den staatlichen Einfluss auf den Bankenbereich auszuweiten, sagte Steinbrück. Die Regierung wolle bereits geflossene Steuergelder schützen. Die HRE habe 102 Milliarden Euro an Garantien erhalten, davon 87 Milliarden Euro vom Bund. Der Staat strebe nun eine Kontrollmehrheit bei der HRE an, um die Interessen der Steuerzahler abzusichern. Bisher halte der Bund keine einzige HRE-Aktie.

Mit Blick auf Sorgen von Pfandbrief-Anbietern durch die längeren Staatsgarantien für Banken sagte Steinbrück, die auf 60 Monate verlängerten Fristen beträfen nur ein Drittel der jeweiligen Garantiesumme. Die Maßnahme werde von vielen Marktteilnehmern als richtig beurteilt.

Steinbrück kritisierte die öffentliche Debatte über mögliche Enteignungen von Bank-Aktionären. Er hätte sich eine pragmatischere Diskussion wie in den USA oder in Großbritannien gewünscht. In Deutschland sei der Eindruck erweckt worden, als ob es "um mehr als Leben und Tod geht". Niemand in der Regierung und der Koalition stelle die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft infrage. Die Regelungen seien auf die Krise bei der HRE zugeschnitten. Man wolle nicht dem Verdacht Tür und Tor öffnen, die Regierung hätte noch andere Banken im Visier. (imo/dpa)

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