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Puchta

© Thilo Rückeis

Interview: "Berlin steht besser da"

Dieter Puchta, Chef der Investitionsbank Berlin (IBB), über Konjunkturpakete und die nötige, schnelle Verstaatlichung von Banken.

Herr Puchta, droht Berlin eine Pleitewelle?

Wir erleben im Moment die schwierigste wirtschaftliche Situation seit Bestehen der Bundesrepublik. Ob es zu einer Pleitewelle kommt, hängt davon ab, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden. In den USA wird ganz deutlich: Wenn ein Problem erkannt ist, wird schnell und intensiv gehandelt. Barack Obama hat ein Konjunkturprogramm von einer Billion Dollar angekündigt und wird es umsetzen. In Deutschland dagegen braucht man Monate, um ein Programm aufzulegen, von dem ich sage: Zu wenig, zu spät, zu unausgegoren. Deshalb müssen jetzt wenigstens die Länder einspringen.

Wie?

Bayern zum Beispiel hat für seine mittelständische Wirtschaft sofort ein zusätzliches Bürgschaftsprogramm von 200 Millionen Euro aufgelegt, Hessen hat 500 Millionen aufgelegt, und selbst das kleine Rheinland-Pfalz bringt es auf 400 Millionen Euro. Auch in Berlin muss etwas getan werden. Der Senat hat hier, nachdem die Mittel aus dem Konjunkturpaket des Bundes geflossen sind, gehandelt.

Wirtschaftssenator Harald Wolf hatte im Herbst ein Globaldarlehen in Höhe von einer Milliarde Euro für Berliner Unternehmen angekündigt, das über die IBB an Berliner Banken und von dort wiederum an mittelständische Unternehmen verteilt werden sollte. Was ist daraus geworden?

Herr Wolf ist zu diesem Thema gerade in Verhandlungen. Um die Globaldarlehen ausweiten zu können, brauchen wir die Unterstützung des Landes. Durch das Konjunkturprogramm des Bundes sollte der Senat über Möglichkeiten verfügen, das zu tun.

Für Berlin sieht das Konjunkturpaket II 632 Millionen Euro vor. Ist das Paket groß genug, um der Wirtschaft zu helfen?

Die Größe ist zunächst einmal gar nicht so entscheidend. Das Paket muss in erster Linie wirksam und schnell sein. Man darf aber auch nicht zu kurzfristig denken. Deshalb plädieren wir zum Beispiel für einen Stadtentwicklungsfonds und für Bürgschaften, weil aus solchen Instrumenten immer wieder Mittel zurückfließen, die auch über das Jahr 2011 hinausgehend eingesetzt werden können. Gerade für Berlin mit einer Verschuldung von rund 60 Milliarden Euro ist es besonders wichtig, dass man Mittel, die von außen kommen, auf Dauer für das Land verfügbar macht.

Besteht die Gefahr, dass das Geld unter dem Zeitdruck ineffektiv eingesetzt wird?

Diese Gefahr sehe ich für Berlin nicht. Es gibt einen so riesigen Investitionsstau und Nachholbedarf, dass die Mittel eigentlich nur sinnvoll ausgegeben werden können. Das ist anders als etwa nach der Wiedervereinigung, als man kurzfristig Einkaufszentren in die Landschaft gestellt hat, einfach, damit irgendetwas passiert. Jetzt gibt es einen riesigen Bedarf etwa bei Kitas, Schulen und Hochschulen oder im Straßenbau. Damit hier schnell etwas geschieht, wäre es wichtig, die rigiden Ausschreibungsbedingungen zeitweise außer Kraft zu setzen.

Viele Firmen klagen über einen Mangel an Bankkrediten. Gibt es eine Kreditklemme in Berlin?

Wir merken, dass es eine Klemme bei den Kreditkonditionen gibt. Viele Unternehmen berichten, dass sich ihre Kreditkonditionen verschlechtert haben. Und in der jetzigen wirtschaftlichen Situation, wo die Umsätze einbrechen, ist das natürlich doppelt schlimm. Es ist aber noch keine Kreditklemme. Eine Ausnahme sind Projektfinanzierungen. Hier wird es auch vom Kreditvolumen her eng. In Berlin wird es daran sichtbar, dass einige große Bauprojekte sich in die Länge ziehen werden, wenn nicht bereits bei Baubeginn die Vermietung weitgehend gesichert ist. Da müssen wir etwas tun, deshalb fordern wir die Bürgschaften.

Läuft der Staat nicht Gefahr, sich mit zu vielen Bürgschaften zu übernehmen?

Ich glaube in der jetzigen Situation stellt sich diese Frage nicht. Wenn es diese staatlichen Maßnahmen nicht gäbe, könnte aus der Rezession eine Depression werden. Deshalb muss der Staat jetzt alles tun, um diese Rezession zu stoppen. Gleichzeitig muss er sich aber auch verpflichten, die durch die Krise entstandene Neuverschuldung zurückzuführen, wenn es wieder wirtschaftlich aufwärts geht.

Die Bundesregierung rechnet damit, dass die deutsche Wirtschaft 2009 um mehr als zwei Prozent schrumpft. Wie stark wird das Minus in Berlin ausfallen?

Ich wage die Prognose, dass das Minus in Berlin deutlich geringer ausfallen wird als im Bundesdurchschnitt. Die Berliner Wirtschaft hat in der aktuellen Situation mehrere Vorteile: Erstens ist sie weniger exportabhängig und wird somit weniger vom starken Exporteinbruch getroffen. Zweitens ist Berlin schon besonders weit in Richtung Dienstleistungswirtschaft entwickelt. Rund 80 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung sind Dienstleistungen. Und drittens haben vor allem Großunternehmen Probleme. Sie sind zu komplex und zu behäbig. In Berlin haben wir dagegen vor allem kleine und mittlere Betriebe. Die handeln schon, während die großen Konzerne noch Pläne schmieden.

Wie lange wird die Krise dauern?

Nachdem wir zu Beginn zu viel Zeit verloren haben und nun schon so tief in der Krise drin sind, fürchte ich, dass wir auf jeden Fall bis Ende 2010 damit zu tun haben werden. Und wenn der Bund schwächelnde Banken nicht rasch verstaatlicht, werden wir noch tiefer fallen.

Macht sich das auch in der Wirtschaftsförderung bemerkbar?

Ja. Wir merken die Krise. Es kommen mehr Unternehmen direkt zu uns, sei es, wegen der Konditionen oder weil sie bei den Banken gar nicht zum Zuge kommen. Und auch die Geschäftsbanken selbst kommen zu uns und bitten uns, ihnen einen Teil der Kreditrisiken abzunehmen. 2008 haben wir zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder ein Globaldarlehen von 105 Millionen Euro vergeben, über das sich die Banken refinanzieren können. Denn sie haben ja weiter das Problem, dass sie am Kapitalmarkt nur sehr schwer Geld bekommen.

Ist die IBB auch direkt von der Krise betroffen, etwa weil sie Papiere der insolventen US-Bank Lehmann Brothers in ihren Büchern hatte?

Nein. Aber ich muss fairerweise sagen: So etwas ist auch Glück. Denn als Bank hat man mit fast allen anderen Banken Geschäftskontakte. Und ob man jetzt genau an diesem Tag, an dem Lehman zusammenbricht, solche Geschäftskontakte hat oder nicht, das ist teilweise Zufall. Wir könnten uns hinstellen, auf die Schulter klopfen und sagen, wir haben uns rechtzeitig von Lehman-Papieren getrennt. Das wäre aber nicht seriös.

Kann es die IBB noch treffen?

Wenn das gesamte System kollabieren sollte, wird irgendwann selbst die gesündeste Bank von der Krise erwischt. Aber wir haben bisher keine Abschreibungen, die über das normale Geschäftsmaß hinausgehen. Deshalb hatten wir nach derzeitigen Rechnungsstand 2008 mit einem Jahresüberschuss von 42 Millionen Euro auch unser erfolgreichstes Jahr, was das operative Ergebnis angeht.

Sie sind also ein Gewinner der Krise?

Zumindest was die Erträge angeht, haben wir die Krise bislang erfolgreich bewältigen können. Wir haben einen großen Vorrat an Liquidität, also kurzfristig verfügbare Geldmittel. Deshalb konnten wir in den letzten Monaten des Jahres 2008, als die Liquidität bei den anderen Kreditinstituten knapp wurde, uns selbst zu günstigen Konditionen refinanzieren und dadurch Zinserträge generieren. Hinzu kommen aber auch Kostensenkungen um rund sieben Prozent.

Wie viel wird das Land Berlin vom Gewinn abbekommen?

Im Prinzip behält das Land ja alles, weil die IBB dem Land gehört. Die Frage ist nur, wie viel das Land sinnvoller weise in der Bank belässt, damit wir unser Eigenkapital stärken können. Wir wissen noch nicht genau, wie das Land entscheiden wird, wir gehen aber davon aus, dass wir die 42 Millionen Euro dem Eigenkapital zuführen können, um weiter Wirtschaftsförderung leisten zu können.

Das Gespräch führte Stefan Kaiser.

DIE KARRIERE

Dieter Puchta (58) studierte Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften, promovierte über die Bundesbank und wurde 1992 Professor für allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Bis 2002 saß er für die SPD im Stuttgarter Landtag, dann folgte ein Jahr im Vorstand der Landeskreditbank Baden-Württemberg. 2003 wechselte Puchta zur Landesbank Berlin.

DIE BANK

Die Investitionsbank Berlin IBB wurde 1993 als Abteilung der Landesbank Berlin gegründet. 2004 beschloss das Abgeordnetenhaus, das Institut auszugründen. Die landeseigene IBB wurde zur Förderbank des Landes Berlin umstrukturiert.

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