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Merrill Lynch-Chef Stan O'Neal

© AFP

Investmentbanking: Merrill Lynch-Chef nimmt seinen Hut

Stan O'Neal wirft das Handtuch. Der umstrittene Chef der amerikanischen Investmentbank Merrill Lynch zieht damit die Konsequenz aus den großen Verlusten des Finanzdienstleisters im Zusammenhang mit der US-Immobilienkrise.

Die Rente ruft: Merrill Lynch-Chef Stan O'Neal geht mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand. Der 56-jährige war wegen eines Verlustes von 2,3 Milliarden Dollar und Abschreibungen von 8,4 Milliarden Dollar im dritten Quartal 2007 unter schweren Beschuss geraten. Die Schäden entstanden durch fehlgeschlagene Investments mit schlecht abgesicherten Hypotheken und durch andere riskante Wertpapiergeschäfte. Dies waren die bisher höchsten Verluste einer Wall-Street-Firma im Zusammenhang mit der eskalierenden US-Kredit- und Immobilienkrise.

Kreditkrise als Stolperstein

Nach Berechnungen von Fachleuten sind bisher bei den Investmentbanken und anderen Finanzdienstleistern Gesamtbelastungen von 27 Milliarden Dollar angefallen. Ein wirkliches Ende der Kreditkrise ist noch nicht in Sicht. Zwischenzeitlich wurde Verwaltungsratsmitglied Alberto Cribiore zum Leiter des Merrill-Verwaltungsrates ernannt. Er werde auch einen Ausschuss des Aufsichtsgremiums leiten, der Nachfolgekandidaten prüfen solle. Cribiore gehört dem Merrill-Aufsichtsgremium seit 2003 an. Die beiden jeweils mit dem Präsidententitel ausgestatteten Merrill-Spitzenmanager Ahmass Fakahany und Gregory Fleming, die die Tagesgeschäfte des Unternehmens leiten und die O'Neal unterstellt waren, werden ihre Posten behalten. Fakahany zeichnet für die Verwaltung, Finanzen und das Personal verantwortlich. Fleming ist für die Makler- und Investmentbank-Sparten zuständig.

Merrill Lynch verwaltet Kundenvermögen von 1,8 Billionen Dollar und ist in 38 Ländern aktiv. Die Gesellschaft führt mit Goldman Sachs und Morgan Stanley die Spitzenliga der größten US-Investmentbanken an. O'Neal leitete die Gesellschaft seit Dezember 2002. Er hatte die Bank durch eine stärkere Ausrichtung auf das globale Investmentbanking und riskantere Transaktionen sehr stark ausgebaut. Unter seiner Führung hatte Merrill Lynch jahrelang steigende Gewinne verbucht. Die starke Betonung auf riskante Wertpapiere, die teilweise mit riskanten Hypothekentiteln abgesichert waren, stellte sich jedoch als große Fehlinvestition heraus. Es mussten Milliardenabschreibungen vorgenommen werden, als die amerikanischen Immobilien-, Bau-, Hypotheken- und Kreditmärkte im Sommer plötzlich fast zum Stillstand gekommen waren.

Noch kein Nachfolger, aber Kandidaten

O'Neal hatte sich auch durch zahlreiche Entlassungsaktionen bei der alten Merrill-Führungsriege viele Gegner geschaffen. Sie waren den traditionell zurückhaltenden Führungsstil der vorherigen Konzernchefs bei der als „Mutter Merrill“ bekannten Firma gewohnt. O'Neal hatte insgesamt 21 Jahre für das 1914 gegründete Unternehmen gearbeitet. Er war zuvor für General Motors in New York und Madrid auf verschiedenen Finanzposten tätig. O'Neal zählt zu den führenden schwarzen Amerikanern an der Wall Street und hatte eine beeindruckende Karriere gemacht. Er könnte nach unbestätigten Berichten Gesamtbezüge und -abfindungen von 160 bis 200 Millionen Dollar erhalten.

Als einer der Kandidaten für die O'Neal-Nachfolge gilt Laurence Fink, Chef des Vermögensverwalters Black Rock, an dem Merrill zu 49 Prozent beteiligt ist. Black Rock verwaltet seinerseits Vermögenswerte von mehr als einer Billion Dollar. Merrill-Präsident Fleming wird ebenfalls als möglicher Kandidat gehandelt. Ein weiterer Kandidat könnte John Thain sein, Chef der Börse NYSE Euronext. Die Merrill-Aktien fielen  nach der Bekanntgabe des O'Neal-Rücktritts um 2,5 Prozent auf 65,74 Dollar. Sie hatten im Januar mit 98,68 Dollar ein Zwölfmonatshoch erreicht, waren aber zwischenzeitlich wegen der Milliardenverluste des Unternehmens massiv eingebrochen. (mit dpa)

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