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Finanzen: Mehr Rechte bei der Bank

Am 1. November treten neue Regeln für die Finanzberatung in Kraft. Die Anleger profitieren davon

Dachfonds, Discountzertifikate, Zinsderivate – manchen Anlegern schwirrt angesichts immer neuer Produkte der Finanzindustrie der Kopf. Ohne Berater blicken viele nicht mehr durch. Doch wer bürgt dafür, dass die meist ausgesucht freundlichen und gut gekleideten Damen und Herren von Banken und Vermögensoptimierern das Passende heraussuchen und nicht lediglich das Produkt, das ihnen die höchste Provision verspricht?

Die neue EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid („Markets in Financial Instruments Device“) zwingt Berater ab dem 1. November, genauer auf die Kunden einzugehen und die eigenen Methoden offenzulegen. Verbraucherschützer raten aber weiter zu Wachsamkeit, das Gesetz weise Lücken auf.

Anleger erfahren Höhe der Provision

In Deutschland dienen Provisionen für Berater wie in kaum einem anderen Land dazu, den Absatz von Finanzprodukten anzukurbeln. Die Mifid-Richtlinie schreibt nun vor, dass die Vermittler etwa von Fondssparplänen, Bausparverträgen oder Aktien die Provision offenlegen – Anleger können so besser vergleichen. Sie sollten aber nach der Provision fragen, denn Berater können die Höhe auch künftig versteckt angeben. Auch Verschleierungstaktiken sind denkbar. „Es ist gut möglich, dass Banken verstärkt Rentenprodukte statt etwa Fondssparpläne bewerben – denn bei Versicherungen bleiben die Mifid-Regeln außen vor“, sagt Niels Nauhauser, Finanzdienstleistungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Auch bei Versicherungen rät er nachzufragen und sich die Angaben zur Provision schriftlich geben zu lassen. Nauhauser rät aber, sich Berater zu suchen, die nicht auf Provisions-, sondern Honorarbasis arbeiten und daher eher eine tatsächlich unabhängige Beratung gewährleisten. In Deutschland gibt es 300 000 freie Berater (siehe Kasten).

Institute wollen mehr von Kunden wissen

Negative Überraschungen sollen bei der Geldanlage seltener werden – deswegen müssen Finanzberater künftig deutlich mehr Informationen über ihre Kunden einholen. Welche genau, ist in der Richtlinie nicht festgelegt. Der Beruf oder der Bildungsgrad können dazugehören, ebenso bestehende Zahlungsverpflichtungen. Verbraucherschützer Nauhauser hält dies für sinnvoll, Risiken könnten so besser eingeschätzt werden. Doch es gibt auch warnende Stimmen. „Wir befürchten, dass Banken mehr abfragen als nötig. Das schafft einen gläsernen Menschen“, sagt Volker Pietsch, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Instituts für Anlegerschutz. Wer sich nicht ausfragen lassen will, hat später kaum Chancen, das Institut für etwaige Verluste haftbar zu machen. „Wir sehen die Gefahr, dass der Kunde in das beratungsfreie Geschäft gedrängt wird“, heißt es bei den Sparkassen, die beteuern, nicht mehr als nötig abzufragen.

Banken müssen Aufträge besser erledigen

Die Regeln verpflichten Berater, Aufträge optimal abzuwickeln. Dazu zählt, Wertpapiere am Handelsplatz mit dem günstigsten Kurs zu kaufen. Das ermöglichen Computerprogramme. „Es gibt keinen Grund mehr, Wertpapiere für den Kunden zum zweit- oder drittbesten Kurs zu kaufen“, sagt Pietsch. Anleger sollten die Kurse im Nachhinein kontrollieren. Anfangs wird sich diese neue Praxis möglicherweise noch nicht eingespielt haben.

Ausgerechnet Investmentfonds, die mit 1,4 Billionen Euro Anlagevermögen zu den beliebtesten Anlagen der Deutschen gehören, sind jedoch von dieser Regel ausgenommen. Banken dürfen sie weiterhin bei den Fondsgesellschaften erwerben, die oftmals happige Ausgabeaufschläge von bis zu sechs Prozent verlangen – anders als etwa manche freien Berater oder Fonds-Handelsplattformen. „Das unterläuft das Ziel des umfassenden Anlegerschutzes“, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband.

Nicht alle Berater und Produkte unterliegen der Richtlinie

Freie Berater, die lediglich Investmentfonds vermitteln, fallen nicht unter die neue Richtlinie. Weil sie oft von Provisionen leben, wäre es sinnvoll, gerade bei ihnen mehr zu den Vermittlungsgebühren zu erfahren, meinen Verbraucherschützer. „Der Zwang zu mehr Transparenz sollte unabhängig vom Vertriebsweg gelten“, fordert Anlegerschützer Pietsch. Ausgenommen von Mifid sind auch Versicherungen und geschlossene Fonds.

Situation geschädigter Anleger verbessert sich kaum

Oft stellt sich erst nach Jahren heraus, dass ein Finanzinstrument für den Anleger völlig ungeeignet ist. Doch bei Falschberatung gelten weiterhin Verjährungsfristen von nur drei Jahren. Verbraucherschützer kritisieren auch, dass die Anleger Falschberatungen nachweisen müssen. Nach einem Beratungsgespräch ist es ratsam, unmittelbar eine Kopie des Protokolls zu verlangen oder Gedächtnisnotizen zu machen. „Es kam schon vor, dass Berater das unterschriebene Protokoll geändert haben“, sagt Nauhauser.

Nils-Viktor Sorge

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