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Öffentliche Finanzen: Das Schuldenloch

Deutschlands öffentliche Haushalte sind mit 1,5 Billionen Euro in den Miesen. Wie funktioniert der Schuldenstaat?

Sie sind wieder im Gespräch. Angesichts der milliardenschweren Konjunkturpakete, Bankenrettungsringe und Informationslücken der Kanzlerin bei Tilgungsraten in Nebenhaushalten redet die Republik auch wieder über ihre Schulden. Und davon hat sie jede Menge. Mit 1,5 Billionen Euro stehen Bund, Länder und Kommunen derzeit in der Kreide. Das Ziel der großen Koalition lautete: Trend- umkehr. Aber wegen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise kann sie das vergessen. Völlig aus dem Ruder gelaufen sind die Schulden dem deutschen Staat noch nicht, aber aufpassen muss er. Auch wenn der Vergleich hinkt, macht er doch die Dimension deutlich: Beim Bund stehen einer Verschuldung von etwa einer Billion Euro jährlich Steuereinnahmen in Höhe von knapp 250 Milliarden Euro gegenüber. Mit dem vierfachen Jahresnettoeinkommen ist auch mancher Privatmensch verschuldet, wenn er sich eine Immobilie leistet. Es gibt nur einen gravierenden Unterschied: Der Häuslebauer lebt nach einem strengen Tilgungsplan, der Staat lebt lieber ohne ein solches Korsett. Und der Immobilienkäufer steckt einen Großteil seines Einkommens in Zins und Tilgung, der Staat dagegen wenig und stürzt sich gern in zusätzliche Ausgaben für Subventionen oder Soziales, die er sich eigentlich nicht leisten kann. Der Häuslebauer hat im Normalfall irgendwann keine Schulden mehr, der moderne Staat aber kommt aus den Schulden nicht mehr heraus.

Wie verteilen sich die Staatsschulden?

Auf 1,5 Billionen Euro belaufen sich die Schulden des deutschen Staates – eine unvorstellbare Summe. Konkret heißt das, dass auf jedem Deutschen eine Staatsverschuldung von 18 280 Euro lastet (Stand Ende 2007). Geht man nur von den Steuerzahlern aus, klammert Kinder, Arme und Nichtverdiener aus, dann kommen noch einige tausend Euro dazu. Vor sieben Jahren waren es übrigens noch 15 195 Euro, unter Schwarz-Rot ist also die Staatsverschuldung immens gewachsen. Zu der einen Billion beim Bund kommen noch etwa 500 Milliarden bei den Ländern und etwa 80 Milliarden bei den Gemeinden. Insgesamt entsprach das 2008 etwa 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Pensionsversprechen von Bund und Ländern belaufen sich auf 500 Milliarden Euro – die man streng genommen zu den Staatsschulden dazurechnen muss. Im Vergleich liegt Deutschland mit seinen Schulden auf einem Mittelplatz. Weit vorn liegt Japan mit knapp 130 Prozent, relativ sorglos können die Luxemburger mit 7,4 Prozent in die Zukunft schauen. Der EU-Schnitt liegt bei gut 58 Prozent, Die USA werden bald weit über 70 Prozent liegen, Großbritannien hat mit 45,6 Prozent Luft nach oben – die das Land auch gut brauchen kann.

Welche Schuldentöpfe gibt es?

Eigentlich dürfte es nur 17 davon geben – einen beim Bund und 16 bei den Bundesländern. Denn idealerweise ist der Schuldentopf immer der jeweilige Etat, den die Parlamente kontrollieren. Das ist ihr klassisches Recht. Allerdings neigen Regierungen dazu, außerdem noch Neben- oder Schattenhaushalte zu führen. Man spricht dabei etwas verschleiernd von „Sondervermögen“. Diese agieren quasi selbstständig und können sich auch eigenständig verschulden. Völlig intransparent sind sie aber nicht.

In den 90er Jahren richtete die Regierung Kohl zwei Sondertöpfe ein, um die Einheitsfolgen zu finanzieren. Mit dem Fonds Deutsche Einheit wurde die Infrastruktur der neuen Länder saniert, das Volumen betrug am Ende 82,2 Milliarden Euro. Als er 2005 wieder in den Bundeshaushalt integriert wurde, waren noch 38,6 Milliarden aus dem Topf abzutragen. Über den Erblastentilgungsfonds wurde der Bankrott der DDR finanziert – die Schulden der

Treuhandanstalt und die alten DDR-Schulden. Er startete 1995 mit einer Schuldenlast von knapp 172 Milliarden Euro, von denen bis 2009 etwa die Hälfte abgetragen war. Solche Sondertöpfe werden im Gegensatz zur Verschuldung im normalen Haushalt in der Regel mit Tilgungszielen ausgestattet – im Zusammenhang damit flossen in den Erblastentilgungsfonds regelmäßig alle Überschüsse der Bundesbank über 3,5 Milliarden Euro im Jahr. Das Ziel, 2011 bei null zu landen, ist aber nicht erreicht worden. Mittlerweile ist auch der Erblastentilgungsfonds im großen Bundesschuldentopf aufgegangen. Ein neues Sondervermögen ist der Tilgungsfonds zur Finanzierung der Investitionen im Konjunkturpaket II.

Wie verschuldet sich der Staat?

Der Staat holt sich das Geld, das er nicht über Steuern einnimmt, bei Kreditinstituten, großen Investoren, Versicherungen und nicht zuletzt bei Privatanlegern im In- und Ausland (direkt oder über Fonds und Versicherungen). Zu einem nicht geringen Teil (den man nicht genau beziffern kann) ist der Staat damit bei seinen eigenen Bürgern verschuldet, deren Steuerleistungspotenzial wiederum die Sicherheit dafür gibt, dass er sich verschulden kann – eine durchaus nicht grenzenlos stabile Konstellation. Die Hälfte der deutschen Schuldensumme haben ausländische Gläubiger geliehen.

Der Bund hat mehrere Instrumente der Verschuldung: die klassische Anleihe mit einer bestimmten Laufzeit, Obligationen, Schatzbriefe, Schatzanweisungen und neuerdings die Tagesanleihe, eine Art Geldmarktkonto, das auch Privatanleger nutzen können. Dafür zahlt er Zinsen – 2009 sind dafür beim Bund weit über 40 Milliarden Euro vorgesehen. Getilgt werden sollen 251 Milliarden Euro. Allerdings weniger durch Abbezahlen der Schulden als durch Umschulden. Das gehört zu den Hauptaufgaben der Schuldenverwaltung. Umschulden heißt: Der alte Kredit wird durch einen neuen getilgt und damit ersetzt. Das Umschulden gilt nicht als Neuverschuldung, was manche Verfassungsjuristen kritisch sehen. In den kommenden vier Jahren muss die Hälfte der Bundesschuld neu finanziert werden. Sollten die Zinsen mittelfristig deutlich steigen, weil derzeit alle Staaten der Welt wieder mehr Schulden machen, wird das teuer.

Wer profitiert von Staatsschulden?

Letztlich alle, die Vermögen anlegen können, je mehr, desto besser. Denn der deutsche Staat ist ein guter Schuldner, die Anlage ist relativ sicher. Ohne Staatsverschuldung würde die private Altersvorsorge bei uns nicht funktionieren, oder sie müsste weit stärker als bisher (wie in den USA) über Aktien, Unternehmens anleihen und sonstige weniger sichere Anlageformen erfolgen. Das Anlegen beim Staat wird durch die neue Abgeltungsteuer noch gefördert. Sie entlastet vor allem Vermögende, die Rentenpapiere der Firma Steinbrück & Co. kaufen.

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