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© EPA

Schuldenkrise: Brüssel entmündigt Griechenland

Die EU-Finanzminister fordern zusätzliche Sparanstrengungen und regelmäßige Erfolgsberichte. Im April muss Griechenland einen Teil seiner Schulden zurückzahlen.

Brüssel - Die griechischen Beamten können streiken wie sie wollen. Ihr Staat wird sparen müssen – und zwar noch stärker als bisher geplant. Die EU-Finanzminister haben am Dienstag in Brüssel beschlossen, dass die griechische Regierung binnen eines Monats weitere Vorschläge unterbreiten muss, wie sie die Überschuldung des Landes in den Griff bekommen will. „Wir denken schon, dass für Griechenland zusätzliche Eigenanstrengungen nötig sind“, sagte der deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, der als Vertreter für Minister Wolfgang Schäuble (CDU) an dem Treffen teilnahm. Auch der neue EU-Währungskommissar Olli Rehn geht davon aus, dass das bisher angekündigte Sparprogramm der griechischen Regierung das Haushaltsdefizit nicht wirksam eindämmen kann: „Griechenland wird Mitte März zusätzliche Maßnahmen vorschlagen müssen, um die Reduktionsziele in diesem Jahr zu erreichen“, sagte Rehn nach der Sitzung.

Die EU-Finanzminister verschärften am Dienstag offiziell das Defizitverfahren gegen Griechenland. Dieses Verfahren leitet die EU immer dann ein, wenn die Neuverschuldung eines Eurolandes drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreitet. Im griechischen Fall sind es aktuell 12,7 Prozent.

Die griechische Regierung muss künftig in kürzeren Abständen Berichte nach Brüssel schicken, in denen sie ihre Fortschritte beim Schuldenabbau nachweist. In dem ersten Bericht, der bereits am 16. März vorliegen muss, soll die Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou darlegen, mit welchen Maßnahmen sie das Defizit bis zum Jahresende um vier Prozentpunkte senken will. 2012 soll es bereits wieder unter die in den EU-Verträgen festgelegte Drei-Prozent- Grenze gedrückt werden.

„Griechenland muss beweisen, dass es seine Verpflichtungen ernst nimmt“, hatte Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker am Vorabend nach dem Treffen der 16 Euro-Länder gesagt. Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union stellten die Finanzminister auf Geheiß der Brüsseler Kommission fest, dass die griechische Politik „nicht übereinstimmt mit dem Empfehlungen“ der EU. Die EU will zudem im Laufe der kommenden 30 Tage Experten der EZB, der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds nach Athen schicken. Der IWF könne technische Hilfe leisten, sagte Juncker. Sollte Griechenland die gesetzten Ziele nicht erreichen, „wird die Euro- gruppe durch Mehrheitsbeschluss Griechenland zusätzliche Auflagen erteilen“. Dann könnten auch Sanktionen beschlossen werden, die den griechischen Etat freilich noch stärker belasten würden als ohnehin schon. Teilnehmern zufolge haben Europas Finanzminister auch bereits darüber diskutiert, möglicherweise einen Haushaltskommissar für Griechenland einzusetzen.

Im April wird sich zeigen, ob tatsächlich ein europäisches Finanzpaket notwendig sein wird, wie es die Staatschefs für den Notfall in Aussicht gestellt hatten. Dann muss die Athener Regierung in zwei Tranchen einen großen Teil ihrer Schulden refinanzieren. Sind die Anleger dann weiterhin skeptisch, könnte Griechenland in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Details zu den „Instrumenten, die wir dann einsetzen müssten“, wollte Juncker hinsichtlich der Spekulationen an den Finanzmärkten während des Brüsseler Ministertreffens nicht verraten. Klar sei aber: „Die Finanzmärkte täuschen sich schwer, wenn sie meinen, dass sie Griechenland in Stücke reißen können.“

Griechenlands Premier hat unterdessen bestätigt, früher Schulden mit Hilfe von Derivategeschäften vertuscht zu haben. Dies sei damals legal gewesen, auch andere Länder hätten so gehandelt. Außerdem waren jahrelang die Schuldenstatistiken geschönt worden. Die EU-Kommission will das in Zukunft verhindern und schlug vor, dem europäischen Statistikamt Eurostat ein Kontrollrecht gegenüber nationalen Behörden einzuräumen. Einen solchen Vorschlag hatten die EU-Staaten einst verhindert – unter luxemburgischer Ratspräsidentschaft. „Ich bitte die Welt um Entschuldigung, dass ich damals die schlechte Entscheidung nicht verhindert habe“, sagte Juncker. mit rtr

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