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Finanzen: Sieben auf einen Streich

Alle G-7-Staaten kämpfen gegen die Turbulenzen an den Märkten – mit unterschiedlichen Mitteln

DEUTSCHLAND

Deutschland fühlte sich lange kaum von der Finanzkrise betroffen. IKB und SachsenLB wurden zwar zu Kürzeln des Scheiterns, doch die Dimension schien überschaubar. Noch Anfang des Jahres strahlte Deutsche- Bank-Chef Josef Ackermann in die Kameras: Der Branchenprimus sei von der Finanzkrise „weitaus weniger stark betroffen“ als die Konkurrenz. Doch nach und nach kam heraus, dass sich die Belastungen der größten deutschen Bank auf fünf Milliarden Euro belaufen, Tendenz steigend. Und dann das Debakel um die Münchner Spezialbank Hypo Real Estate (siehe nebenstehenden Artikel). Deutschland hat seine Unschuld verloren. Trotzdem setzt die Bundesregierung – wie auch am Samstag beim Sondergipfel – nicht auf ein europäisches Rettungspaket nach US-Vorbild, sondern auf Hilfe im Einzelfall und altbekannte Vorstöße. Schon vor gut drei Jahren schlug dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder beim G-8-Gipfel in Gleneagles höfliche Indifferenz entgegen, als er sich für mehr Regulierung einsetzte. Die USA und Großbritannien dachten nicht daran, ihre Finanzplätze New York und London zu bändigen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchte, die G 8 bei den Gipfeln in St. Petersburg und Heiligendamm zu überzeugen, wieder ohne greifbaren Erfolg. Jetzt wächst im Kanzleramt die Hoffnung. mod

USA

Die Mutter der Finanzkrise: Mit windigen Hypothekendarlehen ging es los, die Banken leichtfertig an Verbraucher vergaben, und die schließlich platzten. Weil die Institute die Kredite jedoch weitergereicht und in Wertpapieren versteckt hatten, schafften es die US-Banken, Geldhäuser in aller Welt mit dem Virus zu infizieren. Noch immer am stärksten betroffen sind aber die USA selbst. In der Bankenszene ist heute nichts mehr so, wie es einst war. Fannie Mae und Freddie Mac, die Hypothekenriesen, sind quasi verstaatlicht, der Versicherungskonzern AIG musste mit Staatshilfe vor dem Untergang gerettet werden, das Investmenthaus Lehman ging Pleite. Nun steuert Amerika mit einem gewaltigen, 700 Milliarden Dollar schweren Hilfspaket dagegen. Herzstück ist ein Fonds, der angeschlagenen Finanzhäusern faule Hypothekenkredite und darauf basierende wertlose Wertpapiere abkaufen soll. Auf Druck der Demokraten sind jetzt aber auch Hilfen für Privatleute vorgesehen. Hausbesitzer können auf niedrigere Zinsen hoffen, die Einlagen von Sparern sollen bei einer Bankenpleite bis zu 250 000 Dollar (bisher: 100 000 Dollar) garantiert sein. Zudem sind Steuersenkungen von rund 150 Milliarden Dollar vorgesehen. hej

GROSSBRITANNIEN

Dass die Finanzmärkte stark reguliert werden müssten, ist in Großbritannien trotz des Crashs längst nicht Konsens. Während sich Premier Gordon Brown jetzt als Mahner für eine internationale Regulierung geriert, fast so, als wäre nicht er zehn Jahre als Schatzkanzler und ein Jahr als Premier für die britische Finanzpolitik verantwortlich gewesen, gibt es auch Warnungen vor Übertreibungen. „Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist, das Kind mit dem Bade auszuschütten mit exzessiver Regulierung“, schrieb Boris Johnson, Londons Bürgermeister und neuer Star der Konservativen, in seiner Kolumne für den „Daily Telegraph“. Brown aber ist für eine internationale Bankenaufsicht. Dafür sollten die 30 größten Finanzinstitutionen der Welt bis Ende des Jahres einen Vertreter benennen. Einen großen Bankenrettungsplan hält Brown in Großbritannien aber nicht für nötig. „Ich glaube, wir haben das Richtige getan. Wir haben Geld in das System gebracht. Das ist in Großbritannien der bessere Weg“, sagte Brown. Die Labour-Regierung hatte sich im Laufe der Finanzmarktkrise zur Verstaatlichung der in Schwierigkeiten geratenen Bankhäuser Northern Rock und Bradford & Bingley entschlossen. Zudem steigt die Obergrenze für garantierte Bankverbindlichkeiten am Dienstag um zwei Drittel auf knapp 64 000 Euro. mah

ITALIEN

Italien hat eine reiche, leidvolle Erfahrung mit Zusammenbrüchen. Womöglich erklärt sich so die Unaufgeregtheit, mit der Medien, Politiker und Öffentlichkeit derzeit – noch – auf die Bankenkrise in den USA reagieren. Diesmal, so sagen Finanzminister, Nationalbank und das „Komitee für finanzielle Stabilität“, sei das Risiko für Italien „begrenzt“. Die führenden zwanzig Banken und die Versicherungen hätten deutlich weniger Papiere der US-Pleitebank Lehman in ihren Büchern als ihre europäischen Konkurrenten. Auch 100 000 italienische Sparer und Kleinanleger, sagen Verbraucherschützer, hielten Lehman- Papiere in ihren Händen; deren Wert soll bei 1,6 Milliarden Euro liegen. Zwei große Lebensversicherungen haben bereits versprochen, ihre Kunden für Einbußen zu entschädigen. Der nationale Unternehmerverband Confindustria drängt auf einen „Runden Tisch“ mit den Banken, um klare Angaben zu den Auswirkungen der amerikanischen Krise zu bekommen.pak

FRANKREICH

Schneller als befürchtet musste auch die Pariser Regierung Feuerwehr spielen. Nach der belgisch-niederländischen Fortis, der englischen Bradford & Bingley und der deutschen Hypo Real Estate war Anfang dieser Woche die Dexia, ein französisch- belgisches Institut mit Luxemburger Beteiligung in die Krise geraten. Die Rettungsaktion belief sich auf 6,4 Milliarden Euro, von denen Paris drei Milliarden aufbrachte. Die Dexia-Krise hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy darin bestärkt, gegen die Exzesse im Finanzsektor vorzugehen. Er will die Verantwortlichen bestrafen und übertriebene Abfindungen für gescheiterte Manager unterbinden. Vor allem aber will er neue Regeln für den Finanzsektor durchsetzen. Sie reichen von der Verbesserung interner Bankkontrollen über eine größere Transparenz bei Finanzprodukten und die Einschränkung von Leerverkäufen bis zur Revision geltender Normen für Bankbilanzen und dem Aus für Steuerparadiese. hhb

JAPAN

Japan wird gerade erst klar, wie ernst die globale Krise ist. Die mittelgroßen Banken reduzieren Risiken und verleihen nur ungern Geld – der Mittelstand leidet. Zugleich aber geht Japans Finanzbranche auf Einkaufstour. Sie verfügt über gut gefüllte Kassen. Die Großbank Mitsubishi UFJ hat neun Milliarden Dollar in Morgan Stanley investiert und ist zum Hauptaktionär der US-Investmentbank aufgestiegen. Das Wertpapierhaus Nomura hat sich sowohl das Asien- als auch das Europageschäft von Lehman Brothers billig geschnappt. „Ich denke, das bedeutet einen gewaltigen strategischen Vorteil für uns“, sagt der ehrgeizige Nomura-Chef Kenichiro Watanabe. Für Japan hält Watanabe nun eine Verschiebung im Wirtschaftssystem für möglich: ein Stück weg von der Industrieproduktion hin zu einem stärkeren Anteil der Geldbranche. fmk

KANADA

Den nördlichen Nachbarn der USA hat die Krise bisher vergleichsweise schwach getroffen. Die Banken mussten zwar Wertverluste verzeichnen, hielten aber dank ihrer soliden Kapitalbasis Stand. Inzwischen schauen sie sich sogar nach Kaufgelegenheiten in den USA um. „Regulierungsfragen werden in Kanada kaum diskutiert“, sagt der Präsident der deutsch-kanadischen Handelskammer Thomas Beck. Kanada ist das einzige G-8-Land, das seit mehr als elf Jahren einen Haushaltsüberschuss verbucht. Was dem Land Sorgen bereitet, ist seine Abhängigkeit von den USA. 77 Prozent der Exporte gingen 2007 in die USA, 65 Prozent der Importe stammen von dort. Kommt es beim Nachbarn zur Rezession, dann wird auch Kanada betroffen sein. Darum setzten die Kanadier ihre Hoffnungen in den US-Rettungsplan.me

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