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Steueroasen: Vertreibung aus dem Paradies

Etwa 600 Milliarden Euro sollen Deutsche im Ausland versteckt haben. Wo es noch Steueroasen gibt, wer schärfer kontrolliert, welche Strafen drohen.

Die Jagd ist eröffnet: Seitdem die Finanzkrise immer höhere Schuldenberge in den Staatskassen auftürmt und der Fiskus um seine Einnahmen fürchten muss, steigt der Druck auf Steueroasen. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) will notfalls mit Hilfe von Sanktionen gegen „uneinsichtige“ EU-Länder wie Luxemburg oder Österreich vorgehen. Zwar hat die EU davon Abstand genommen, „schwarze Listen“ zu erstellen, auf denen auch EU-Mitglieds-Staaten vermerkt sind. Doch das Finanzministerium plant ein Gesetz zur Bekämpfung von Steuerflucht, das nicht nur die Deutschen zwingen will, ihre Gelder im Ausland offenzulegen. Auch Sanktionen gegen widerspenstige Nachbarn sind vorgesehen.

Die Drohung zeigt Wirkung: Fast alle Steueroasen in Europa, aber auch etwa Singapur, gaben klein bei und wollen im Falle von Steuerhinterziehungen oder bei „begründetem Anfangsverdacht“ mit deutschen Behörden kooperieren. Eine grundsätzliche Weitergabe aller Daten lehnen Luxemburg, die Schweiz und Österreich aber weiter ab. Deutsche Steuerpflichtige können in diesen Ländern weiter Anlagen haben, ohne als Steuerflüchtlinge zu gelten. Allerdings müssen sie alle Anlagen, nicht nur Dividenden und Aktiengewinne, in ihrer Steuererklärung angeben (auch wenn die Steuern per Quellensteuer abgegolten sind).

„Spätestens im Sommer“, so prophezeit Michael Bormann, Berliner Fachanwalt für internationales Steuerrecht, „werden die Hochburgen des Bankgeheimnisses in Europa fallen.“ Steinbrück wolle die Finanzkrise und damit die Gunst der Stunde nutzen und werde neue Verträge „im Rekordtempo durchpeitschen“.

SÜNDER WERDEN LEICHTER ENTDECKT

Für Anleger bedeutet dies: Wer Schwarzgeld im Ausland geparkt hat, könnte leichter auffliegen. Nicht gezahlte Steuern kann der Fiskus bis zu zehn Jahre rückwirkend zurückfordern, je nach Umfang der Hinterziehung ist eine Strafe zwischen einigen tausend Euro und zehn Jahren Freiheitsentzug möglich.

Geschätzte 600 Milliarden Euro lagern Deutsche in verschwiegenen Ländern mit niedrigen Steuersätzen – etwa den Caymans, den Kanalinseln, Andorra, Monaco oder der Golfregion. Einen Großteil des Geldes bunkern Deutsche jedoch lieber in Nachbarländern wie Luxemburg, Österreich und der Schweiz, wo ebenfalls ein striktes Bankgeheimnis vor dem Zugriff ausländischer Steuerbehörden schützt. In der Schweiz etwa sind Bankdaten gesetzlich geschützt, Steuerhinterziehung gilt – anders als Steuerbetrug – nicht als Straftat, sondern nur als Ordnungwidrigkeit. In Österreich, wo das Bankgeheimnis Verfassungsrang besitzt, ist sogar eine richterliche Anordnung notwendig, um Kontodaten preisgeben zu können. In Deutschland hingegen, wo fast 40 verschiedene Steuern und rund 70.000 Steuervorschriften zu befolgen sind, ist das Bankgeheimnis praktisch aufgehoben (siehe Kasten).

Stein des Anstoßes ist nun konkret, dass Österreich, Luxemburg und die Schweiz, aber auch Andorra, Monaco und andere Staaten, sich bisher weigerten, einen Mustervertrag der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) anzuwenden, der den „Austausch aller Daten, die für die Besteuerung voraussichtlich relevant sind“ verlangt. Im Klartext bedeutet dies: Alle Staaten sollen auf Verlangen des Heimatlandes Konto- und Anlagedaten eines Steuerzahlers weitergeben. „Dies“, kritisiert Bormann, „öffnet der Willkür Tür und Tor, stellt alle unter einen Generalverdacht“.

Doch Steinbrück drängt zum Handeln. Die bloße Ankündigung einer Zusammenarbeit reiche nicht, bestätigte eine Sprecher des Finanzministeriums. „Wir wollen Taten sehen“, schließlich sei „jeder hinterzogene Euro bekämpfenswert.“

„DIE KARAWANE ZIEHT WEITER“

Hans-Peter Merten, Autor des Buches „Steueroasen 2009“, beruhigt indessen: Neue bilaterale Gesetze brauchten ihre Zeit. Zu grenzübergreifenden Informationsströmen könne es erst kommen, wenn die Doppelbesteuerungs-Abkommen neu verhandelt würden beziehungsweise die Zinsrichtlinie korrigiert sei, die es Belgien, Luxemburg, Österreich und der Schweiz erlaubt, Quellensteuern statt Kontodaten weiterzuleiten. Merten geht zudem davon aus, dass „die Karawane weiterziehen wird“. Länder mit diskreten Banken und attraktiven Steuersätzen, in denen auch völlig legal Steuern gespart werden könnten, werde es immer geben. Auch Irland, Zypern, Großbritannien, Monaco, die Caymans, die Jungferninseln, Malaysia oder Panama böten Alternativen. Professionell arbeiteten auch die Banken in manchen Golfstaaten. Überlegen müsse sich ein Anleger jedoch, ob der Aufwand eines Geldtransfers im Verhältnis zur gesparten Steuerlast stehe.

Und noch ein Problem haben Hinterzieher: Wer Geld nach Deutschland transferieren möchte, müsse erklären, woher es kommt. Anwalt Bormann empfiehlt Steuersündern hingegen eine Selbstanzeige. Sie ebnet den Weg in die Steuerehrlichkeit, wenn sich der Steuersünder vor einer Entdeckung der Tat an die Behörden wendet, Konten offenlegt und gesparte Steuern der letzten zehn Jahre plus Hinterziehungszinsen zurückzahlt.

Veronika Csizi

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