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Finanzen: Viel Geld für wenig Interessenten

In der ersten Woche wollen sich nur drei Banken vom Staat retten lassen. Politiker und Forscher fordern Nachbesserungen

Berlin - Angesichts der schwachen Beteiligung am deutschen Bankenrettungsfonds und weiter abstürzender Börsenkurse wächst der Druck auf die Regierung, das Paket nachzubessern. Politiker und Wissenschaftler fordern, die Banken zur Teilnahme am Paket zu zwingen oder die Auflagen zu lockern. „Das Rettungspaket hat nicht neues Vertrauen gebracht, sondern eher zusätzliches Misstrauen zwischen den Banken gesät“, sagte Grünen- Fraktionschef Fritz Kuhn dem Tagesspiegel am Sonntag. Dies zeigten die fallenden Börsenkurse und das Zögern der Kreditinstitute. „Um wirklich Ruhe in die Finanzmärkte zu bringen, ist eine intelligente Form der Verstaatlichung angeschlagener Banken nach dem Vorbild Großbritanniens, der Niederlande oder der USA nötig.“ Dort hatte der Staat die betroffenen Banken mehr oder weniger gezwungen, Kapitalhilfen anzunehmen.

Dies wünschen sich viele auch für Deutschland. „Der Staat muss den Banken sagen: Entweder besorgt ihr euch frisches Kapital am Markt, oder wir steigen bei euch ein“, sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, dieser Zeitung. Dass Deutschland statt dessen auf Freiwilligkeit setze, sei „gefährlich und kann direkt in die Kreditklemme führen“. Sinn kritisierte die Regierung: „Das Abwarten ist verfehlt.“

Seit Montag ist der 480 Milliarden Euro starke Rettungsschirm aufgespannt. Doch private Banken wollen ihn bisher nicht nutzen. Nur Landesbanken haben Bedarf angemeldet, zuerst die BayernLB. Sie braucht 6,4 Milliarden Euro frisches Kapital, 5,4 Milliarden davon sollen aus dem Rettungsfonds kommen. Allerdings drängt der Bund nach Informationen des „Spiegel“ die Bayern, ihre bereits im Frühjahr zugesagten 4,8 Milliarden Euro auch tatsächlich zu zahlen, sodass der Rettungsschirm nur noch für die verbleibenden 1,6 Milliarden Euro greifen würde.

Wie das Magazin meldet, wollen auch die WestLB in Düsseldorf und die HSH Nordbank in Hamburg und Kiel Staatshilfen beantragen. WestLB-Chef Heinz Hilgert sagte dem Magazin, er wolle Anfang November dem Aufsichtsrat vorschlagen, alle Bestandteile des Rettungspakets zu nutzen. „Wir müssen die Bank für die kommenden Stürme rüsten.“ So sollen abschreibungsgefährdete Wertpapierpakete dem Hilfsfonds des Bundes übertragen werden. Gleichzeitig werde geprüft, ob eine direkte Eigenkapital-Unterstützung genommen werden soll. Bereits am Freitag habe auch HSH-Chef Hans Berger den Anteilseignern, darunter der Finanzinvestor Chritopher Flowers, seine Pläne für die Nutzung des Pakets vorgestellt. Im Zentrum stünden die Staatsgarantien für die Kredite der Banken untereinander. In der nächsten Woche wollen die Anteilseigner über die Annahme entscheiden.

Die privaten, börsennotierten Banken tun sich indes schwer. Sie fürchten das Stigma „Krisenbank“, das Investoren und Geschäftspartner abschrecken könnte. „Jedes Zeichen der Schwäche kann die Aktienkurse einbrechen lassen“, sagt ein Banker. Dazu kommt die Angst vor dem Staat. Denn wer Kapitalspritzen aus dem Hilfsfonds haben will, muss empfindliche Restriktionen in Kauf nehmen. So kann der Staat nicht nur Auflagen für die Geschäftspolitik machen, sondern auch die Dividende streichen und die Managergehälter bei 500 000 Euro deckeln (siehe Grafik). Angeschlagene Banken stünden vor der Frage, den Unternehmen weniger Kredite zu gewähren oder dem Rettungspaket beizutreten, erklärt Ifo-Chef Sinn. Unter der Aufsicht des Staates müssen sie aber strikte Auflagen akzeptieren. „Darauf wird kein Vorstand Lust haben und lieber die Ausleihungen reduzieren.“

Auch in der CDU gibt es Kritik. „Es war ein Schnellschuss von Steinbrück, die 500 000 Euro als Obergrenze für Managergehälter zu benennen“, sagt der Finanzpolitiker Leo Dautzenberg mit Blick auf den SPD-Finanzminister. „Das war ein falsches Signal.“ Laut der am Montag in Kraft getretenen Verordnung sei es aber möglich, in Ausnahmefällen auch höhere Gehälter zu zahlen. „Für bestimmte Positionen müssen wir auch weiterhin hervorragende Leute bekommen.“ Von einer Zwangsverpflichtung der Banken hält Dautzenberg nichts. „Das private Bankgewerbe könnte gemeinsam ein Signal setzen.“ Doch genau das funktioniert nicht – vor allem weil sich Deutschlands größtes Kreditinstitut, die Deutsche Bank, dagegen wehrt. Konzernchef Josef Ackermann wolle unbedingt als Sieger aus der Krise hervorgehen, heißt es in der Branche. Daher rät er zwar anderen Instituten, die Hilfen anzunehmen, sieht das eigene Haus aber stark genug, um alleine klar zu kommen.

Vor einer Zwangsverpflichtung schrecken dennoch viele zurück. „Es wäre falsch, das Risiko für den Steuerzahler noch zu vergrößern“, sagt Otto Fricke (FDP), Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bundestag. Zudem würden die Banken bestraft, die sich nicht in Schwierigkeiten gebracht hätten.

Auch die SPD will mit Änderungen noch abwarten. „Wir haben diesen Weg gewählt. Ob er falsch ist, ist noch nicht gesagt“, meint der wirtschaftspolitische Sprecher Rainer Wend. Der Erfolg des Pakets hänge nicht davon ab, wie viele Banken es in Anspruch nähmen, sondern ob wieder Vertrauen für den Handel zwischen den Banken hergestellt werde.

In der Tat sehen Experten erste Anzeichen für eine Entspannung. „Die Zinssätze im Interbankenhandel kommen runter und normalisieren sich langsam“, sagt Fairesearch-Analyst Deiter Hein. „Das deutet daruf hin, dass das Paket wirkt.“ Dennoch würden in den nächsten Monaten noch viele Banken das Paket nutzen. „Die Krise ist noch nicht vorbei.“ mit brö

Stefan Kaiser

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