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Finanzkrise: Ein Schock für Frankreich

Ein Top-Manager fordert radikale Reformen. Sein Gutachten hat er im Auftrag der Pariser Regierung erstellt.

Wie ein Orakel war der Bericht erwartet worden. Jetzt liegt er vor. Am Montag hat ihn sein Autor, Louis Gallois, an seinen Auftraggeber, den französischen Premierminister Jean-Marc Ayrault übergeben. Der Inhalt des Berichts hat nach den vorausgegangenen Indiskretionen niemanden mehr überrascht. Nun hat es die Regierung auf 65 Seiten schwarz auf weiß: Frankreichs Industrie verliert infolge hoher Arbeitskosten an Wettbewerbsfähigkeit. Um den Abstieg zu stoppen, so der spektakulärste der 22 Vorschläge, sollten die Unternehmen bei den Sozialabgaben um 30 Milliarden Euro entlastet werden. Verfasst haben den Alarmruf nicht Interessenvertreter des mächtigen Unternehmerverbandes Medef oder Experten der rechten Oppositionspartei UMP, sondern der ehemalige Boss des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, ein angesehener Patron, dem Sympathien für die Linke nachgesagt werden.

Weiteres Zuwarten kann sich die erst seit einem halben Jahr regierende Linke angesichts der Besorgnis erregenden Lage in der Tat nicht leisten. Der Anteil der Industrie an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung ist von 2000 bis 2011 von 18,5 auf 12,5 Prozent zurückgegangen, der Anteil der Exportindustrie von 12,7 auf 9,3 Prozent. Im Außenhandel, der ohne Energie im Jahr 2000 noch einen Überschuss auswies, schreibt Frankreich chronische Defizite. Auf einer vom Weltwirtschaftsforum in Davos erstellten Übersicht der Wettbewerbsfähigkeit der wichtigsten Industrieländer rangiert Frankreich nur noch auf Platz 21. Die Folge sind Betriebsschließungen und der Wegfall von Arbeitsplätzen. Mit mehr als zehn Prozent hat die Arbeitslosigkeit einen Rekordstand erreicht.

Hauptursache dieser Entwicklung sind nach dem Gallois-Bericht die hohen Arbeitskosten infolge der Belastung durch Lohnnebenkosten. Vor einem Jahrzehnt waren sie in Frankreich noch niedriger als in Deutschland. Inzwischen hat sich das Verhältnis umgekehrt. Den Verlust von Marktanteilen der französischen Industrie führt Gallois zudem auf Faktoren wie Produktqualität, Service, Qualifikation der Arbeitskräfte oder den Zugang zu Krediten vor allem für kleine und mittlere Unternehmen zurück.

Schon vor der Veröffentlichung des Gutachtens war die Idee durchgesickert, einen „Schock“ zur Steigerung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit durch eine massive Senkung der Sozialabgaben der Unternehmen zu erzeugen und den Einnahmeausfall der Sozialversicherung zum Beispiel durch Erhöhungen der Mehrwertsteuer oder andere steuerliche Abgaben auszugleichen. Dieses der deutschen Agenda 2010 nachempfundene Modell eines „Wettbewerbsschocks“ fand beim Unternehmerverband sofort Anklang, scheint der Regierung aber nach den massiven Steuererhöhungen, die sie den Franzosen im Haushalt für 2013 aufbürdet, kaum zumutbar. An Stelle eines „Schocks“ brachte sie daher den Vorschlag eines „Pakts“ ins Gespräch. Den Begriff übernahm auch Gallois, hielt in seinem Bericht aber an der Entlastung der Unternehmen um 30 Milliarden Euro fest.

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