zum Hauptinhalt

Finanzkrise: Euroland spart – und zittert

Nach der Herabstufung Spaniens durch die Ratingagentur Fitch sind die Märkte nervös. Aber die Länder haben keine Wahl.

Berlin - Die Märkte reagierten sofort. Kaum hatte die Ratingagentur Fitch am Freitagabend die Kreditwürdigkeit Spaniens von der Bestnote „AAA“ um eine Stufe auf „AA+“ herabgestuft, gingen die Kurse an der New Yorker Wall Street in den Keller. Der Dow-Jones-Index sank um 1,19 Prozent, auch der Euro zeigte Schwächen. Analysten und Volkswirte sind besorgt. Nun werde der Sturm zurück an die Märkte gebracht, prophezeite Sterling Smith von Country Hedging. Auch Michael Burda, Wirtschaftsprofessor an der Berliner Humboldt-Universität, fürchtet weitere Verwerfungen: „Das verschärft die Krise“, sagte der Ökonom dem Tagesspiegel am Sonntag. „Und es erschwert das, was Spanien tun muss.“

Wie alle Euroländer muss Spanien vor allem eines, nämlich sparen. Um das Haushaltsdefizit zu senken, hatte die Regierung am Freitag harte Maßnahmen beschlossen. Für den Haushalt des Jahres 2011 wird die Ausgabengrenze im Vergleich zu diesem Jahr um 7,7 Prozent auf rund 122,3 Milliarden Euro gesenkt. Das sorgt für Solidität, bremst aber weiteres Wachstum. Für die Rating-Agentur Fitch war dies das Zeichen zum Handeln. Wegen der schlechteren Wachstumsperspektiven stufte die Agentur Spanien herab, obwohl Fitch noch zu Monatsbeginn sein „AAA“ für das südeuropäische Land bestätigt hatte. Anders als die Konkurrenten von Standard & Poor’s, die die Bonität bereits Ende April gesenkt hatten. Nur beim Dritten im Bund, Moody’s, hat Madrid noch die Top-Wertung. Die drei Großen geben den Ton an. Auch das stört Burda. Er wünscht sich mehr Wettbewerb – auch durch staatliche oder halbstaatliche Ratingagenturen nach dem Vorbild des Tüv oder der Dekra.

Zwar versprach Fitch, man werde die Bewertung für die kommenden zwölf Monate nicht mehr antasten, doch ist das nur ein kleines Trostpflaster. Der Schaden ist schon da. Je schlechter das Rating, desto schwieriger und teurer ist es, sich Geld am Finanzmarkt zu besorgen. Griechenland, das die Eurokrise ausgelöst hatte, musste nach schlechten Ratingnoten zweistellige Zinsen für seine Kredite zahlen.

„Das Timing könnte nicht schlechter sein“, kritisiert Ökonom Burda die Herabstufung Spaniens just in dem Moment, in dem das Land seine Finanzen stabilisieren will. Wie die anderen Euroländer auch. Auf sieben Billionen Euro summiert sich derzeit die Gesamtverschuldung der 16 Euroländer. Nach dem Beinahe-Crash des Euro geht nun ein Ruck durch die Währungsunion – die Staaten wollen sparen und suchen nach Regeln, die einen neuen Defizitrausch verhindern. Denn klar ist: Der bisherige Stabilitätspakt hat sich als zahnlos erwiesen. Mit Finnland gibt es nur ein einziges Mitglied, das 2011 die zentrale Regel einhält, wonach die Neuverschuldung bei maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen darf. Deutschland führt die Reihen derer an, die für schärfere Vorschriften streiten. Kanzlerin Angela Merkel hat eine Reform des Pakts als Gegenleistung für ihr Ja zur Griechenland-Hilfe durchgesetzt. Unterstützt wird sie von der heimischen Wirtschaft. „Es gilt, die Staatshaushalte in ganz Europa auszugleichen“, fordert Werner Schnappauf, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI. „Der Stabilitäts- und Wachstumspakt weist deutliche Schwächen auf“, sagt auch Holger Schwannecke, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH). Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat einen Neun-Punkte-Plan erarbeitet und will Sündern vorübergehend Geld aus dem EU-Haushalt sperren. Zudem soll ein lax haushaltendes Land für ein Jahr sein Stimmrecht verlieren. Auch die geordnete Insolvenz eines Staates soll möglich werden. Und die Kontrolle über die Etats soll nicht in der Hand der Mitgliedstaaten liegen, sondern bei unabhängigen Prüfern. Was Schäubles EU-Kollegen davon halten, werde sie ihn am 7. Juni im Ministerrat wissen lassen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass einige Ideen Chancen haben. Etwa die Kürzung von EU-Mitteln bei Ländern, die sich gegen das Sparen sperren. Zudem soll nicht nur eine zu hohe Neu-, sondern auch eine Gesamtverschuldung von über 60 Prozent des BIP bestraft werden.

Besonders großen Widerstand gibt es vor allem gegen einen Entzug von Stimmrechten und die Insolvenz von Staaten. Für beide Vorhaben wäre aber eine einstimme Änderung der europäischen Verträge nötig. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sieht dazu keine Chance, Frankreich ebenso wenig. Im Beisein von Schäuble war Wirtschaftsministerin Christine Lagarde jüngst eindeutig. „Vergesst den Vertrag“, sagte sie.H. Jahberg/C. Ziedler/C. Brönstrup

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false