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Spence

© dpa

Finanzkrise: "Niemand hat eine komplette Übersicht"

Michael Spence (64) lehrt in Harvard und erhielt 2001 mit zwei weiteren Forschern den Wirtschaftsnobelpreis. Sie analysierten, wie unvollständige Informationen Märkte beeinflussen. Im Interview mit dem Tagesspiegel fordert Spence globale Kontrolle.

Herr Spence, droht uns eine Weltwirtschaftskrise wie in den Dreißigern?

Schon möglich. Aber eigentlich glaube ich nicht daran. Die amerikanische Regierung und die amerikanische Notenbank reagieren gut und scheinen so das Schlimmste zu verhindern.

Was kommt dann auf Amerika und Europa zu?

Wir werden sicherlich eine starke wirtschaftliche Schwächephase haben aus der wir so schnell auch nicht wieder herauskommen. Die Firmen spüren ja schon jetzt, dass sie weniger Kredite bekommen. Aber man kann dem noch entgegenwirken.

Wie zum Beispiel?

Ich halte vor allem die Maßnahme der amerikanischen Notenbank für sehr gut, kurzfristige, ungesicherte Geldmarktpapiere aufzukaufen. Das gibt vielen großen Konzernen wieder Liquidität. Vor allem wirkt diese Maßnahme sehr schnell.

Sind Sie mit der amerikanischen Regierung zufrieden?

Ja, ich finde, sie hat bisher gut reagiert. Der Paulson-Plan, also mit 700 Milliarden Dollar die faulen Kredite aufzukaufen, wird wahrscheinlich seine Wirkung erfüllen. Die 700 Milliarden sind zwar viel zu wenig, um den Markt zu bereinigen, aber private Investoren werden so Mut fassen und auch wieder Kapital zur Verfügung stellen.

Ist es nicht moralisch sehr problematisch, den Steuerzahler für die Krise aufkommen zu lassen?

Das ein moralisches Dilemma. Aber was wäre die Alternative? Ansonsten würde das gesamte System zusammenbrechen. Auch den einfachen Bürgern ginge es dann noch schlechter. Ich glaube auch nicht, dass die 700 Milliarden wirklich verschwunden sind. Wenn die aufgekauften Papiere im Wert wieder steigen, kann im Nachhinein sogar wieder ein Plus für den Staat herausspringen.

Wie konnte es überhaupt zu der Krise kommen?

Die unbekannten Risiken der Beteiligten der Finanzbranche sind das größte Problem. Es gibt keine Institution, die diese wirklich im Blick hat. In den USA sind die Verantwortlichkeiten nicht geregelt. Die Regierung und die Notenbank überprüfen immer nur Teilbereiche. Niemand hat eine komplette Übersicht.

Und global?

Das ist das nächste Problem. Die Finanzbranche ist längst global und müsste deswegen auch global überwacht werden. Aber eine solche Institution gibt es nicht.

Wer könnte diese Aufgabe übernehmen?

Nicht die UN, der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank. Da sind zu viele Länder beteiligt, auch solche, die eigentlich überhaupt keine starke Wirtschaft haben und dann trotzdem reinreden. An dieser Institution sollten hauptsächlich starke Länder beteiligt sein, also beispielsweise die G 8 plus Länder wie Indien und China.

Die Fragen stellte Frederic Spohr.

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