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Proteste gegen die Macht der Banken in Frankfurt.

© dapd

Finanzkrise: Noch mal 100 Milliarden Euro gesucht

Europas Banken müssen ihr Kernkapital aufstocken. Doch weil das nicht alle können, ist bald wieder der Steuerzahler dran.

Für Josef Ackermann wäre der Einstieg des Staates bei der Deutschen Bank wohl so etwas wie der Vorhof zur Hölle gewesen. Empfindlich reagierte er auf die vor allem aus Frankreich lancierte Idee, Europas Banken zwangsweise mit staatlichem Geld zu rekapitalisieren, damit sie nicht unter den Abschreibungen von Staatsanleihen zusammenbrechen. Dann wäre die Bundesregierung, die im Zuge der Finanzkrise bereits Großaktionär der Commerzbank wurde, womöglich auch beim Branchenprimus eingestiegen.

„Nicht die Kapitalausstattung der Banken ist das Problem, sondern die Tatsache, dass Staatsanleihen ihren Status als risikofreie Aktiva verloren haben“, hatte Ackermann frühzeitig gewettert. Und hinter den Kulissen wirbelte er als Vorsitzender des internationalen Bankenverbands IIF so sehr, dass sich daheim schon Kritik regte. Der „Spiegel“ zitiert in der neuen Ausgabe einen ungenannten Topmanager der Deutschen Bank, Ackermann habe von dem Institut kein Mandat, um sich um die Schuldenkrise zu kümmern.

Doch der Einsatz scheint sich für die Deutsche Bank gelohnt zu haben. Vorerst ist sie jedenfalls gegen staatliche Einflüsse gefeit. Denn bei den Treffen der Finanzminister und der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Wochenende in Brüssel wurde vereinbart, den Banken zwar ab Juli 2012 eine Kernkapitalquote von neun Prozent vorzuschreiben, ihnen aber die Möglichkeit zu lassen, sich das nötige Kapital am Markt zu besorgen. Das dürfte der Deutschen Bank im Vergleich zur Konkurrenz leicht fallen, wenn sie es überhaupt braucht – zuletzt gab sie ihre Kernkapitalquote mit mehr als zehn Prozent an.

In anderen Instituten ist die Lage dramatischer. Unterhändler in Brüssel beziffern den Kapitalbedarf europäischer Banken auf insgesamt 108 Milliarden Euro, davon 38 Prozent bei Banken in Griechenland, Portugal und Irland. Die Kernkapitalquote bezeichnet den Anteil der Aktiva in der Bilanz, die durch Eigenmittel gedeckt sind. Bei der sogenannten harten Kernkapitalquote sind das neben dem Stammkapital und den Rücklagen auch eigene Aktien. Eine höhere Quote senkt das Pleiterisiko, und damit sind die Guthaben der Kunden sicherer. Weil die Institute Gewinne einbehalten, um die Quote zu erhöhen, dürften aber die Dividenden sinken und die Gebühren steigen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite warum sich in Deutschland Widerstand zur Rettung französischer Banken regt.

Schwierig ist die Lage bei den französischen Banken, die durch einen Schuldenschnitt für Griechenland besonders getroffen werden. Präsident Nicolas Sarkozy hatte sich deswegen gewünscht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) einspringt und war vergangene Woche nach Frankfurt am Main gejettet, während seine Frau Carla Bruni im Kreißsaal lag. Er beriet sich mit Kanzlerin Angela Merkel und dem scheidenden EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet, stieß aber auf Ablehnung. Die EZB soll nun außen vor bleiben. Wenn Länder die Rettung ihrer Banken nicht stemmen können, sollen sie den Rettungsfonds EFSF anzapfen können. Diese Linie empfiehlt auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann: „Die private Aufnahme von Kapital muss das Mittel der ersten Wahl sein. Erst wenn das nicht klappt, dann sollte der Staat einspringen. Und in Ländern, in denen der Staat dies aus eigener Kraft nicht leisten kann, steht die EFSF bereit“, hatte er schon weit vor dem Gipfeltreffen erklärt. Der Fonds, der über Mittel von 440 Milliarden Euro verfügen soll, dürfe aber Banken nicht direkt versorgen.

Trotzdem regt sich gegen diese Variante in Deutschland Widerstand. „Es darf nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler die französischen Banken rekapitalisiert. Wir haben mit der HRE und den Landesbanken genug am Hals, jedes Land muss sich um seine eigenen Banken kümmern“, sagte der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler dem Tagesspiegel. Allerdings weiß auch er, dass diese Haltung zu neuen Verwerfungen führen kann: „Das Risiko ist, dass Frankreich durch die Bankenrettung geschwächt wird und sein AAA-Rating verliert. Dann würde der EFSF quasi in sich zusammenfallen.“

Denn dann ruhte der Rettungsfonds quasi allein auf der Top-Bonität Deutschlands. Für Schäffler sind die neuen Anforderungen an die Banken daher zwiespältig. „Vom Grundsatz her ist die höhere Kernkapitalquote der richtige Weg, aber sie löst das Problem nicht. Denn viele Banken werden sich das notwendige Kapital nicht am Markt besorgen können, und dann muss doch wieder der Staat einspringen“, mahnt der Parlamentarier.

Die rein nationale Lösung wird es aber nicht geben. „Ein bloßes Wiederholen der Erfahrung von 2008 mit vollkommen nationalem Ermessen beim Schaffen von Liquiditätshilfen könnte unter jetzigen Marktbedingungen keine befriedigende Lösung sein, da einige Staatsgarantien aus Sicht der Märkte nicht genug Qualität haben“, heißt es in einem Papier des Gipfeltreffens, aus dem die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag zitierte. Deswegen sollen Bürgschaften der einzelnen Staaten auch zusammengefasst und über die europäische Bankenaufsicht EBA begeben werden oder in gemeinsamen Garantien in einem Pool bei der Europäischen Investitionsbank verschmolzen werden können. Details werden aber offenbar erst beim zweiten Gipfeltreffen am Mittwoch feststehen.

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