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Finanzkrise: Portugal hat mehr Schulden als gedacht

Sparen, verzichten, den Gürtel noch enger schnallen: Portugals Staatspräsident Anibal Cavaco Silva stimmt die elf Millionen Portugiesen auf eine drohende staatliche Schuldenkatastrophe und eine am 5. Juni anstehende Schicksalswahl eines neuen Ministerpräsidenten ein.

Lissabon/Madrid - „Die nächste Regierung muss sich einer noch nie dagewesenen wirtschaftlichen und finanziellen Krise stellen“, sagte Staatspräsident Anibal Cavaco Silva.

Die Neuwahl im Juni kommt für das südliche EU-Land am Atlantik im schlechtesten Moment, mitten auf dem Höhepunkt der außer Kontrolle geratenen Schuldenkrise, welche Portugal wohl unausweichlich unter den Euro-Rettungsschirm treibt. Der sozialistische Regierungschef José Sócrates (53) hatte hingeworfen, nachdem sein hartes Sparparket im Parlament abgeschmettert worden war. Allen Umfragen zufolge liegt in der Wählergunst nun der Oppositionschef Pedro Passos Coelho (46), Vorsitzender der konservativ ausgerichteten Sozialdemokraten, vorn.

„Das ist“, warnt Staatschef Cavaco Silva die Bürger, „einer der kritischsten Momente seit der Einführung der Demokratie.“ Die Arbeitslosenrate in Portugal liegt bei mehr als elf Prozent – mit steigender Tendenz. Für 2011 wird für die Wirtschaftsentwicklung ein Minus von etwa 1,4 Prozent prognostiziert. Zugleich sinken die Haushaltseinkommen, die Ausgaben steigen. In diversen Sparrunden hatte Sócrates tiefe Einschnitte beschlossen: Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 23 Prozent, mehr Einkommensteuer, Rentenstopp, Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst, weniger soziale Leistungen, Mautgebühren und höhere Preise im öffentlichen Transport.

Trotz dieses Sparkatalogs besteht für Portugal wenig Grund für Optimismus. Gerade erst wurde die Regierung von der EU-Kommission gezwungen, ihre Schuldenbilanz für das Jahr 2010 zu korrigieren: Demzufolge erreichte Portugal im vergangenen Jahr nicht, wie versprochen, sein Sparziel von 7,3 Prozent Neuverschuldung. Die Schulden lagen in Wirklichkeit bei 8,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, weil auch die staatlichen Stützen für Portugals angeschlagene Banken und die Verpflichtungen öffentlicher Unternehmen eingerechnet werden müssen. Für 2011 hatte Sócrates ein Schuldenlimit von 4,6 Prozent zugesagt, das aber derzeit in weiter Ferne liegt.

Von den internationalen Ratingagenturen droht ebenfalls neues Unheil. In den vergangenen Wochen wurde die Kreditwürdigkeit Portugals immer weiter zurückgestuft. Inzwischen siedeln die Analysten die Bonität portugiesischer Schuldscheine nur noch knapp über den „Müll-Anleihen“ an, bei denen die Anleger mit Ausfällen rechnen müssen.

Entsprechend steigen die Zinsen, die Portugal für seine Papiere an den Finanzmärkten zahlen muss: Zehnjährige Anleihen wurden zuletzt mit 8,5 Prozent gehandelt, fünfjährige gar mit 9,7 Prozent. Analysten rechnen damit, dass Portugal angesichts dieser hohen Kreditkosten Hilfe vom Euro-Rettungsfonds beantragen muss – die EU-Kommission rechnet mit einem Finanzbedarf Portugals von etwa 75 Milliarden Euro. Die Frage ist nur wann, denn im gerade gestarteten Wahlkampf will sich derzeit niemand die Finger verbrennen.

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