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Josef Ackermann

© ddp

Finanzkrise: Späte Wahrheiten

Deutsche-Bank-Chef Ackermann hat die Auswirkungen der Krise zunächst unterschätzt.

Frankfurt am Main – Josef Ackermann strahlt in die Kameras. Die Deutsche Bank sei von der Finanzkrise „weitaus weniger stark betroffen“ als die Konkurrenz, lässt der Vorstandschef die Welt stolz wissen. Anders als die Wettbewerber habe die Deutsche Bank rechtzeitig die Notbremse gezogen und sei aus dem Markt für problematische US-Immobilienkredite (Subprime) ausgestiegen. Die Finanzwelt staunt über das glänzende Ergebnis der Deutschen Bank. Josef Ackermann lächelt. Es ist sein 60. Geburtstag.

Das alles ist nicht einmal vier Monate her. Die Szene stammt von der Bilanzpressekonferenz der Bank Anfang Februar. Doch mittlerweile ist der Glanz verblasst. Die Deutsche Bank ist in die roten Zahlen gerutscht – zum ersten Mal seit fünf Jahren. Die Abschreibungen aus der Finanzkrise haben sich auf rund fünf Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Das Gewinnziel für 2008 ist längst wieder kassiert. Ackermann hat seine vollmundigen Ankündigungen nicht einhalten können.

Entsprechend enttäuscht zeigen sich einige Aktionärsvertreter am Donnerstag bei der Hauptversammlung. „Bis Anfang des Jahres hatte man den Eindruck, unsere Bank sei kaum von der Subprime-Krise betroffen“, sagt Klaus Nieding, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Danach seien die Verlautbarungen „immer kleinlauter“ geworden.

Ackermanns Optimismus hat die Entwicklung der vergangenen Monate jedoch kaum etwas anhaben können. Zwar scheint die Lockerheit vom Februar dahin, als der Chef des größten deutschen Geldhauses steif seinen Redetext vom Teleprompter abliest. Doch die Botschaft bleibt die gleiche: „Wir haben weitaus geringere Wertberichtigungen vornehmen müssen als unsere Wettbewerber“, erklärt Ackermann den rund 6000 Aktionären. Dass es in Europa und den USA eine ganze Reihe von Banken gibt, die besser abgeschnitten haben, verschweigt er. Ein Schock habe die Märkte im März erwischt, erklärt der Banker seine Fehleinschätzung aus dem Februar. Dies sei damals noch nicht absehbar gewesen. „Das kam nach meinem Geburtstag.“

Ackermann spielt seine neue Lieblingsrolle: die des Beruhigers. Zwar seien die kurzfristigen Aussichten an den Märkten immer noch unsicher, räumt er ein. „Gleichwohl meine ich, dass wir am Beginn des Endes der Krise sind“, sagt Ackermann. „Es stabilisiert sich.“ Bei der Deutschen Bank jedenfalls würden wahrscheinlich keine großen Bewertungsprobleme mehr auftauchen. „Wir sind eindeutig auf dem Vormarsch.“ Der Vorstand glaube intern sogar noch daran, das ursprüngliche Gewinnziel von 8,4 Milliarden Euro vor Steuern zu erreichen und habe seine Bonuszahlungen für 2008 daran orientiert. „Wenn wir das Ziel nicht erreichen, wird der Bonus erheblich niedriger sein“, sagt Ackermann.

Die Rolle des Beruhigers hat Ackermann seit Beginn der Krise immer wieder eingenommen. Im September 2007, als die Krise ihren ersten Höhepunkt erreichte, trat er sogar in einer Fernseh-Talkshow auf, um die Nation zu beruhigen. Er gehe nicht davon aus, dass noch „irgendwo Zeitbomben ticken“, sagte Ackermann. Heute weiß er, dass der Großteil der Belastungen damals noch vor der Bankenbranche lag.

In der Branche kritisieren einige zudem, dass Ackermann die Schuld an der Krise zu oft bei den anderen sucht. Zwar habe auch die Deutsche Bank Fehler gemacht, so lautet sinngemäß das Mantra, aber die großen Verfehlungen gab es woanders. Zum Beispiel bei den deutschen Landesbanken oder der Mittelstandsbank IKB. Seit die Deutsche Bank selbst Milliardenlasten schultern muss, wirkt diese Kollegenschelte für viele unglücklich. „Den Konzertkritiker kann nur spielen, wer selbst gar keine Risiken in den Büchern hat“, sagt ein Top-Banker.

Stefan Kaiser

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