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Kämpft für die Transaktionssteuer: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

© dpa

Finanzmarktkontrolle: Bundestag verbietet ungedeckte Leerverkäufe

Der Bundestag untersagt hochspekulative Finanzwetten, die sogenannten ungedeckten Leerverkäufe. Die Opposition kritisiert das als „Symbolpolitik“ - denn international sind die Wetten weiterhin erlaubt.

Die Bundesregierung kann es derzeit wirklich niemandem recht machen. Am Freitag verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition ein Verbot von ungedeckten Leerverkäufen. Das Gesetz, das laut Regierung Spekulationen an den Finanzmärkten eindämmen soll, wird gleich von mehreren Seiten kritisiert. Experten und die Opposition halten den nationalen Alleingang der Deutschen für wirkungslos.

Mit der Entscheidung, bestimmte Leerverkäufe zu verbieten, hatte die Bundesregierung die europäischen Partner im Mai überrascht. Nach dem jetzt in Deutschland beschlossenen Gesetz dürfen Finanzakteure nur noch mit Aktien, Staatsanleihen und Kreditversicherungen handeln, die sie selbst besitzen oder sich geliehen haben.

Bei ungedeckten Leerverkäufen verkaufen Profi-Anleger wie Hedgefonds Aktien oder Anleihen, die sie gar nicht besitzen. Sie besorgen sich die Papiere erst Stunden oder Tage später, um sie dem Käufer zu übergeben. Ist der Kurs in der Zwischenzeit gefallen, verdient der Leerverkäufer an der Differenz. Wenn viele Akteure gleichzeitig ungedeckte Leerverkäufe tätigen, kann es passieren, dass mehr Papiere verkauft werden, als tatsächlich vorhanden sind. So sinkt der Kurs immer schneller – und die Wette der Leerverkäufer geht auf. Zudem verbietet das Gesetz in bestimmten Fällen den Abschluss von Kreditausfallversicherungen auf die Schuldscheine von EU-Mitgliedstaaten. Die sogenannte Credit Default Swaps (CDS) dürfen jetzt nur noch von solchen Anlegern gekauft werden, die die abzusichernden Staatsanleihen auch tatsächlich besitzen. Indem sie massenhaft Kreditausfallversicherungen kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben, können Spekulanten die Furcht der Märkte vor einer Staatspleite bestärken – und die Versicherungen anschließend teuer weiterverkaufen. Das Verbot bezieht allerdings nur solche Staatsanleihen mit ein, die auch in Deutschland gehandelt werden – faktisch sind das nur deutsche und österreichische Papiere.

Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg (CDU), sagte, mit dem Gesetz werde ein entscheidender Beitrag zur Regulierung von Finanzmärkten geleistet. Kritiker hingegen beklagen, dass nationale Regeln nicht viel ausrichten, solange Leerverkäufe an allen anderen Börsenplätzen erlaubt bleiben. Tatsächlich ist der Markt in Deutschland vergleichsweise klein. Hinzu kommt, dass die meisten Leerverkäufe nicht an der Börse, sondern direkt unter den Anlegern gehandelt werden. Diese Transaktionen aber sind von der Finanzaufsicht schwer zu überwachen. Der SPD-Experte Manfred Zöllmer nannte das Gesetz darum „reine Symbolpolitik.“

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies den Vorwurf zurück, er habe mit seinem Vorpreschen die europäischen Partner brüskiert. Das Gegenteil sei der Fall. Schließlich wolle die EU-Kommission im Oktober selbst Vorschläge für ein europaweites Verbot vorlegen. Er kündigte zudem an, dass Deutschland und Frankreich die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa schnell vorantreiben wollen. Er werde in den nächsten Tagen zusammen mit seiner französischen Amtskollegin Christine Lagarde die EU-Kommission auffordern, Vorschläge zu machen. Auf dem G20-Gipfel in Kanada waren die Europäer mit ihrer Forderung nach einer weltweiten Steuer auf alle Finanzgeschäfte gescheitert. Jetzt soll die Abgabe im europäischen Alleingang kommen, notfalls auch nur mit Beteiligung der Eurozone. (mit dpa)

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