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Wirtschaft: Finger weg von US-Aktien? Schließlich folgt nach einer alten Börsenregel stets eine weitere Erhöhung

Was tun, wenn der Postmann zweimal klingelt oder die Fed dreimal die Zinsen erhöht? Im ersten Fall lautet die klare Antwort für Ehemänner: nicht aufmachen.

Was tun, wenn der Postmann zweimal klingelt oder die Fed dreimal die Zinsen erhöht? Im ersten Fall lautet die klare Antwort für Ehemänner: nicht aufmachen. Dem amerikanischen Analyse-Papst Edson Gould zufolge ist die Antwort auch im zweiten Fall klar: Es gilt, die Finger vom US-Aktienmarkt zu lassen; denn die Kurse sind nach drei Zinserhöhungen in Folge oft stark gefallen.

Die Regel "three steps and stumble" - nach drei Zinsschritten aus dem Markt stolpern - des bereits verstorbenen Börsenprofis ist den Analysten heute so wichtig wie vor 15 Jahren. Zwar gibt es Kritiker, die monieren, Goulds These könne nicht auf die derzeitigen Wirtschaftsbedingungen übertragen werden. Trotzdem kann der Anleger aus der Regel Nutzen ziehen: Die grundsätzlichen Folgerungen Goulds haben ihre Bedeutung nicht eingebüßt. Was bei drei Zinsanhebungen nämlich klar würde: Die Fed meint es ernst. Sie will mit aller Macht die geldpolitischen Zügel anziehen. Dadurch kann eine positive Börsenstimmung plötzlich kippen.

Richard McCabe, Chief Market Analyst bei Merrill Lynch in New York, erläutert die beiden Bremseffekte, die höhere Zinsen oftmals auf die Börse ausüben: "Zieht die Fed die Zinsschraube an, drosselt sie den Liquiditätszustrom an den Aktienmarkt, und die Kurse sinken." Was der Börse zusätzlich schadet: Anleger werden von hohen Zinsen an den Rentenmarkt gelockt. Die Kurse belaste zudem die Erwartung der Marktteilnehmer, dass mehrere Zinsschritte die Konjunktur abwürgen und die Unternehmensgewinne drücken werden. "Solche Befürchtungen können sich schon sechs bis neun Monate nach der Zinserhöhung in den Kursen niederschlagen, indem die Firmen tatsächlich Ertragsschwächen melden", weiß McCabe.

In der Geschichte gibt es zahlreiche Belege für die Gouldsche These: Zwischen 1919 und Ende 1994 gab es 13-mal Zinserhöhungen im Dreierpack. Daraufhin zeigte der Dow Jones in den jeweils folgenden 581 Tagen im Mittel einen Rückgang von 17 Prozent. Allerdings waren die Rückgänge unterschiedlich stark und kamen manchmal erst lange nach dem letzten Zinsschritt. Einige Male fielen die Kurse nach nur einer Erhöhung. Ein klassisches Beispiel war aber der Dezember 1965: Die Fed hob zum dritten Mal die Zinsen an. Daraufhin brachen die Aktienkurse 1966 um 21 Prozent ein. Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele. Gerhard Schwarz, Leiter Portfoliostrategie der Hypo-Vereinsbank: "Die Fed hat 1994 die Zinsen von drei auf sechs Prozent erhöht. Im Jahr danach begannen die Aktienkurse zu steigen."

Gould bezog seine Three-step-Börsenregel auf einen idealtypischen Konjunkturzyklus, in dem Abschwünge und Aufschwünge einander relativ zügig ablösen. In den USA ist aber im dritten Jahr in Folge ein ungewöhnlich starkes Wirtschaftswachstum zu konstatieren. Hat der Gould-Slogan also nur hohen Unterhaltungs- und wenig Erkenntniswert? Mitnichten. "Wenn die Regel auch nicht automatisch funktioniert, so sind die Zusammenhänge tendenziell richtig", betont McCabe. Allerdings sollte man auch andere Indikatoren zu Rate ziehen.

Nach Ansicht von McCabe ist das Hauptproblem in den USA der zu große Optimismus der Anleger. "Das ist kein gutes Zeichen. Meist verschlechtert sich der Markt kurz darauf." Da wäre schon viel gewonnen, wenn Investoren im Sinne der Gouldschen Regel vorsichtiger würden: Hebt die Fed die Zinsen erneut an, betont sie ihre Entschlossenheit, die heißlaufende Konjunktur zu bremsen. Die noch optimistische Stimmung der Börsianer wäre wie weggeblasen. Vorsichtige Anleger halten sich derzeit bei US-Aktien zurück.

Kathrin Quandt

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