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Wirtschaft: Firmen müssen Kartellamt nicht mehr fragen Verfahrensänderung im Wettbewerbsrecht erleichtert legale Absprachen / Industrie verlangt Mittelstandsklausel

(hej). Noch liegt der Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums über eine Novellierung des Wettbewerbsrechts nicht auf dem Tisch, da meldet die deutsche Industrie bereits Nachbesserungsbedarf an.

(hej). Noch liegt der Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums über eine Novellierung des Wettbewerbsrechts nicht auf dem Tisch, da meldet die deutsche Industrie bereits Nachbesserungsbedarf an. Zwar sei man mit der geplanten Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) (siehe Lexikon) im Großen und Ganzen zufrieden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Klaus Bräunig, am Montag in Berlin, dennoch wünsche sich der BDI in einigen Punkten Veränderungen.

So müsse im Gesetz unbedingt eine Klausel zum Schutz von mittelständischen Kartellen erhalten bleiben, fordert der BDI. Das geplante eigene Klagerecht der Verbraucherverbände gegen Kartelle oder Fusionen hält der Industrieverband für „überzogen“. Besonders wichtig sei aber, dass die Gesetzesreform bis zum 1. Mai nächsten Jahres abgeschlossen sei, sagte Bräunig. Denn dann tritt auch die neue EUKartellverordnung in Kraft, die eine gravierende Veränderung des Verfahrensrechts nach sich zieht.

Wichtigster Punkt der neuen Verordnung aus Brüssel: Während bislang Kartelle – Absprachen von Unternehmen über Kooperationen – bei der Brüsseler Wettbewerbsbehörde angemeldet werden müssen, sollen künftig die Firmen selbst entscheiden, ob ihre Absprachen nach geltendem Wettbewerbsrecht erlaubt sind oder nicht (Legalausnahme).

Damit will EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti die chronische Überlastung seiner Behörde abstellen, die sich vor Kartellanträgen nicht retten kann. Für die Unternehmen ist die geplante Reform zwiespältig: Zwar sparen die Firmen erhebliche Kosten ein, wenn sie auf die Kartellanmeldungen verzichten, dafür tragen sie jedoch die Rechtsunsicherheit, ob ihre Kooperationen legal sind oder nicht. Denn einen Freibrief der Kartellbehörden haben sie in Zukunft nicht mehr.

Das neue Prinzip der Legalausnahme soll künftig auch in Deutschland gelten. Obwohl das Bundeskartellamt die Kartellanmeldungen ganz gut bewältigen kann. „Wir sind nicht überlastet“, sagte Kartellamtssprecherin Anja Scheidgen dem Tagesspiegel. Allerdings mache es wenig Sinn, grenzüberschreitende, große Kartelle nach EU-Recht künftig von der Anmeldung freizustellen, nationale Absprachen aber weiterhin mit einem Genehmigungszwang zu belegen. Das Bundeskartellamt sei aber bereit, auch nach der Gesetzesreform Firmen, die unsicher sind, informell Auskunft zu erteilen.

Für mittelständische Unternehmen, die häufig Vertriebs- und Einkaufskooperationen bilden, sollte es nach Meinung des BDI bei der bisherigen Mittelstandsklausel im GWB bleiben. Diese erlaubt kleinen und mittleren Firmen Absprachen, um ihre Wirtschaftskraft im Wettbewerb gegen die Großen zu stärken. „Diese Rechtssicherheit für mittelständische Firmen muss erhalten bleiben“, forderte BDI-Hauptgeschäftsführer Bräunig.

Heftige Kritik äußerte der BDI an dem Plan, im neuen GWB den Verbraucherschutz zu stärken. Künftig sollen auch Verbraucherschutzverbände klagen können, wenn Unternehmen illegale Kartelle bilden oder marktbeherrschende Positionen ausbauen. Der Industrieverband befürchtet eine neue Klagewelle, wenn das GWB künftig auch zu einem Verbraucherschutzgesetz werde. Verbraucherschützer sehen das naturgemäß anders: „Wir haben lange dafür gekämpft, an Wettbewerbsverfahren beteiligt zu werden“, sagte Christian Fronczak vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) dem Tagesspiegel.

Mit einem Referentenentwurf aus dem Ministerium rechnet der Industrieverband in diesen Tagen. Eigentlich sollte ein solches Papier bereits im September veröffentlicht werden, die Diskussion um eine Neuregelung der Pressefusionskontrolle hat den ministerialen Zeitplan jedoch durcheinander gebracht. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) will dem Vernehmen nach die Neuregelung des GWB dazu nutzen, die strengen Regeln für die Fusion von Zeitungsverlagen zu lockern. Beliebig viel Zeit hat er nicht, wenn das Gesetz 2004 in Kraft treten soll: Die GWB-Novelle muss auch noch durch den Bundesrat.

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