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Wirtschaft: Firmenbrutkästen im Schatten von Nokia

HELSINKI .Wenn es an der Wohnungstür von Risto Linturi klingelt, kann der Technologiedirektor der Helsinki Telephone Corporation (HPY) auch dann seine Gäste begrüßen, wenn er nicht zu Hause ist.

HELSINKI .Wenn es an der Wohnungstür von Risto Linturi klingelt, kann der Technologiedirektor der Helsinki Telephone Corporation (HPY) auch dann seine Gäste begrüßen, wenn er nicht zu Hause ist.Linturi empfängt das Signal auf seinem Handy, egal wo er sich aufhält.Er steuert die heimische Sprechanlage an, fragt nach, wer geläutet hat, und bei Bedarf kann er sogar die Türe öffnen.High-tech auf finnisch.

Die technische Spielerei leistet sich einer, der von seinen Landsleuten der "Bill Gates Finnlands" genannt wird.Internationales Aufsehen erregt Linturi mit seiner Vision für die virtuelle Zukunft der Hauptstadt Helsinki.Im Rahmen des Multimedia-Projekts "Helsinki Arena 2000" seines Arbeitgebers HPY und dessen Partnern - unter anderem dem Nokia-Konzern - bildet Linturi die Metropole als dreidimensionales Modell "bit für bit" im Internet ab.Mit einem vernetzten Computer kann sich künftig jedermann in der elektronischen Hauptstadt bewegen, ins Museum gehen, Bankgeschäfte erledigen, Einkaufen oder Telefonieren."Das Internet wird sich irgendwann auf die lokalen Lebensumstände der Nutzer konzentrieren - wie heute das Telefon", sagt Linturi.

"Arena 2000" ist Teil des Infocities-Programms der EU, das den Ausbau des Dienstleistungsangebots im Internet fördern soll.Die Finnen beteiligen sich daran mit Begeisterung - und als Vorreiter in der EU.Niemand in Europa ist so fasziniert von innovativer Technik und ihrer Anwendung im Alltag: Jeder zweite Finne hat einen Mobilfunkanschuß, das dünn besiedelte Land hat weltweit die höchste Dichte von Internetzugängen."Die Finnen lieben technisches Spielzeug, und sie haben früher als andere mit dem Spielen begonnen", umschreibt Jussi Mustonen, Direktor der Finnischen Industrie- und Arbeitgeber-Vereinigung die finnische Eigenart.Das Land mußte notgedrungen umdenken, denn Finnland steckte nach dem Zusammenbruch des größten Handelspartners Sowjetunion Anfang der 90er Jahre tief in der Rezession.Aus der Krise befreiten sich die Finnen, indem sie konsequent auf High-Tech setzten.

Der Boom hat eine Vielzahl mittelständischer Multimedia-, Internet- und Telekom-Unternehmen hervorgebracht, die inzwischen auf dem kleinen finnischen Markt an die Sättigungsgrenze stoßen."Viele junge Firmen drängen auf die internationale Bühne", sagt Juha Pokela von der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft Helsinki."Und die, die bleiben wollen, haben Probleme, gute Leute zu finden".Obwohl allein an der Technischen Universität in Helsinki jährlich 3000 Ingenieure ihren Abschluß machen."Die kommen aber fast alle bei Nokia unter."

Der Riese Nokia ist das leuchtende Beispiel für den finnischen High-Tech-Aufstieg und Vorbild für manchen Gründer.Vom ehemaligen Gummistiefel-Produzenten mauserte sich das Unternehmen zum weltweit führenden Hersteller von Mobiltelefonen.Experten gehen inzwischen von einem Weltmarktanteil bei Nokia-Handys von rund 25 Prozent aus."Wenn der Schnee vor der Garage weggefegt ist, betreten wir bereits den Weltmarkt", zitiert Nokia-Sprecher Lauri Kivinen ein finnisches Sprichwort, um zu erklären, was Nokia auf dem engen finnischen Markt hinter sich hat und vielen Existenzgründern noch bevorsteht.Nokias Erfolg strahle aus, meint Kivinen selbstbewußt."Wir machen es anderen Firmen leichter, ein solides, finnisches Image in die Welt zu transportieren."

Die Motivation, sich im Windschatten von Nokia selbständig zu machen, ist ungebrochen.Die Regierung unterstützt den Trend mit einer engagierten Forschungs- und Gründungs-Förderung.Markenzeichen der Gründerszene sind sogenannte "Firmenbrutkästen".Das erste Existenzgründerzentrum dieser Art wurde 1987 gegründet.Heute arbeiten 250 bis 300 Jung-Unternehmen in landesweit 35 "Brutkästen", 15 bis 20 Zentren sollen hinzukommen.

31 Gründer aus dem Bereich Design, Medien und Kunst haben sich im Firmenbrutkasten "Arabus" auf dem Gelände der Keramik-Fabrik Arabia in Helsinki niedergelassen.Zwei Jahre lang können Klein- und Kleinst-Unternehmen unter das Arabus-Dach schlüpfen, die Mieten sind subventioniert, Computer-, Druck- und sonstige Produktions-Technik steht zu günstigen Konditionen zur Verfügung.Finanziert wird Arabus unter anderem vom Europäischen Sozial-Fonds.Eine Marketing-Agentur bemüht sich um die Außenwirkung des kreativen "Business-Centers".Mit Erfolg, wie Projekt-Managerin Anu Oksanen berichtet.Einige Arabus-Firmen haben Design-Ideen, Internet-Dienste oder einfach ihren Namen vermarktet und internationale Partner gefunden.Kein Massengeschäft, aber ein Einstieg in den Zukunftsmarkt."Das Netzwerk trägt Früchte", sagt Anu Oksanen, während ihr Handy hektisch klingelt.

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