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Blick auf Harvard. Manager aus aller Welt können hier ihre Kompetenzen in Unternehmensführung verbessern. An Eliteschmieden wie Harvard und Stanford holen sich künftige Chefs den letzten Schliff. Foto: Reuters

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Wirtschaft: Fit für den Chefsessel

Vom Vorstand zum Vorstandschef ist es ein gewaltiger Sprung. Einige Firmenlenker in spe bekommen Starthilfe an Elite-Unis.

Am Montag sitzt er wieder im Büro. Sechs Wochen lang hatte Timotheus Höttges, der künftige Chef der Deutschen Telekom, seinen Vorstandssessel in Bonn mit dem Campus der Stanford University in Kalifornien getauscht. Bei einem Sommerkurs für Topmanager holte sich der Finanzvorstand, der bald René Obermann ablöst, den letzten Schliff für seine neue Rolle als Konzernlenker. „Auch Chefs müssen immer weiter lernen“, schrieb Höttges im firmeninternen Blog.

Der Stundenplan in Stanford ist straff: „Die Tage beginnen mit Sport um 6 Uhr morgens und dann ist bis abends um 22 Uhr durchgehend Programm“, schreibt Höttges seinen Kollegen. „Ganz schön stressig! Seit Sonntagabend diskutieren wir mit Professoren und Managern aus 42 Ländern Unternehmensstrategien weltweit agierender Unternehmen.“ Auf der Agenda: Grundsätze der Unternehmensführung, Spieltheorien im Wettbewerb, Mikroökonomie, aber vor allem Strategie. „Eines weiß ich jetzt schon: für meine zukünftige Strategiearbeit wird mir das hier enorm helfen“, ist der Vorstandsvorsitzende in spe überzeugt.

Höttges intensives Chef-Training ist die Ausnahme. Allenfalls in Familienunternehmen werden Nachfolger gezielt vorbereitet. „Die meisten neuen Vorstandschefs aber werden von ihrem Unternehmen ins kalte Wasser geworfen“, beobachtet Manager-Coach Wolfgang Walter, Partner der Personalberatung Heidrick & Struggles. Noch nicht einmal jeder dritte Topmanager wird gezielt auf seine neue Rolle vorbereitet. Das ergab eine aktuelle Umfrage der Personalberatung Egon Zehnder International unter 500 Spitzenkräften weltweit. „Dabei ist der Schritt vom Vorstand zum Vorstandschef gewaltig“, betont Walter.

Die Gleichgültigkeit der Unternehmen hat Folgen: Die Mehrheit der Topmanager (57 Prozent) braucht mehr als ein halbes Jahr, um sich in ihre neue Aufgabe einzufinden. Gerade mal jeder fünfte Manager empfand den Wechsel in die Spitzenposition als einfach. Michael Ensser, Deutschlandchef von Egon Zehnder, kann sich darüber nur wundern: „Organisationen können sich heute kein Führungsvakuum leisten. Schließlich müssen Neuzugänge viel schneller als früher Wirkung entfalten.“ Dreiviertel der Manager hätten sich denn auch rückblickend Integrationshilfe vor dem ersten Arbeitstag gewünscht.

Vorbildlich, aber selten: Der Vorgänger lernt seinen Nachfolger selbst an. So geschehen bei RWE-Chef Peter Terium, der sich fast ein Jahr lang als Vize des Energiekonzerns im Schatten von Jürgen Großmann warmlaufen konnte. Kasper Rorsted konnte sich über ein Jahr lang neben Henkel-Chef Ulrich Lehner in der Geschäftsführung auf seine neue Rolle vorbereiten. Die Methode „Chef-Lehrling“ hat sich bewährt, hat aber ihre Tücken. Zum einen müssen beide von ihrer Persönlichkeit her dazu bereit sein – das schafft nicht jedes Alphatier. Zum anderen darf die Übergangsphase nicht zu lange dauern, sonst gelten beide schnell als „lahme Ente“. „Der alte Chef hat nichts mehr, der neue noch nichts zu sagen“, warnt Walter.

Auch Quereinsteiger Roland Koch durfte sich beim Baukonzern Bilfinger vier Monate als „normaler“ Vorstand einarbeiten. Erfahrung in Unternehmen hatte der hessische Ministerpräsident bis dato nur als Aufsichtsrat. Im Juli 2011 übernahm er von Vorgänger Herbert Bodner dann das Zepter. Der Übergang scheint geglückt: Mit guten Zahlen und klarer Führung hat er sich Respekt verschafft. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

„Wer als Vorstandschef von außen kommt, hat es ungleich schwerer“, weiß Wulf Bernotat, früher Chef des Energiekonzerns Eon. Fast jeder dritte neue Unternehmenslenker ist inzwischen ein Externer - Tendenz stark steigend, wie eine Analyse der Beratung Booz & Company unter den 2500 größten börsennotierten Firmen weltweit zeigt. „Der Externe sollte sich wenn möglich vorab ein genaues Bild von den Machtverhältnissen und Erwartungen im Unternehmen und Aufsichtsrat machen“, rät Bernotat. Allein ist das kaum zu leisten. Ein erfahrener Mentor kann helfen, unsichtbare Seilschaften und mögliche Widerstände zu entdecken. Bernotat hat hier eine Marktlücke gefunden. Für seine Mentorenfirma Bernotat & Cie. sind inzwischen 18 hochkarätige Manager aktiv. Im Unternehmen gebe es häufig Widersacher, die nicht unbedingt am Erfolg des neuen Chefs interessiert seien, weiß Bernotat. „Wer zu blauäugig herangeht, tappt schnell in die Falle.“ Ex-Manager als Mentoren für Chefs sind hierzulande selten - anders als im angelsächsischen Raum. „Aber eigentlich sollte jede Firma ein hohes Interesse an einem glatten Start des Neuen haben“, meint Bernotat.

So manches Unternehmen schickt den Chef in spe zum Nachsitzen an die Uni. Wie Stanford bieten diverse Business Schools mehrwöchige Seminare für künftige CEOs an. Die sind exklusiv und teuer. Das sechswöchige „Stanford Executive Program“ etwa, das seit 1952 besteht, kostet rund 45 000 Euro. Immerhin: Kost und Logis, Materialien und ein iPad sind im Preis inbegriffen, wirbt Stanford auf der Homepage. Auch in der Mensa müssen die Chef-Studenten nicht darben: Das Essen bereitet ein Sternekoch zu. Außerdem lockt die lebenslange Mitgliedschaft im Alumni Club von Stanford - als Türöffner für Geschäft und Karriere unbezahlbar.

Auch an europäischen Eliteschmieden holen sich künftige Chefs den letzten Schliff. Das "Breakthrough Program for Senior Executives" der renommierten IMD im schweizerischen Lausanne etwa veranstaltet 13-tägige Kurse am Genfer See. Preis: rund 21 000 Euro, Unterkunft kostet extra. Der Kurs richtet sich an Führungskräfte, die bereit sind, „scheinbar unverrückbare Grenzen zu überwinden“. Mit rund 2000 Euro relativ günstiger ist das zweitägige „CEO Seminar“ der Schweizer Business School ZfU – gedacht für Chefs, die „eine Standortbestimmung vornehmen wollen und neue Impulse suchen“. Wem die Kurse der arrivierten Business Schools zu akademisch sind, findet im Internet diverse Kurse selbst ernannter Chef-Gurus. Handfest geht es etwa im „CEO Boot Camp“ in den USA zu. Veranstalter Bert Norton, der selbst mehrere Start-ups gegründet hat, rühmt sich, die besten Ideen aus über 1000 Management-Bestsellern gefiltert zu haben. Er will vor allem Manager kleinerer Firmen auf ihre Chefrolle einschwören.

Netzwerk- und Imagepflege ist für künftige Firmenlenker oberste Pflicht. „Durch zusätzliches Fachwissen oder neue Managementtheorien dagegen ist noch keiner zum besseren Unternehmenslenker geworden“, betont Walter. Managernetzwerke, Mentoren oder Coaches können wichtige Starthilfe leisten. Hier bekommen Manager offenes und kritisches Feedback – denn an der Spitze ist es oft sehr einsam. Allerdings: „Manager zahlen selbstverständlich für ihren Fitnesstrainer, aber in einen Coach für ihre berufliche Fitness investieren die wenigsten“, wundert sich Walter von Heidrick. Der physische und psychische Einsatz, den ein CEO leisten müsse, werde meist unterschätzt. Unternehmenslenker müssten zu allererst lernen, mit ihrer körperlichen und mentalen Energie Haus zu halten, betont Walter. „So etwas lernt man nicht in Harvard.“ (HB)

Katrin Terpitz

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