zum Hauptinhalt
Die sechs größten Fleischunternehmen haben die Selbstverpflichtung für bessere Arbeitsbedingungen in der Branche unterzeichnet.

© dpa

Fleischindustrie: Fleischkonzerne wollen Arbeiter besser behandeln

Die sechs größten Fleischkonzerne wollen die Beschäftigungsbedingungen für Arbeiter verbessern. Der Gewerkschaft geht der Vorstoß nicht weit genug.

Arbeiter in der Fleischindustrie können auf bessere Beschäftigungsbedingungen hoffen: Die sechs größten Konzerne der Branche wollen bis Juli 2016 alle Jobs in Schlachthöfen und Fabriken auf deutsches Arbeitsrecht umstellen. Das ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sowie der Fleisch-Konzerne Danish Crown, Tönnies, Vion, Heidemark, Westfleisch und Lohmann. Die Unternehmen haben dazu eine Selbstverpflichtung unterzeichnet, wie das Wirtschaftsministerium am Montag mitteilte.

Die Fleischwirtschaft ist die umsatzstärkste Branche der Lebensmittelindustrie

Die Fleischwirtschaft ist die umsatzstärkste und beschäftigungsintensivste Branche der deutschen Lebensmittelindustrie. Und eine der umstrittensten. Die Arbeiter in den Schlachthöfen werden nämlich häufig über Subunternehmer aus Ost- und Südeuropa angestellt, die ihre Angestellten dann per Werkvertrag in die Schlachthöfe entsenden. Für die Konzerne ist das billiger, da sie nicht an Tarifverträge gebunden sind. Den Schaden haben die Beschäftigten. Die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen wurden in der Vergangenheit oft heftig kritisiert: 70-Stunden Wochen, keine Pausen, ausbleibender Lohn. Arbeiter schliefen in Kasernen oder im Wald, ohne festes Dach über dem Kopf. Diese Beschäftigungsbedingungen seien „für Deutschland unwürdig“, so Gabriel am Montag. Das soll sich nun ändern.

Die Konzern wollen ihre Mitarbeiter besser absichern

Mit der Unterzeichnung der Selbstverpflichtung versprechen die Konzerne, ihre Strukturen so umstellen, „dass sich sämtliche in ihren Betrieben eingesetzte Beschäftigte in einem in Deutschland gemeldeten, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befinden“. Dies bedeute „eine deutlich bessere Absicherung von Risiken wie Krankheiten oder Arbeitslosengeld und biete die Möglichkeit, Rentenansprüche aufzubauen“, sagte Gabriel. Zudem soll konsequent deutsches Arbeitsrecht angewendet werden, „insbesondere auch die Vorschriften zur Arbeitszeit, Kündigungsschutz und Entgeltfortzahlung“.

Auch die Stammbelegschaft in den Betrieben soll größer werden

Die Konzerne verpflichten sich außerdem dazu, ihre Stammbelegschaft zu erhöhen, eine feste Quote wurde jedoch nicht festgelegt. Die Fortschritte der vereinbarten Ziele sollen anhand eines jährlichen Branchenberichts dokumentiert und kontrolliert werden. Ein kompletter Verzicht auf Werkverträge sei aber nicht möglich, da es sich um eine „arbeitsteilige Industrie“ handele, heißt es im Wirtschaftsministerium. Betriebsräte sollen in Zukunft jedoch über den Einsatz von Werkverträgen informiert werden.

In Deutschland sind zum Teil nur bis zu 25 Prozent der Arbeiter direkt in den Betrieben beschäftigt

Werkvertragsbeschäftigung dürfe nicht das Modell der Wirtschaft in Deutschland sein, sagte Olaf Lies (SPD), Wirtschaftsminister in Niedersachsen. In Deutschland seien zum Teil nur 20 bis 25 Prozent der Arbeiter in der Fleischwirtschaft direkt in den Unternehmen beschäftigt, kritisierte er. Lies forderte, dass sich in drei Jahren mindestens 80 Prozent der Beschäftigten in klaren sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im Unternehmen selbst befinden sollten. „Wir sind noch nicht am Ziel“, so Lies.

Die Gewerkschaft NGG fordert von der Politik weitere Schritte

Claus-Harald Güster, Vizechef der Gewerkschaft NGG, stimmt dem zu. Zwar lobt er den Beschluss als einen „Schritt in die richtige Richtung“, doch fordert er vom Gesetzgeber weitere Maßnahmen: „Wir wollen mehr als den Mindestlohn, wie wollen in der Branche Tarifverträge abschließen.“ Werkverträge dürften nicht das Kerngeschäft ausmachen. Auch dem Deutschen Gewerkschaftsbund geht die Selbstverpflichtung nicht weit genug. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte ein Gesetz für faire Werkverträge. Es sei höchste Zeit, echte Werkverträge klar abzugrenzen gegen falsche. Diese spalteten zum Beispiel Arbeitsprozesse in willkürlich zugeschnittene Kleinst-Gewerke auf, „die sich im Gestrüpp von Subunternehmer-Ketten verlieren“.

Ministerin Nahles will Werkverträge stärker regulieren

Gabriel betonte, die Selbstverpflichtung sei kein Ersatz für gesetzgeberische Tätigkeiten, sondern lediglich eine Ergänzung. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf zur stärkeren Regulierung von Werkverträgen. Im Oktober soll er vorliegen. Für ihren Parteifreund Gabriel sind bereits die Verhandlungen mit der Fleischwirtschaft ein „Riesenfortschritt“. Es müssten jedoch weitere Schritte folgen. Aufgrund des harten Wettbewerbsdrucks sei es erforderlich, Wettbewerbsbedingungen zu verbessern und Exportinitiativen zu verstärken.

"Wir als Marktführer sehen uns in der Verantwortung, Arbeitsbedingungen zu verbessern", sagte Clemens Tönnies als Stellvertreter der Fleischindustrie. Gefordert sei jedoch die gesamte Branche. Der internationale Wettbewerb erfordere zudem eine gesamteuropäische Lösung, betonte Tönnies abschließend.

Josefa Raschendorfer

Zur Startseite