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Wirtschaft: Flexible Arbeit verhindert Arbeitslosigkeit

Die wichtigsten Industriezweige setzen Arbeitszeitkonten ein/Produktion fällt deutlich stärker als Beschäftigung

Berlin (alf). Die so genannte atmende Fabrik verhindert gegenwärtig größere Entlassungen in der deutschen Industrie. Wie eine Umfrage des Tagesspiegels bei den größten deutschen Verbänden ergab, sinkt zwar die Produktion. Auf Grund flexibler Arbeitszeiten und dabei insbesondere mit Hilfe von Arbeitszeitkonten kann aber die Beschäftigung annähernd konstant gehalten werden. So sank zum Beispiel die Produktion im Maschinenbau in den ersten sieben Monaten des Jahres um 5,7 Prozent. Gleichzeitig beschäftigen die Maschinenbauer aber mit derzeit rund 890 000 Personen nur ein Prozent weniger als Ende vergangenen Jahres. Ähnlich ist das Bild in der Auto- und in der Elektroindustrie. Bis Juli bauten die Autohersteller knapp drei Millionen Pkw, das waren sechs Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Beschäftigten liegt jedoch seit Jahresanfang konstant bei 760000; nach Angaben des Verbandes der Autoindustrie betrug die Zahl im Juni sogar 763000.

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, hatte kürzlich den Verlust von 200000 Stellen in der gesamten Metall- und Elektroindustrie prognostiziert und dabei folgende Rechnung aufgemacht: Bis Juli fiel die Produktion in der Branche um fünf Prozent. Bei einem Produktivitätszuwachs um drei Prozent könnte die Beschäftigung also um acht Prozent niedriger sein. Da die Betriebe ihre Belegschaften gegenwärtig aber erst um gut zwei Prozent reduziert hätten, seien sechs Prozent der Arbeitnehmer überflüssig, was 200000 Beschäftigte beträfe. Die IG Metall widerspricht der Rechnung und weist darauf hin, dass die Unternehmen Kurzarbeit fahren, Arbeitszeitkonten abbauen und Überstunden reduzieren. Außerdem sei das von Kannegiesser unterstellte Produktivitätswachstum unrealistisch. Wegen der konjunkturellen Schwäche sei die Produktivität in den letzten fünf Monaten vielmehr um mehr als drei Prozent gesunken, hat die Gewerkschaft ermittelt.

Vor allem die schwache Binnenkonjunktur macht den Metallbetrieben zu schaffen. Die aus dem Inland stammenden Aufträge für den Maschinbau lagen in den ersten sieben Monaten um zwölf Prozent unter Vorjahresniveau, aus dem Ausland dagegen nur um ein Prozent. Seit annähernd zehn Jahren stagniert der deutsche Markt für Maschinen. Da rund ein Drittel der Produktion in Deutschland abgesetzt wird – in die USA gehen acht Prozent – kommt die Branche nicht richtig in Schwung. Nach Einschätzung von Olaf Wortmann, Konjunkturexperte beim Verband der Maschinenbauer, belastet der diesjährige Tarifabschluss die Unternehmen. So seien die Lohnstückkosten in der Branche im Jahr 2000 gegenüber dem Vorjahr um 3,9 Prozent gefallen. Im Jahr darauf stiegen sie um 0,9 Prozent und im ersten Halbjahr 2002 um 5,2 Prozent. Trotzdem halten sich die Betriebe noch mit Entlassungen zurück. Und zwar auch dadurch, dass sie die Wertschöpfung erhöhen. Dem VDMA zufolge holen die Unternehmen outgesourcte Tätigkeiten zurück, damit die eigenen Leute beschäftigt werden können.

In der Autoindustrie scheint die Absatzschwäche so langsam überwunden. Der Verband der Autoindustrie spricht von einer „leicht positiven Veränderungsrate“, was den Inlandsabsatz in den vergangenen zwei Monaten anbelangt. Und beim Export zeigten sich bereits seit dem Frühjahr „deutliche Stabilisierungstendenzen“. Der Verband geht davon aus, dass der aktuelle Beschäftigungsstand „stabil gehalten werden kann“.

Das wird der Elektroindustrie nicht gelingen, wie allein schon die Massenentlassungen bei Siemens zeigen. Der Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI) befürchtet bis zum Jahresende den Verlust von weiteren 5000 Arbeitsplätzen auf dann noch 840000. Das wäre der tiefste Stand seit 40 Jahren. Die Produktion der Branche sank im ersten Halbjahr um zehn Prozent. Doch auch hier war der Rückgang der Beschäftigung nicht so groß. Von April 2001 bis Juni 2002 bauten die Elektro-Unternehmen rund 40000 Stellen ab, das waren knapp fünf Prozent. Wie die Maschinenbauer beklagt auch der ZVEI einen „wachsenden Investitionsstau in Deutschland seit Anfang der 90er Jahre“. Das Klima sei weder innvations- noch investitionsfreundlich.

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