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Nervös. Verkauft wurde 2011 von Aktien- über Rentenfonds bis zu Geldmarktpapieren alles. Europaweit trennten sich Anleger von Fondsanteilen für 124,3 Milliarden Euro. Foto: AFP

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Wirtschaft: Flucht aus Fonds

Hohe Gebühren, magere Renditen: Anleger ziehen Milliarden ab.

Schwache Aktienmärkte, Schuldenkrise, Euro-Panik: Vielen Anlegern ist dies zu viel geworden – sie haben Geldanlagen im großem Maßstab aufgelöst. Hinter Europas Fondsindustrie liegt deshalb ein rabenschwarzes Jahr. Allein in Deutschland machten Privatanleger 2011 (bis November, neuere Zahlen liegen noch nicht vor) Fonds im Gegenwert von 13 Milliarden Euro zu Bargeld, wie aus Statistiken des Bundesverbandes Investment und Asset Management (BVI) hervorgeht. Verkauft wurde von Aktien- über Rentenfonds bis zu Geldmarktpapieren alles. Europaweit trennten sich Anleger von Fondsanteilen für 124,3 Milliarden Euro. Kein Anbieter blieb verschont. Während Privatanleger in die Krise hinein prozyklisch verkauften, reagierten die Profis gelassener: Sie steckten von Januar bis November 2011 in Deutschland unter dem Strich 33,3 Milliarden Euro in Fonds.

Schuld an den dramatischen Verschiebungen sei durchaus nicht nur die aktuelle Krise, vermuten die Experten der Fonds-Ratingagentur Morningstar. Immer mehr Anleger verabschiedeten sich auch aus Fonds, weil sie mit dauernd steigenden Kosten bei schwacher Wertentwicklung unzufrieden seien, glaubt Morningstar-Experte Ali Masarwah: „Wenn man seine Ziele systematisch verfehlt, wird man eben abgestraft.“ Je nach Fondsart und Zeitraum schaffen es circa 60 bis 80 oder gar 90 Prozent der Fondsmanager nicht, den Vergleichsindex zu erreichen, geschweige denn zu schlagen.

So kamen zwar die besten Aktienfonds für deutsche Aktien – etwa der DWS Deutschland oder der Hansasecur – seit Januar 2002 auf ein Plus von knapp über sechs Prozent pro Jahr. Der Dax legte in den vergangenen zehn Jahren um 30 Prozent, der M-Dax sogar um gut 120 Prozent zu. Dass deswegen immer mehr Anleger auf passive, rein indexorientierte Fonds blicken und sich Exchange Traded Funds (ETF) in ihre Depots holen, hält Masarwah für sehr sinnvoll. Problematisch bleibe jedoch, dass meist nur gut informierte Anleger ETF kaufen, weil Banken sie in den Beratungsgesprächen nicht bewerben. Der Grund: Es fließen wegen der extrem niedrigen Gebühren keinerlei Provisionen. So zwackt ein aktiv arbeitender Fondsmanager beispielsweise 1,8 Prozent vom Fondsvermögen als Verwaltungsgebühr pro Jahr ab, bisweilen kommt noch eine Management-Gebühr hinzu. Wer 10 000 Euro für zehn Jahre anlegt, muss neben dem Ausgabeaufschlag von meist 2,5 bis fünf Prozent eben binnen zehn Jahren 1800 Euro Gebühren zahlen – Kosten, die erst erwirtschaftet werden müssen. Bei einem normalen Dax-ETF hingegen fallen 0,12 bis 0,2 Prozent Gebühren pro Jahr an, also 120 bis 200 Euro in einer Dekade.

Das hat 2011 nicht wenige Anleger überzeugt: Während Fonds insgesamt dramatisch Vertrauen verspielten, zogen ETF Gelder an sich. Gefragt waren europaweit vor allem passive Papiere auf den Dax. Der Dax-ETF von Marktführer I-shares, einer Tochter des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, zog netto Gelder in Höhe von acht Milliarden Euro an. Die 2011 aus Fonds abgezogenen Milliardensummen, prognostiziert Masarwah, würden „nicht unbedingt rasch wieder in Fonds zurückfließen“. Die Staatsschuldenkrise dauere an, die Gelder aus den Fonds-Verkäufen seien vermutlich vor allem in Bankeinlagen, Gold und Immobilien geflossen.

Dass die deutschen Anleger womöglich aber gar nicht so sicherheitsorientiert sind, sondern mit dem Verkauf von Rentenfonds vernünftig reagiert haben, zeigte sich an unvermuteter Stelle. Während die indirekte Anlage in Investmentfonds litt, stieg die Zahl der direkten Anleger beträchtlich, hat das Aktieninstitut (DAI) ermittelt: 683 000 Menschen wurden 2011 zu Aktionären, womit ihre Zahl wieder auf 4,1 Millionen kletterte – ein Fünfjahreshoch. Dagegen sank die Zahl der Anleger, die ausschließlich in Aktienfonds investieren, weiter: 2001 noch bei 7,2 Millionen, waren es Ende 2011 nur noch 4,6 Millionen.

Von einer Trendwende bei der Aktienkultur will das DAI aber noch nicht sprechen. „Deutschland hat immer noch unter allen industrialisierten Ländern weltweit die niedrigste Aktionärsquote“, weiß DAI-Experte Gerrit Fey. Während hierzulande 13,4 Prozent der Bevölkerung Aktien oder Aktienfonds besitzen, sind es in Japan gut 27 Prozent, in den Niederlanden 30 und in den USA mehr als 25 Prozent. Grund für die geringe Aktionärsquote sei auch die geringe Förderung der Aktienkultur. Es gebe kaum ein Land, „das Kursgewinne und Dividenden bei sehr geringen Freibeträgen so stark besteuert wie Deutschland“, kritisiert Fey. So haben fast alle Länder in Europa entweder deutlich höhere Freibeträge oder sie senken die Steuerlast mit zunehmender Haltedauer der Papiere, um langfristiges Sparen für die Altersvorsorge zu fördern.

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