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Feldbettenlager. Im Horst-Korber-Zentrum gibt es eine Halle für junge Männer und eine Halle für Frauen und Familien, die nach Deutschland geflohen sind. Foto: AFP

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Flüchtlinge in Deutschland: Wie Sozialunternehmer helfen

Ihre Motivation ist es, den Benachteiligten der Gesellschaft zu helfen. Wie Sozialunternehmer überlegen, Flüchtlinge zu unterstützen.

Die drei jungen Syrer rattern mit ihren Bobbycars über das Kopfsteinpflaster. Schieben die Plastikautos den Weg hoch, lachen, fahren wieder runter. Es ist warm in der Novembersonne, auf dem Boden raschelt gelbes Laub. Friedrich Kiesinger schaut den Kindern zu. Vielleicht ist das heute der letzte schöne Herbsttag. Den sollen sie genießen. Bald wird es so kalt sein, dass sie nur noch unten in der Halle spielen können.

Als Geschäftsführer der Albatros GmbH betreibt Friedrich Kiesinger seit zwei Monaten eine Notunterkunft für Flüchtlinge und betreut sie. Seitdem übernachten im Horst-Korber-Sportzentrum und in der Rudolf-Harbig-Halle am Olympiapark bis zu 1 000 geflohene Menschen auf Feldbetten. „Sie wollen aber nicht nur einen Schlafplatz haben und Geld bekommen“, sagt er. „Sie wollen arbeiten und ein normales Leben führen.“ Friedrich Kiesinger ist Sozialunternehmer, und überlegt, wie er den Flüchtlingen dabei helfen kann.

"Der Staat ist viel zu langsam"

Soziale Unternehmen generieren wie herkömmliche Unternehmen Gewinne, aber kümmern sich vor allem um die Benachteiligten der Gesellschaft. Oft wird die Idee auf den Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus zurückgeführt, der in dieser Woche den siebten Global Social Business Summit veranstaltet hat. Hier in Berlin, im ehemaligen Flughafen Tempelhof. Hangar 7. Nur wenige Meter von Hangar 1 und 3 entfernt, wo mehr als tausend Flüchtlinge untergebracht sind. Vier Doppelstockbetten stehen jeweils beieinander. Dicht an dicht, abgetrennt mit Stellwänden. Bis Ende der Woche soll auch Hangar 4 folgen.

Einer, der an dem Summit teilgenommen hat, ist Friedrich Kiesinger. Er steht vorne am Rednerpult, die Kleidung schwarz, die Haare lang und weiß. „Wir brauchen innovative Ideen“, sagt er. „Der Staat ist viel zu langsam.“ Seit 30 Jahren ist der Psychologe als Sozialunternehmer tätig, hat die gemeinnützige Albatros GmbH und die Pegasus GmbH gegründet. Dort hilft er psychisch kranken und behinderten Menschen, einen Ausbildungsplatz oder einen Job zu bekommen.

Warum impfen? Wieso diese Bürokratie?

„Das hier ist Amjad“, sagt Kiesinger. „Ein syrischer Zahnarzt.“ Er kann in Deutschland noch nicht praktizieren, aber er hilft einer Reha-Pädagogin bei ihrer Arbeit in Flüchtlingsheimen. Als Übersetzer. „Integration funktioniert am besten über Arbeit“, sagt Kiesinger. Deswegen fragt er die Menschen, die zu ihm kommen: Was hast du in deiner Heimat gemacht?

Weil Flüchtlinge erst nach Monaten die Möglichkeit haben, in Deutschland zu arbeiten, versucht Kiesinger, sie zunächst als ehrenamtliche Helfer einzubinden. Manch einer hilft mittags in der Küche, ein anderer räumt draußen mit auf oder hört sich die Ängste der anderen an. Zudem finanziert Pegasus das Modellprojekt InfoCompass, eine Plattform für Flüchtlinge: Warum impfen? Wieso diese Bürokratie? Videos in verschiedenen Sprachen klären auf. „Denn fast jeder, der kommt“, sagt Kiesinger, „hat ein Smartphone.“

Bei den Überlegungen gibt es ein Problem

Anke Domscheit-Berg hat deswegen vor zwei Wochen einen Hackathon in Berlin organisiert. 18 Projekte sind an dem Wochenende entstanden. Zum Beispiel entwickelten die Teilnehmer die Wohnbörse Home4Refugees. Mithilfe einer anderen Internetseite sollen Dolmetscher vermittelt werden. Um Formulare zu verstehen. Oder den Arzt. Die Seite bedarfsplaner.org organisiert demnächst die Freiwilligenarbeit, schaut, in welchen Unterkünften es von welchen Sachspenden zu viel und von welchen zu wenig gibt. Wo was wirklich gebraucht wird. Um die Übersicht zu behalten und nicht lauter ähnliche Angebote zu schaffen, die sich gegenseitig Konkurrenz machen, hat eine Gruppe darüber hinaus das Projekt „The Brain“ gestartet. Eine Datenbank, die sämtliche Angebote für Flüchtlinge auflisten und bündeln soll.

Nur, sagt Anke Domscheit-Berg, gibt es bei den Überlegungen ein Problem. Vor dem Hackerwochenende hätten sie Flüchtlinge und Helfer gefragt, was momentan ihre größten Sorgen seien. Da wird der Wunsch formuliert, zu arbeiten. Deutsch zu lernen. Die Unternehmensberaterin und ehemalige Piraten-Politikerin aus Brandenburg sagt aber auch: „In fast keiner Unterkunft gibt es freies W-Lan.“ Ohne einen Internetzugang würden sämtliche Ideen aber nicht bei jenen ankommen, die sie so dringend brauchen.

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