zum Hauptinhalt
Im dichtbesiedelten Europa werden quasi nie neue Flughäfen gebaut.

© dpa

Flughafenbau: Geschenk des Himmels

Die Politik wirbt gerne mit den enormen wirtschaftlichen Impulsen, die von einem Flughafen ausgehen – beginnend beim Bau: Doch so einfach ist das nicht.

Im nordwestfranzösischen Nantes sagt man, ein ehemaliger Minister habe in Paris den Beschluss zum Neubau eines Flughafens durchgedrückt. Er habe seiner Heimatstadt „etwas Gutes“ tun wollen. Eine äußert hartnäckige Bürgerbewegung lehnt dieses Geschenk ab und setzt alles daran, den für kommendes Jahr geplanten Baustart zu verhindern – womöglich mit Erfolg.

In Portugals Hauptstadt Lissabon legte die Regierung den Bau ihres neuen Hauptstadtflughafens wegen der Schuldenkrise auf Eis. Die Regierung in Warschau wiederum würde angesichts eines neuen Wohlstandes in Polen und stetig steigender Passagierzahlen gern einen neuen Flughafen in der Mitte des Landes bauen, sucht aber noch dringend private Geldgeber.

Bleibt noch Berlin als vierte von europaweit nur vier Städten, in denen man sich derzeit mit einem Flughafenneubau „beschäftigt“, um es neutral zu sagen. Auch hier ist der Ausgang noch offen.

Es scheint normal, dass so ein gewaltiges Projekt die jeweils lokale Bevölkerung spaltet. Die Politik, die auch langfristige Entwicklungen im Blick haben soll, wirbt dann gern mit den enormen wirtschaftlichen Impulsen, die von so einem Flughafen ausgehen – beginnend beim Bau: Beim BER (einst BBI genannt) seien zwei Drittel des Auftragsvolumens, insgesamt knapp 1,44 Milliarden Euro, an Bauunternehmen in der Region Berlin/Brandenburg vergeben worden, hieß es in der bis heute aktuellsten Wirtschaftlichkeitsstudie von Mai 2009.

„In den folgenden Jahren ist weiterhin zu erwarten, dass der Luftverkehr in Berlin und die Großbaustelle BBI eine tragende Rolle für die Wirtschaft und die Bevölkerung in der Region Berlin/Brandenburg spielen werden“, hieß es in dem Bericht.

Nach Fertigstellung solle der Airport statistisch insgesamt 73 000 neue Jobs mit einem Gesamtjahreseinkommen von 2,3 Milliarden Euro schaffen – auch in Hotels, Gaststätten, neu angesiedelten Firmen. Auf diesen Jobsegen, der über BER in die Region einschweben soll, müssen die Menschen in Berlin und Brandenburg noch lange warten.

Sofern er überhaupt jemals kommt. Denn Erfahrungen mit Neubauten und ihren ökonomischen Auswirkungen gibt es in Europa kaum. Anders als in China, wo zwischen den Jahren 2000 bis 2020 insgesamt 78 neue Großflughäfen gebaut wurden und werden, wurde in Europa zuletzt im Jahre 2001 ein großer Flughafenneubau fertiggestellt. Das war ausgerechnet im heute verarmten Athen – und übrigens vom Baukonzern Hochtief, den man in Berlin vor die Tür setzte. Seither hat sich aber viel getan.

Wie Betreiber mit Flughäfen Geld verdienen

Airports sind heute im Prinzip Shoppingcenter mit angeschlossenem Flugbetrieb: Gut 300 größere zivile Flughäfen gibt es in der EU, gut 400 sind es, wenn man die in den Nachbarstaaten wie Schweiz, Türkei oder Ukraine mitzählt. Sie erwirtschaften im Schnitt mittlerweile fast die Hälfte ihrer Umsätze mit Waren und Dienstleistungen, die nichts direkt mit dem eigentlichen Flugbetrieb zu tun haben, errechnete der europäische Flughafenverband ACI: Boutiquen, Burgerketten und Autovermieter zahlen viel Geld, um an Flughäfen präsent zu sein, wo Kunden kaum weglaufen können.

Angeblich ist bisher noch kein Geschäftinhaber, der am BER eine Ladenfläche gebucht hatte, wegen der wiederholten Verschiebung abgesprungen. Offenbar vertrauen Einzelhändler weiter darauf, dass das Modell auch in Berlin funktioniert – obwohl es hier deutlich weniger kaufkräftige Einwohner und Touristen gibt als in Frankfurt, London oder Paris.

Der Umstand, dass im dichtbesiedelten Europa quasi nie neue Flughäfen gebaut werden, hat auch Vorteile. Denn seit Beginn der Liberalisierung des Luftverkehrs Mitte der 1990er Jahre konnten viele Häfen die Zahl der bei ihnen durchgeschleusten Passagiere und das Volumen der verladenen Fracht verdoppeln oder verdreifachen.

Die Berliner Flughäfen haben ihre Passagierzahl in nur zehn Jahren seit 2002 von gut zwölf auf nun über 25 Millionen im Jahr mehr als verdoppelt. Wobei mit Tempelhof sogar 2008 ein allerdings kleiner Flughafen geschlossen wurde.

Für Passagiere bedeutet das nicht nur in Berlin: mehr Flugausfälle und Warteschlangen. Für die Eigentümer und Geschäftspartner an Flughäfen bedeutet dies mehr Umsatz bei gleicher Infrastruktur. Erst bei hoher Auslastung arbeiten Airports profitabel. Hier kommt wieder der Staat ins Spiel: Fast vier von fünf Flughäfen in Europa befinden sich zu 100 Prozent in öffentlicher Hand. Im besten Fall können Staaten, Städte und Kommunen so nicht nur über Steuern, sondern direkt als Eigentümer im Luftfahrtgeschäft Geld verdienen.

Damit die Rechnung aufgeht, müssen Bauherren aber viel Geduld aufbringen und offenbar klotzen, nicht kleckern. So arbeitet der börsennotierte und halbstaatliche Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport heute hochprofitabel. Er beförderte allein in Frankfurt am Main 2011 mehr als 56 Millionen Passagiere und setzte als Dienstleister weltweit mehr als zwei Milliarden Euro um. Dagegen schrieben zuletzt alle 16 Regionalflughäfen hierzulande rote Zahlen: Nicht nur in Berlin, auch in Rostock, Lübeck, Kassel-Calden oder Nürnberg wird das Geschäft mit dem Himmel für die Politik zur Hölle.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false