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Flugreisen: Im luftleeren Raum

Flugreisende, die ihre Rechte einfordern, blitzen bei den Gesellschaften oft ab, sagen Verbraucherschützer. Die Airlines kontern mit einer EU-Umfrage.

Berlin - Thorsten Feuerstein erfuhr erst am Flughafen in Madrid, dass Easyjet seinen Rückflug nach Berlin gestrichen hatte. „Ich hätte drei Tage später mit der nächsten Easyjet-Maschine zurückfliegen können“, erinnert sich Feuerstein. Als Alternative habe ihm die Fluggesellschaft angeboten, auf eigene Faust bei einer anderen Airline zu buchen und die Kosten zu übernehmen. Das hat Feuerstein getan. Fünf Monate ist das jetzt her. „Auf mein Geld warte ich noch heute“, ärgert er sich.

Das ist kein Einzelfall, sagen Verbraucherschützer. Am Montag präsentierten sie im Berliner Technikmuseum die Ergebnisse einer Onlineumfrage unter Flugreisenden. „Das Ergebnis ist erschreckend“, fasst der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) die Antworten zusammen: Über 80 Prozent der Teilnehmer seien erst am Flughafen darüber informiert worden, dass die Maschine verspätet oder gar nicht startet. Ansprüche der Kunden auf Betreuuungsleistungen oder Ausgleichszahlungen (siehe Kasten) seien weitgehend ignoriert worden. Nur jedem vierten Passagier seien Entschädigungen angeboten worden – und das auch meist nur auf Nachfrage. Obwohl sie dazu rechtlich verpflichtet sind, hätten die Airlines die Fluggäste nicht über ihre Rechte informiert. Auch Beschwerden würden nur zögerlich bearbeitet. In jedem fünften Fall hätten die Reisenden keine Antwort erhalten.

1122 Verbraucher hatten sich an der Umfrage im Internet beteiligt, sie ist allerdings nicht repräsentativ, da vor allem Geschädigte daran teilgenommen haben dürften. Dennoch fühlen sich die Verbraucherschützer bestätigt. „40 Prozent der Fälle in unserer Reiserechtsberatung drehen sich um Fluggastrechte“, sagte Jürgen Keßler, Chef der Verbraucherzentrale (VZ) Berlin. Mit „Taschenspielertricks“ und einer „Verweigerungshaltung“ würden die Fluggesellschaften versuchen, die Kunden um ihr Recht zu bringen. So würden die Airlines – entgegen einschlägigen Urteilen – behaupten, für technische Probleme nicht zu haften. Auch Beschwerden gingen ins Leere. „Erst wenn die Kunden klagen, sind die Fluggesellschaften plötzlich bereit, sich auf einen Vergleich einzulassen“, kritisiert Jurist Keßler. „Damit wollen sie vermeiden, dass es rechtskräftige Urteile zu ihren Lasten gibt.“ Glaubt man der Online-Umfrage, sind nahezu alle Fluggesellschaften betroffen. In Berlin würden sich die meisten Kunden über Easyjet oder Air Berlin beschweren, berichtet Eva Klaar, Reiserechtsexpertin der VZ. Allerdings hänge das auch mit der hohen Flugfrequenz der Gesellschaften in Berlin zusammen.

Air Berlin, Easyjet und Lufthansa wollten sich zu den Ergebnissen der Umfrage nicht äußern und verwiesen auf den Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften, der am Montag Ergebnisse eines EU-Verbraucherbarometers veröffentlichte. Unter 50 Wirtschaftssektoren belegt der Luftverkehr danach Platz 15. Bei der Frage, ob die Branchen ihre Verbraucherschutzvorschriften beachten, kommen die Airlines der EU-Umfrage zufolge auf einer „Vertrauensskala“ von null bis zehn auf 7,0 und landen damit im vorderen Drittel.

Holger Krawinkel vom VZBV beeindruckt das nicht. Der Verbraucherschützer hat Zweifel an der Verbraucherfreundlichkeit der Fluggesellschaften. Er fordert eine Schlichtungsstelle, die Probleme zwischen Airlines und Kunden lösen soll. Für den Schienenverkehr gibt es eine solche Einrichtung bereits, Flugreisende müssen bislang klagen, wenn sie bei der Airline abblitzen. Das könnte sich bald ändern. „Unsere Gespräche mit den Fluggesellschaften verlaufen konstruktiv", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Montag dem Tagesspiegel. Das Ministerium versucht, die Airlines zu einer freiwilligen Beteiligung an der Schlichtungsstelle zu bewegen. Fluggesellschaften, die sich weigern, will Leutheusser-Schnarrenberger jedoch zur Teilnahme zwingen. „Wir werden die Schlichtung gesetzlich verankern“, sagte die Ministerin. „Unternehmen, die sich nicht auf freiwilliger Basis beteiligen wollen, sind damit auch in der Verantwortung.“

Die Grünen plädieren für eine Verfahrensänderung. Airlines müssten die Verbraucher bei Annullierungen oder großen Verspätungen unverzüglich entschädigen, fordert der tourismuspolitische Sprecher Markus Tressel. Liege ein außerordentlicher Umstand vor, müsse die Airline das nachweisen.

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