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Flugzeugrümpfe stehen am 29.05.2015 in Hamburg am Werksgelände von Airbus auf einer Schiffsladefläche. Airbus verschifft die ersten Flugzeug-Großbauteile für die Endmontagelinie der A320-Familie nach Mobile in den USA.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Flugzeugfertigung: Airbus lagert Produktion ins Ausland aus

Der Flugzeugbauer Airbus setzt auf Endmontage in Übersee: Erst in China – und ab jetzt auch in den USA.

Es herrschen schwülheiße 35 Grad im Schatten an diesem Tag in Alabama, ganz tief im Süden der USA. Und Mister Sandy Stimpson spricht vom Weihnachtsmann. Der Bürgermeister der kleinen Industriestadt Mobile am Golf von Mexiko erwartet die feierliche Ankunft der ersten Bauteile des Flugzeugherstellers Airbus an dessen neuer Fabrik, die einer der wichtigsten Arbeitgeber der sonst eher strukturschwachen Region werden soll. „Santa Claus war hier und hat uns ein Flugzeug dagelassen“, freut sich Stimpson.

Airbus ist eines der wichtigsten Industrieunternehmen Europas. Doch es leidet unter Fernweh. Der Flugzeugbauer setzt verstärkt auf die Endfertigung im nichteuropäischen Ausland. So beginnt dieser Tage in den USA, dem Heimatland des ärgsten Konkurrenten Boeing, die Montage des Mittelstreckenjets A320. Zudem hat Airbus mit seinen chinesischen Partnern vereinbart, die Produktionslinie für die A320-Familie in Tianjin um eine Fertigungsstraße für den Großraumjet A330 zu erweitern.

Boeing bleibt made in USA, Airbus lässt global montieren

Damit gehen die Europäer genau den umgekehrten Weg wie die Amerikaner: Boeing lässt zwar Teile seiner Flugzeuge im Ausland fertigen, käme jedoch nie auf die Idee, diese außerhalb der Vereinigten Staaten zusammenbauen zu lassen. So bleiben Boeings Flugzeuge letztendlich „made in USA“, was als Gütesiegel gilt. Airbus hingegen vergibt die prestigeträchtige Endmontage zunehmend ins Ausland. Dort lässt es die Maschinen von lokalen Fachkräften, die teils in Europa geschult worden sind, zusammenbauen. Airbus verspricht sich davon Wettbewerbsvorteile in den größten Wachstumsmärkten, also China mit seiner rasant zunehmenden Zahl an Flugreisenden und eben Nordamerika, wo es einen großen Bedarf zur Erneuerung veralteter Flugzeugflotten gibt.

Derzeit stehen bei Airbus 2300 Flugzeuge für asiatische Airlines und 674 Maschinen für nordamerikanische Kunden in den Auftragsbüchern. Auf rund 5300 Jets wird allein der Bedarf in China innerhalb der nächsten 20 Jahre geschätzt.

Arbeitsplätze in Deutschland gehen durch die Übersee-Produktion nicht verloren, beteuert man bei Airbus. Es handele sich um keine Verlegung, sondern um eine Ergänzung der Produktion. Tatsächlich wird auch an dem wichtigen heimischen Standort in Hamburg die A320-Fertigung wegen der großen Nachfrage hochgefahren. Außerdem werden alle Bauteile der Flugzeuge aus den Fertigungsstandorten in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien in der Hansestadt gebündelt – und von dort nach China oder in die USA verschifft.

Hamburger in den Vereinigten Staaten

In der Kreisstadt Mobile, Alabama, wo sich Bürgermeister Stimpson so über Airbus’ „Weihnachtsgeschenk“ für seinen Standort freut, setzte man bisher auf den Schiffbau: Austal, Horizon und BAE Systems geben Arbeit. Beim Versuch, sich auch als Flugzeugwerftstandort zu etablieren, sind die Südstaatler gleich zwei Mal von Airbus’ US-Konkurrenten Boeing tief enttäuscht worden. 2003 war Mobile Finalist für den Produktionsstandort der Baureihe 787 („Dreamliner“), doch dann erhielt angesichts milliardenhoher Vergünstigungen des Bundesstaates Washington in Nordwesten der Stammsitz bei Seattle den Zuschlag. Acht Jahre später schien EADS (heute Airbus-Gruppe) den Zuschlag für neue Tankflugzeuge der US Air Force bereits in der Tasche zu haben. Sie sollten auf Basis des Airbus A330 in Mobile gebaut werden, aber auch hier ging der Auftrag der Airforce am Ende doch an Boeing.

Tausende haben sich auf die Airbus-Jobs beworben

Flugzeugrümpfe stehen am 29.05.2015 in Hamburg am Werksgelände von Airbus auf einer Schiffsladefläche. Airbus verschifft die ersten Flugzeug-Großbauteile für die Endmontagelinie der A320-Familie nach Mobile in den USA.
Flugzeugrümpfe stehen am 29.05.2015 in Hamburg am Werksgelände von Airbus auf einer Schiffsladefläche. Airbus verschifft die ersten Flugzeug-Großbauteile für die Endmontagelinie der A320-Familie nach Mobile in den USA.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Doch nun werden in Mobile wirklich Airbus-Jets montiert: Insgesamt 600 Millionen Dollar (gut 540 Millionen Euro) investieren die Europäer in den Neubau des Werkes im Brookley Aeroplex, den örtlichen Luftfahrt-Industriepark. An motivierten Arbeitskräften mangelt es nicht. Tausende haben sich für einen Job bei Airbus beworben. Gut 200 Mitarbeiter, die überwiegend aus der Region stammen, sind bereits eingestellt, die Hälfte davon wird noch in Hamburg geschult. Vor einigen Tagen sind Rumpfteile, Tragflächen und Leitwerke für den ersten A321 nach dreiwöchiger Schiffsreise in einem Festzug vom Hafen zum Flugplatz gerollt worden, begleitet von Karnevalswagen und einer Jazzband, vorbei an Fähnchen schwenkenden Einwohnern, die sich – passend zur freudig erwarteten Fracht – mit „Hamburgern“ stärkten.

Acht Jets im Monat, 96 im Jahr

16 fertig montierte Flugzeuge sollen die Fabrik innerhalb des kommenden Jahres verlassen, sagt Werksleiter Ulrich Weber. Bis zum Jahr 2018, wenn die Abläufe eingespielt sind, soll die Produktion auf 46 Maschinen pro Jahr hochgefahren, sein. Dann dürfte Airbus in Alabama 1000 Mitarbeiter beschäftigen. Theoretisch reicht die Kapazität für bis zu acht Jets im Monat, 96 im Jahr. Und auf jeden Job bei Airbus kommen drei bis vier weitere bei Dienstleistern und Zulieferfirmen, erwartet Mobiles Bürgermeister Sandy Stimpson.

Airbus entfaltet – genau wie in dem anderen Überseewerk im nordostchinesischen Tianjin – eine Sogwirkung. So baut die irische Firma MAAS in Mobile zwei Flugzeug-Lackierhallen, je eine für Airbus und eine für Drittkunden. Auf dem Pariser Aero-Salon konnte ein vom Bürgermeister geführtes „Team Mobile“ kürzlich gleich zwei weitere Unternehmen gewinnen: Hutchinson Aerospace, ein Hersteller von Isoliermaterialien für Flugzeugkabinen aus Deutschland und Messier-Bugatti-Dowty, ein Produzent von Fahrgestellen und Bremsen im französischen Safran-Konzern, werden ebenfalls Niederlassungen in der US-Kreisstadt eröffnen. Und gerade kündigte mit der Engineering-Firma AAA Aerospace USA ein weiterer Airbus-Partner die Gründung einer Dependance an.

Mit gut 130 Millionen Dollar fördern Stadt, Landkreis und Bundesstaat die Airbus-Ansiedlung, unterstützen unter anderem die Rekrutierung und Qualifizierung von Arbeitskräften. Dazu kommt noch der Bau von Infrastrukturen wie der Zufahrtsstraße. Das hält man für einen relativ kleinen Betrag im Vergleich zu den 900 Millionen, die man sich vor Jahren die Ansiedlung eines Stahlwerkes von Thyssen-Krupp kosten ließ (das mittlerweile weiterverkauft wurde und schrumpfen musste). Dass Boeing im gegenseitigen Dauerstreit um Subventionen gegen die Förderung des europäischen Konkurrenten protestiert, erwartet man nicht. „Boeing hat seine Chance“, heißt es in der Stadtverwaltung von Mobile.

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