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Geld für die Welt. Die Zentrale der EU-eigenen Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg. Wie die bundeseigene KfW in Deutschland vergibt das Institut Kredite und gewährt Bürgschaften, um Projekte – auch außerhalb Europas – zu realisieren.

© picture alliance / dpa

Förderbanken EIB und KfW: Wie Europas Steuerzahler Investoren in Steueroasen unterstützen

Europas Förderbanken wie EIB und die KfW helfen Investoren bei großen Infrastrukturprojekten in Afrika. Die versteuern ihre Gewinne aber lieber in Steueroasen in der Karibik. Das Fallbeispiel eine Qalaa Holding aus Ägypten

Ahmed Heikal, Großinvestor und Fondsmanager aus Ägypten, genießt in afrikanischen Wirtschaftskreisen hohes Ansehen. Er ist Gründer und Vorsitzender der Qalaa Holding (ehemals Citadel Capital), die Firmen im Wert von mehr als neun Milliarden Euro in ihrem Portfolio hält – eine „afrikanische Erfolgsgeschichte“, urteilte die EU-Kommission. Als die EU im vergangenen März zum europäisch-afrikanischen Wirtschaftsgipfel nach Brüssel rief, fiel Heikal so auch die Ehre zu, vor EU-Kommissaren, führenden Politikern, Topmanagern und Bankchefs die Eröffnungsrede zu halten.

Doch bei allem Erfolg von Heikal und seinem Unternehmen, ist es höchst fraglich, ob sein Geschäftsmodell tatsächlich zu jenem nachhaltigen und sozial gerechtem Wachstum beiträgt, dass die EU in Afrika fördern will, wie die Kommission offiziell erklärt. Denn die Qalaa-Holding hat seit ihrer Gründung vor gut zehn Jahren kaum Steuern bezahlt und nutzt für diesen Zweck im großen Stil Steuerfluchtzentren, deren Geschäft die Geheimhaltung von Finanzflüssen ist. Trotzdem erhielt Qalaa Darlehen von der EU-eigenen Europäischen Investitionsbank (EIB) in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro und weiteren europäischen Förderagenturen. Das hat eine vom internationalen Netzwerk Steuergerechtigkeit (IFJP) geförderte Recherche ergeben.

Ahmed Heikal von Qalaa beim Afrika-Forum Anfang des Jahres. Die EIB bewilligte dem ägyptischen Investor Darlehen in Millionenhöhe.
Ahmed Heikal von Qalaa beim Afrika-Forum Anfang des Jahres. Die EIB bewilligte dem ägyptischen Investor Darlehen in Millionenhöhe.

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Das europäische Fördergeld floss an Tochterfirmen von Qalaa, die von Gesellschaften gesteuert werden, die auf den als Steuerfluchtstandort bekannten britischen Jungferninseln (British Virgin Islands, BVI) registriert sind – was eigentlich der erklärten Politik der Bank widerspricht. Das EU-Parlament ist darum entschlossen, in dem Fall zu ermitteln.

Gestartet ist Qalaa einst als kleine Firma für Finanzinvestoren, im Branchenjargon „Private Equity“ genannt. Diese kaufen Unternehmen, rationalisieren und bauen sie um, um sie dann mit Gewinn weiter zu verkaufen. Dabei waren Heikal und seine Manager extrem erfolgreich: Allein in den ersten sechs Jahren bis 2010 erwirtschafteten sie 2,2 Milliarden Dollar (1,75 Milliarden Euro) Gewinn für sich selbst und ihre Teilhaber. Den erzielten sie mit Firmen aus dem Energie-, Bergbau, Agar-, Zement- und Transportgeschäft in Ägypten, dem Sudan, Kenia und Äthiopien. Das Geld für seine vielen Einkäufe, so erzählte Heikal beim EU-Afrika-Wirtschaftsforum, habe er aus drei Quellen erhalten: den Staatsfonds der Golfstaaten, internationalen Agenturen zur Exportförderung – und Institutionen der Entwicklungshilfe. Dazu gehört auch die EIB.

Das Geld solcher steuerfinanzierter Institute verpflichte „zu einer besonderen Art der Geschäftsführung“, erklärte Heikal. Qalaa müsse sorgfältig viele Regeln befolgen, das gelte „sogar für die Art, wie wir Steuern zahlen“. Denn wenn die Firma das nicht tue, „gibt uns niemand mehr Geld“, versicherte er treuherzig.

Sehen Sie hier ein Video mit Ahmed Heikal auf dem EU-Africa Business Forum.

Doch entgegen diesem vollmundigen Versprechen, das belegt eine Präsentation von Qalaa für Investoren, zahlt das Unternehmen nur extrem wenig Steuern auf seine Gewinne. So weist die Dachgesellschaft, neben den milliardenschweren Auszahlungen an die Investoren, seit 2004 mehr als 184 Millionen Dollar Gewinn aus. Darauf zahlte sie jedoch nur 380 000 Dollar Steuern, also einen Steuersatz von gerade mal 0,2 Prozent. Dazu befragt, erklärte eine Sprecherin von Qalaa, die Unternehmenssteuern allein seien nicht aussagekräftig. Insgesamt habe Qalaa seit der Gründung 300 Millionen Dollar Steuern bezahlt und sei damit „einer der größten Steuerzahler Ägyptens“. Welche Art Steuern das gewesen sein sollen, dazu gibt das Unternehmen aber keine Auskunft. Auch die Frage, ob die genannte Summe womöglich die Lohnsteuern der Angestellten enthalte, blieb unbeantwortet.

Was die Ägypter mit EU-Geld auf den Britischen Jungferninseln suchen

Sicher ist dagegen, das Qalaa im großen Umfang Steueroasen nutzt. Nach Angaben im jüngsten Jahresbericht sind dort fast ein Drittel der 130 Tochterunternehmen gemeldet. Allein 38 Qalaa-Gesellschaften residieren auf den Jungferninseln (BVI), fünf weitere sind in Mauritius registriert und eine Luxemburg. All das diene aber keineswegs der Steuerminimierung, behauptet Heikals Sprecherin. Die Nutzung der BVI als Firmenstandort habe rechtliche Gründe, weil es eine flexible Unternehmensstruktur ermögliche, wie sie die Investoren wünschten.

Dazu zählen auch Europas Entwicklungshilfe-Institutionen und insbesondere die EIB. Zum Beispiel bei Qalaas größter Investition, dem Bau einer Ölraffinerie nahe Kairo für 3,7 Milliarden Dollar. Dafür erhielt der Konzern bis 2012 allein von der EIB Kredite in Höhe von 450 Millionen Dollar. Die Kontrolle über das Projekt und die zugehörigen Geldflüsse liegt aber mittels eines verschachtelten Firmenkonstrukts bei einer Gesellschaft mit Sitz auf den Jungferninseln.

Betreiber der Raffinerie ist eine Gesellschaft namens ERC. Diese gehört zu 76,2 Prozent der in Ägypten registrierten „Arab Refining Company“. Und an dieser wiederum hält die auf den Jungferninseln gemeldete Firma „Orient Investment“ 63,3 Prozent der Anteile. Ausgerechnet bei Orient, also im Steuerfluchtort BVI, haben aber gleich mehrere staatliche Entwicklungsagenturen investiert. Dazu zählt neben der „International Finance Corporation“ der Weltbank auch die Deutsche Entwicklungsgesellschaft DEG, die Deutschlands Staatsbank KfW gehört. Heikals Qalaa ist nur Minderheitsgesellschafter, hat aber gleichwohl die Kontrolle und das Recht, die Mehrheit des Vorstands zu besetzen. „Die DEG-Finanzierung erfolgte aus eigenen Mitteln und zu marktüblichen Konditionen“, sagte eine Sprecherin der KfW-Tochter dieser Zeitung. „Die DEG engagiert sich grundsätzlich nicht in Ländern, in denen keine Transparenz gegeben ist“.

Eines weiteren Großprojekt von Qalaa ist die „Rift Valley Railway“. Das Unternehmen betreibt die wichtige Eisenbahnroute von der kenianischen Hafenstadt Mombasa bis zur ugandischen Hauptstadt Kampala. Eigentümer ist eine Holding auf Mautitius, die wiederum einer Gesellschaft mit Namen „Ambience Ventures“ von den Jungferninseln gehört, bei der Qalaa das Sagen hat. Auch hier flossen reichlich subventionierte Dollar-Kredite von der Afrikanischen Entwicklungsbank (40 Millionen), der belgischen Entwicklungsgesellschaft (zehn Millionen), der niederländischen Entwicklungsbank (20 Millionen) und der Weltbank-Tochter IFC (20 Millionen). Die budneseigene KfW ist hier mit 32 Millionen Dollar beteiligt. Dabei habe die Bank „die Fragen der Besteuerung sorgfältig geprüft“, versicherte ein Sprecher. Diese entspreche „der Gesetzeslage in Kenia und Uganda“. Die Frage, ob das zu Grunde liegende Steuersparkonstrukt auf den Jungferninseln nicht den Richtlinien der Bank zur Vermeidung von Geschäften in Steuerfluchtzentren widerspreche, könne die Bank dem Tagesspiegel „aus Gründen der Vertraulichkeit nicht beantworten“.

Dabei ist Qalaa keineswegs ein Sonderfall. Schon 2011 berichtete die Weltbank, dass gut die Hälfte aller privaten Finanzinvestoren in Afrika mit europäischem Staatsgeld wirtschaften können – und damit Firmenhändler wie Heikal reich machen. Nach Ansicht von unabhängigen Fachleuten führt das die eigentlichen Ziele für diese Hilfen ad absurdum. „Die Armut mit Finanzinvestoren wie Qalaa zu bekämpfen ist wie Sozialhilfe an Londons Banken zu zahlen, pervers und wirkungslos“, empört sich Antonio Tricarico von der Organisation „Counter Balance“, einem Zusammenschluss europäischer Bürgerinitiativen zur Bankenkontrolle. Schließlich sei das Ziel solcher Fonds nur die Gewinnmaximierung für die Investoren. Indem sie Leute wie Heikal als Vorbild bei ihrem Afrika-Europa-Forum vorstelle, „fördert die EU ein zutiefst ungerechtes Entwicklungsmodell“, kritisiert auch Nick Dearden für die britische Organisation „World Development Movement“. Da werde vom Aufstieg Afrikas gesprochen, „tatsächlich verleiben sich einige Investoren nur das Land und die andere Ressourcen ein“.

Wegen der Oasen verliert Afrika jährlich 50 bis 60 Milliarden Dollar

Vor diesem Hintergrund ist die Beteiligung der EIB an den Qalaa-Unternehmen zumindest fragwürdig. Dabei verfolgt Europas Staatsbank eigentlich schon seit 2005 das Ziel, Geschäfte zu meiden, die mit Steuervermeidung, Geldwäsche oder anderen schädlichen Aktivitäten verbunden sind. Dazu gehört auch ein generelles Verbot von Investitionen in Schattenfinanzzentren, die im Finanzjargon als „Non Compliant Jurisdictions“ (NCL) bezeichnet werden, Länder also, die nicht den Regeln für Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen der OECD folgen. Dazu zählen auch die Jungfern-Inseln (BVI).

Um zu rechtfertigen, dass die EIB dort trotzdem die Firmen von Ahmed Heikal finanziert, beruft sich ein Sprecher der Bank auf eine Formalie: „Zum Zeitpunkt, als die Kredite genehmigt wurden“, im Jahr 2010, seien „die Jungferninseln von keiner Organisation als ‚Non Compliant Jurisdictions' eingestuft gewesen. Folglich ist keine nähere Prüfung erfolgt“, erklärte er. Die Praxis der Steuervermeidung bei Heikals Konzern wurde also nicht einmal untersucht.

Mit EIB-Geldern gefördert: Die Bahnstrecke Rift-Valley in Afrika.
Mit EIB-Geldern gefördert: Die Bahnstrecke Rift-Valley in Afrika.

© Fredrick Onyango

Tatsächlich stand zeitweilig keine der üblichen Steueroasen mehr auf der Schwarzen Liste der OECD. Unter Druck der Finanzlobby hatten die Mitgliedsländer es den Schattenfinanzländern erlaubt, sich mit ein paar Abkommen zur Amtshilfe bei Steuersachen davon freizukaufen, auch wenn sie diese nur mit anderen Inselstaaten abschlossen. So hielt es auch die britische Kronkolonie BVI, die unter anderem solche Scheinverträge mit den Färörinseln, Island und Grönland schloss. Seit 2013 führt die OECD allerdings wieder eine neue Schwarze Liste von schlecht regulierten Finanzplätzen, die von der Geheimhaltung ihrer Kunden leben. Die BVIs zählen selbstverständlich wieder dazu. Doch daraus will das EIB-Management keine Konsequenzen ziehen. „Die Regeln gelten nicht rückwirkend“, sagte ein Sprecher. Eine neue Prüfung der Steuerpraxis von Qalaa soll also auch weiterhin nicht stattfinden.

Wenn Firmen auf den Jungferninseln akzeptable Partner seien, „dann sind die Regeln der Bank gegen Steuerhinterzieher bloß ein leeres Versprechen“, kritisiert Nick Hildyard, Mitarbeiter des britischen Thintanks für Entwicklungsfragen „Corner House“. Schließlich seien die Jungferninseln seit Jahren „als Standort der Wahl für Geldwäscher und korrupte Steuerhinterzieher“ bekannt. Offenbar sorge die EIB nicht für saubere Standards im Finanzgeschäft. Die Finanzbranche diktiere der EIB ihre Regeln.

Gerade die Verschiebung von Schwarzgeld und Steuerhinterziehung gilt als eine der Hauptursachen für Unterentwicklung. Nach Schätzung der UN-Expertengruppe für illegale Zahlungsströme gehen allein der afrikanischen Wirtschaft jedes Jahr 50 bis 60 Milliarden Dollar durch die Kapital- und Steuerflucht verloren, so viel, wie der Wert aller derzeitigen internationalen Direktinvestitionen in Afrika zusammen. Doch erstaunlicherweise hat sich Europa bisher kaum damit beschäftigt, welche Rolle die eigenen Institutionen dabei spielen.

Das will der Entwicklungsausschuss des EU-Parlaments aber nun ändern. „Wir werden unsere globalen Entwicklungsziele nicht erreichen und die Armut mindern, wenn die Unternehmen nicht ihren fairen Anteil an Steuern zahlen“, sagt die Ausschussvorsitzende und britische Labor-Abgeordnete Linda McAvan. Darum arbeitet der Ausschuss an einem umfassenden Bericht zum Thema. Das Ergebnis dieser Recherche über die Verstrickung der EIB in die Steuerflucht ihrer Kunden, werde in diesen Bericht einfließen, versicherte McAvan.

Der Londoner Autor George Turner ist Leiter des Journalistenprogramms zur Recherche illegaler Finanzflüsse beim internationalen Netzwerk Steuergerechtigkeit (IFJP). Das ist ein Zusammenschluss von Finanzexperten und Nichtregierungsorganisationen zur Bekämpfung der Steuerflucht. Dieser Text erscheint heute (31. Oktober 2014) in mehreren europäischen Print- und Onlinemedien, in deutscher Sprache nur im Tagesspiegel. Übersetzung und Mitarbeit: Harald Schumann und Carla Neuhaus.

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