zum Hauptinhalt
Die Folgekosten des Atomzeitalters werden Unternehmen und Gesellschaft noch lange belasten.

© Julian Stratenschulte/dpa

Folgekosten der Kernenergie: Atomindustrie droht mit Klage

Ein Gesetzentwurf zur Endlager-Haftung verärgert die deutschen Energiekonzerne. Umweltpolitiker fordern aber weiterhin einen öffentlich-rechtlichen Fonds.

Die Reaktion des Energiekonzerns Eon auf den ersten Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums zur Sicherung der Atomrücklagen ist vorsichtig, aber eindeutig. „Der Entwurf für ein sogenanntes Konzernnachhaftungsgesetz dürfte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten“, sagt Eon-Sprecher Carsten Thomsen-Bendixen. Das gelte „insbesondere für die vorgesehene zeitlich und betragsmäßig unbegrenzte Haftung“. Sollte das Gesetz „in dieser Form verabschiedet werden, müssten wir aller Voraussicht nach Rechtsmittel einlegen“, sagt Thomsen-Bendixen weiter.

Seit die vier Atomkraftwerksbetreiber in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, hat die Debatte über ihre Atomrücklagen an Dringlichkeit gewonnen. Gegner der Atomenergie wollten den Konzernen ihre Rücklagen schon immer wegnehmen und in einer öffentlich-rechtlichen Stiftung sichern. Inzwischen ist diese Position auch in der etablierten Politik angekommen. Im Bundestag betonen alle vertretenen Parteien, dass die Atomkonzerne für den Rückbau ihrer Kraftwerke und für die sichere Lagerung ihrer nuklearen Abfälle verantwortlich bleiben müssten. Deshalb hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor der Sommerpause angekündigt, er wolle eine Expertenkommission einsetzen, die sich mit der Frage befassen solle. Bis Ende November erwartet er Ergebnisse: Allerdings ist die Kommission noch gar nicht benannt. „Wir sind da dran“, hieß es am Donnerstag aus dem Wirtschaftsministerium. Diese Kommission soll jedenfalls ein Gutachten diskutieren, das Gabriel schon früher in Auftrag gegeben hatte.

Die Regierung fürchtet, auf den Kosten sitzen zu bleiben

Nachdem Eon angekündigt hatte, sich aufzuspalten und das konventionelle Energiegeschäft einschließlich der Atomkraftwerke künftig in einem neuen Unternehmen, Uniper, fortzuführen, spricht die Umweltbewegung davon, da werde eine „Bad Bank“ gegründet, um sich der Lasten des Atomzeitalters zu entledigen. So argumentiert beipielsweise Greenpeace. Bei Eon sehen sie das naturgemäß ganz anders. Denn erstens würden die gesamten Rückstellungen an das neue Unternehmen übertragen, hat Eon-Chef Johannes Theyssen schon vor Monaten angekündigt. Und im Übrigen werde das neue Unternehmen auch sonst gut ausgestattet und habe gute Chancen, erfolgreich zu sein. Gabriel ist offenbar nicht überzeugt. Kurz vor der Sommerpause hat er einen schnellen Gesetzentwurf zur Konzernhaftung vorlegen wollen, eine „Lex Atombetreiber“ sozusagen.

"Konservierung der aktuellen Haftungssituation"

In dieser Woche hat das Haus den Entwurf in die Verbändeanhörung gegeben. Der Kernsatz des Gesetzes soll demnach so lauten: Die Haftung „der Kernkraftwerke in Deutschland betreibenden Konzerne für die finanziellen Verpflichtungen ihrer KKW-Betreiber („Konservierung“ der aktuellen Haftungssituation)“ solle bis zum „Abschluss von Stilllegung und Rückbau ihrer Kernkraftwerke sowie Entsorgung und Endlagerung der nuklearen Abfälle gesetzlich“ eingeführt werden. „Den Folgen möglicher Verkleinerungen des Haftungsvermögens und Beendigungen von Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen innerhalb der Konzerne wird durch diese gesetzliche Sonder-Regelung für den Nuklearbereich entgegengewirkt“, heißt es weiter. Der zweite Satz zielt auf Vattenfall. Der schwedische Staatskonzern hat den Beherrschungsvertrag mit der europäischen Vattenfall-Tochter, die für die zwei 2011 stillgelegten Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel verantwortlich ist, und die zudem in Deutschland Kohletagebau und -kraftwerke betreibt, beendet. Auch hier wurde sofort der Verdacht laut, dass sich Vattenfall mit dieser Konstruktion aus der Verantwortung für die Folgekosten verabschieden will.

Ob die 38 Milliarden Euro reichen, weiß niemand

Bisher haben die Atomkonzerne rund 38 Milliarden Euro Rückstellungen für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung der strahlenden Abfälle gebildet. Ob das Geld dafür reicht, hängt stark davon ab, wie die neue Suche nach einem Atomendlager aussehen soll. Je mehr Standorte auch unterirdisch erkundet werden, desto teurer wird das Unterfangen. Derzeit ist aber noch nicht abschätzbar, welchen Vorschlag die von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Endlagerkommission dazu machen wird. Genau deshalb finden die Atomkonzerne auch, dass sie dafür nicht mehr in Anspruch genommen werden können, jedenfalls nicht in voller Höhe.

Sylvia Kotting-Uhl, die atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, reicht das Gesetz trotzdem noch nicht. Sie wiederholte ihre schon lange vorgetragene Forderung, einen öffentlich-rechtlichen Fonds „mit Nachschusspflicht für die Konzerne“ zu gründen. Aber darüber will Gabriel ja im Spätherbst auch noch reden, falls seine Kommission bis dahin Ergebnisse vorzulegen hat.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false