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Die Kühltürme des Steinkohlekraftwerks von Uniper in Scholven nach Sonnenuntergang.

© picture alliance/dpa

Folgen des Entlastungspakets: Die Hilfe des Staates darf nicht zur Gewohnheit werden

Schritt für Schritt werden Gesetze der sozialen Marktwirtschaft durch die Entlastungen ausgehebelt. Das könnte sich später noch rächen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thorsten Mumme

Die Koalitionäre müssen auf eine Menge komplizierter Fragen reagieren. Was machen die Verbraucher, die sich wegen der Inflation ihr tägliches Leben kaum noch leisten können? Wer hilft den Unternehmen, die ebenfalls mit den steigenden Energiekosten kaum noch wirtschaften können? Wie groß ist die Gefahr von Protesten, wenn bald unbezahlbare Rechnungen in Zigtausenden Briefkästen liegen?

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Auf viele Fragen hat die Ampel-Koalition am Wochenende zwar Antworten gefunden, doch es wirkt, als hätte beim Antwortensuchen auch die parteipraktische Frage mitgeschwungen, wie sich die auf die anstehende Wahl in Niedersachsen auswirken. Denn bei genauer Betrachtung sieht es so aus, als sei mindestens eine Frage vergessen worden: die nach den Unternehmen.

Zwar hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der Klausurtagung in Meseberg mit eindrücklichen Worten beschrieben, wie sehr viele Firmen mit der aktuellen Situation kämpften. Frei nach dem Motto „Unternehmen wählen nicht“ blieben die Lösungsvorschläge für Industrie und Gewerbe aber weitgehend unkonkret.

Die Meldung, dass der deutsche Toilettenpapier-Hersteller Hakle wegen Energie- und Materialkosten insolvent ist, war am Montag der passendste Kommentar zu den Ergebnissen des Entlastungspakets. Bei den Gaspreisen gab es weder für Firmen noch für Verbraucher eine Lösung. Weitere Pleiten werden folgen.

Dass Arbeitgeber in dieser Situation sogar noch ermuntert wurden, eine Inflationsprämie an ihre Angestellten zu zahlen, wirkt für viele wie blanker Hohn. Das Problem, dass physisch nicht genug Gas vorhanden ist, kann jedenfalls keine fiskalische Umverteilung beheben.

Was richten die Maßnahmen langfristig an?

Eine langfristig noch wichtigere Frage, bleibt derzeit ebenfalls unbeantwortet: Was richten diese kurzfristigen Flickschustereien langfristig an? Denn auch wenn die FDP mit ihrem Beharren auf der Schuldenbremse zwar den größeren Bogen im Blick behalten will, verschwinden andere Belange, die sowohl Kern der Liberalen als auch der sozialen Marktwirtschaft sind, aus dem Blickfeld.

So liegt die Staatsquote inzwischen bei mehr als 51 Prozent. Ein Rekordwert. Das heißt, mehr als die Hälfte dessen, was die Bürger und Unternehmen erwirtschaften, gibt der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben aus. Der Grundsatz, dass auch erwirtschaftet werden muss, was man ausgeben will, wird immer schwieriger einzuhalten, je mehr Einnahmen an Subventionsleistungen des Staates hängen.

Es sieht nicht so aus, als würde dieser Trend in den kommenden Jahren wieder umgekehrt werden können. Die jetzt getroffenen Maßnahmen dürften dazu führen, dass in einigen Jahren wieder harte Sozialreformen angesetzt werden müssen.

Gewinne sind plötzlich „zufällig“

Denn immer mehr Branchen werden sich mit Markteingriffen des Staates arrangieren müssen. Wenn der Staat künftig dank Strompreisdeckel und bald möglicherweise auch Gaspreisdeckel steigende Energiekosten ausgleichen will, setzt das die gesunde Anreizwirkung des Marktes außer Kraft. Macht eine Firma mit erneuerbaren Energien hohe Gewinne, weil diese günstiger zu produzieren sind als Gasverstromung, werden die Gewinne aus diesem Geschäftsmodell künftig als „zufällig“ deklariert und in Teilen abgeschöpft. Das macht Investitionen in kosteneffizientere Geschäftsmodelle wenig attraktiv.

Und sollten solche Marktunlogiken irgendwann wieder abgebaut werden, drohen zahlreiche Firmen pleitezugehen, die nur wegen solcher Zahlungen überleben konnten. Ähnlich wie viele Firmen nur wegen billigen Geldes der EZB überleben konnten. Oder andere wegen billigen Gases aus Russland.

Das Wichtigste ist, dass sich der Markt möglichst schnell auf ein Leben ohne billiges Gas einstellt. Nicht nur der russische Angriffskrieg, sondern auch der Klimawandel machen das nötig. Dabei muss der Staat helfen, ohne die Hilfe zur Gewohnheit werden zu lassen. Angesichts vieler konkreter Fragen aus dem alltäglichen Leben wirken solche Debatten zwar abstrakt. Doch genau dazwischen liegt der Drahtseilakt, den die Bundesregierung meistern muss.

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