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Wirtschaft: Ford überholt Mercedes

Auf Mercedes-Benz, gemeinhin für ausgereifte Technik gerühmt, lasten derzeit schwerwiegende Fragen zur Produktqualität. Verschiedene Untersuchungen legen nahe, dass die deutsche Edelmarke selbst von einigen Konkurrenten aus den unteren Klassen überholt wurde.

Auf Mercedes-Benz, gemeinhin für ausgereifte Technik gerühmt, lasten derzeit schwerwiegende Fragen zur Produktqualität. Verschiedene Untersuchungen legen nahe, dass die deutsche Edelmarke selbst von einigen Konkurrenten aus den unteren Klassen überholt wurde. In der vergangenen Woche gelangte eine nichtöffentliche Studie der Autohersteller zur Produktqualität und Kundenzufriedenheit in die Hände eines deutschen Automobilmagazins.

Danach fiel Mercedes selbst hinter Opel zurück, einer Marke mit denkbar schlechtem Ruf in Europa. In einer anderen Untersuchung des Gutachtervereins TÜV belegte der in Deutschland gebaute "Ford Focus" den ersten Platz für Zuverlässigkeit in den ersten drei Jahren. Das beste Mercedes-Modell, der SLK, rangiert nur auf Platz zwölf und musste sich unter anderem einem halben Dutzend Toyotas geschlagen geben. Den Berichten ging eine in den USA durchgeführte Studie der einflussreichen Agentur J. D. Power & Associates voran, nach der Mercedes in der Frage der Qualität vom sechsten auf den zehnten Platz abgerutscht ist. Anderen Untersuchen zufolge konnte Mercedes die Qualität zwar verbessern, jedoch nicht in dem Maße wie Marktrivalen dies vermochten. Auf einer Präsentation vor Vertretern von Autoindustrie und dem Fahrzeughandel senkte J. D. Powers dann auch die Bewertung für die produktübergreifende Qualität bei Mercedes in der letzten Woche von "gut" auf "fair". "Es war eine Verschlechterung bei den Mercedes-Produkten zu verzeichnen", sagte Tom Libby, Direktor des Bereichs industrielle Analyse bei J. D. Powers. "Mercedes sollte eigentlich ganz oben stehen. Das ist, was die Leute erwarten."

Zu viele neue Modelle

Die Untersuchungen sind ein schwerer Schlag für die Daimler-Chrysler AG. Bei den Finanzsorgen der Chrysler-Gruppe ist der Konzern auf die Absatzstärke der Mercedes- Modelle angewiesen. Auch zählt man weiterhin darauf, durch Lieferungen von Mercedes-Schlüsselkomponenten an Chrysler die dortige Qualität anheben zu können. "Es wird immer deutlicher, dass die Mercedes-Qualität nicht mehr so kugelsicher ist wie einst", sagt Al Bedwell, Forschungsleiter bei J. D. Power-LMC im englischen Oxford. "Gleichzeitig verbessert sich die Gesamtqualität der Branche ständig und verringert den Abstand, den Mercedes einst genoss."

Für viele sind die Qualitätsprobleme bei Mercedes ein Nebeneffekt der in den neunziger Jahren getroffenen Entscheidung, die Produktpalette um kleinere Fahrzeuge zu erweitern. Dies hat seit 1993 zwar die Verkaufszahlen verdoppelt und die Gewinne auf Rekorde gesteigert. Doch die Modelle der A-Klasse mussten zeitweise vom Markt genommen werden, als sie 1998 beim Elchtest durchfielen. Auch die sportlichen M-Modelle gerieten für ihre Verarbeitung in die Kritik: Das US-Magazin Consumer Reports sieht bei Gebrauchten dieser Klasse ein "Zuverlässigkeitsrisiko".

Ein weiterer Rückschlag kam in der letzten Woche: Teile einer Umfrage unter Neuwagenkäufern, die nur für die beteiligten Hersteller bestimmt ist, tauchten in einem deutschen Automobilmagazin auf. Die Untersuchung gilt als sorgfältigste ihrer Art in Europa und misst sowohl Qualität als auch Kundenzufriedenheit. Obwohl nur ein Ausschnitt der Studie ans Licht kam, der Trend scheint eindeutig: Die Zahl der Negativpunkte pro 1000 Mercedes-Fahrzeugen stieg von etwa 100 im Jahr 1999 auf über 110 im letzten Jahr. Im gleichen Zeitraum sank die Quote bei Opel von 130 auf 100.

Laut Johannes Reifenrath, Leiter der Abteilung Kommunkation der Pkw-Sparte bei Mercedes-Benz, ergibt sich aus der vollständigen Studie keineswegs ein Rückstand hinter Opel. Weitergehende Daten wolle man jedoch nicht bekannt geben. "Es gibt viele Anzeichen aus unseren Werken, dass sich die Qualität der kritisierten Modelle verbessert hat", sagt Reifenrath. "Der Qualitätsanspruch unserer Kunden macht unsere Arbeit sehr anspruchsvoll."

Nach einer Herbststudie von J. D. Power zur Zuverlässigkeit von Fahrzeugen rangiert Mercedes hinter solchen Marken wie Lincoln, Cadillac und Jaguar. Auch in der Bewertung für Luxusfahrzeuge, in der Besitzer von fünfjährigen Autos befragt werden, fiel Mercedes unter den Durchschnitt. Mit 296 Problemfällen per 100 Fahrzeugen findet man die Marke unter dem Mittel, das bei 285 Vorfällen pro 100 Wagen liegt. Sowohl die C-Klasse als auch S-Klasse und SL-Modelle büßten beim Kriterium der Langlebigkeit ein. Donna Boland, Sprecherin bei Mercedes in den USA, verweist auf die Produktionssteigerungen und die komplexere Technologie. Seit 1997 ist die Zahl der Modellreihen von vier auf neun gestiegen. Gleichwohl setze der Hersteller alles daran, in den Qualitätsbewertungen besser abzuschneiden: "Wenn man Mercedes ist, hat Qualität den höchsten Stellenwert", sagt Boland. "Darauf gründet sich schließlich unsere Marke. Wir werden alle Ressourcen nutzen, um die Werte nach oben zu bringen."

Guter Ruf bei Luxus-Käufern

Trotz dieser Entwicklung bleibt die Marke Mercedes unter den Käufern im Luxussegment hoch im Kurs. Hier muss die Reputation für Qualität nach einer Studie des Marktforschers Harris Interactive nur der eines Jaguar den Vortritt lassen. Erst danach folgen Bentley, Porsche, Lexus und BMW. Eine europaweite Umfrage der Zeitschrift "Auto Motor Sport" ergab zudem, dass Mercedes nach BMW und Porsche das drittbeste Markenimage genießt. Einige Analysten werfen Untersuchungen wie denen von J. D Power und Umfragen unter Neuwagenkunden fehlende Genauigkeit vor. Qualitätsvergleiche schwanken von Jahr zu Jahr und fallen für die Hersteller oft schlechter aus, wenn, wie bei Mercedes, viele neue Modelle eingeführt worden sind.

Scott Miller, Karen L, eaard

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