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Meyer

© dpa

Forderung: ADAC: Ökosteuer abschaffen, um Benzinpreis zu senken

ADAC-Präsident Peter Meyer über teures Benzin vor Ostern, den Wettbewerb der Tankstellen und Versäumnisse der Autoindustrie.

Herr Meyer, verreisen Sie über Ostern?



Ja, ich fahre ein paar Tage an die Nordsee, mit dem Auto.

Der Benzinpreis ist wieder gestiegen. Haben Sie schon ausgerechnet, wie teuer die Reise wird?

Ich habe vorausschauend am Montag zu einem noch etwas günstigeren Preis getankt. Jeder Autofahrer sollte seine Reisen langfristig planen. Moderne Autos haben ja eine Reichweite von bis zu 1000 Kilometern, da zahlt es sich aus, zu tanken, wenn es günstig ist – und nicht vor Wochenenden oder Feiertagen.

Jedes Jahr vor Ostern oder Weihnachten sind die Spritpreise überhöht, sagen Sie. Ab welcher Marke ist Benzin zu teuer?

Das ist wie bei gefühlter und tatsächlicher Temperatur. Zudem muss man den Rohölpreis als Maßstab nehmen – gemessen daran ist das Niveau von 1,45 Euro für den Liter Super derzeit überhöht. Noch vor ein paar Jahren hätte man das als Mondpreis bezeichnet.

Hochgerechnet auf eine Tankfüllung geht es um fünf bis zehn Euro zusätzlich. Ist diese Summe die Aufregung wert?

Es geht nicht um eine Tankfüllung, sondern um die Kosten der Mobilität insgesamt. Wer im Monat mehrmals tankt, kommt schnell auf 50 Euro zusätzlich.

In Luxemburg gibt es Obergrenzen für den Benzinpreis. Wollen Sie das?

Dann droht uns ein Benzinmangel – die Ölkonzerne würden sich irgendwann vom deutschen Markt zurückziehen, weil sie kein Geld mehr verdienen. Wir setzen im Grundsatz auf den Markt und einen funktionierenden Wettbewerb. Dieser wird derzeit vom Bundeskartellamt grundlegend überprüft und untersucht.

Bei Arzneimitteln oder beim Strom sind die Preise ja auch reguliert.

In keinem der Fälle wird es dadurch billiger für den Kunden. Zudem leben wir in einer Marktwirtschaft. Wenn Sie in der Ferienzeit in Urlaub fahren, akzeptieren Sie ja im Hotel auch einen Saisonzuschlag. Genauso verhalten sich die Ölkonzerne – wenn die Nachfrage steigt, geht auch der Preis nach oben. Sie wollen so viel Gewinn wie möglich.

Haben Sie Hinweise darauf, dass bei der Preisbildung nicht nur Angebot und Nachfrage eine Rolle spielen?

Für Absprachen haben wir keine Anhaltspunkte. Im Kartellamt sitzen Experten, die werden es schon wissen. Ihnen eine laxe Aufsicht zu unterstellen, ist populistisch. Absprachen sind ohnehin nicht nötig, die Anbieter beobachten sich gegenseitig. Im Westen des Ruhrgebiets etwa ist Benzin meist billiger als im Osten – wegen der stärkeren Konkurrenz. Bei der Rohölförderung gibt es indes sehr wohl Kartelle, Stichwort Opec. Der Weltmarktpreis bestimmt ja auch ganz klar den Benzinpreis.

BP, Shell und Co sagen, der Rohölpreis sei zweitrangig.

Das stimmt so nicht. Der Rohölpreis ist neben dem Euro-Dollar-Wechselkurs die wichtigste Einflussgröße des Tankstellenpreises. Im Übrigen geht der größte Anteil des Benzinpreises an den Staat. Mit jeder Erhöhung hat er automatisch höhere Mehrwertsteuereinnahmen.

Der Staat ist pleite, der Verkehr nimmt zu und wir wollen das Klima schützen. Ist eine Senkung der Benzinsteuern da realistisch?

Die Steuerlast ist eindeutig zu hoch. Deswegen sollte man die Ökosteuer abschaffen. Sie sollte Geld für die Stabilisierung der Lohnnebenkosten einbringen, aber das ist nicht gelungen. Wir brauchen eine nachhaltige Reform der Sozialsysteme, nicht die einseitige und willkürliche Belastung der Autofahrer. Ein Arzt schließt eine klaffende Wunde ja auch nicht mit einem Pflaster, sondern er nimmt einen chirurgischen Eingriff vor.

Es bleiben Verkehrswachstum und Klimaschutz. Sogar der Bundespräsident findet, dass Benzin teurer werden sollte.

Wenn die Wirtschaft wächst, nimmt auch die Mobilität zu, das ist ein Automatismus. Man darf auch nicht vergessen, dass viele Leute nicht freiwillig auf dem Land leben, sondern weil sie sich eine teure Wohnung in den Stadt nicht leisten können. Sie müssen jeden Tag in die Stadt pendeln und sind auf ihr Auto angewiesen. Noch höhere Preise wären extrem unsozial. Zumal die Arbeitnehmer ständig gesagt bekommen, sie müssten flexibel und mobil sein.

Ohne Rekordpreise beim Benzin würden wir heute kaum über Elektroautos reden.

Nein, Auslöser der Debatte war der Klimaschutz. Mit der richtigen Antriebstechnik lässt sich der CO2-Ausstoß ja auch reduzieren. Doch die Politik hat sich lange gescheut, die richtigen Rahmenbedingungen für die Entwicklung zu setzen, weil sie die deutschen Premiumhersteller schonen wollte. Mit dem Ergebnis, dass es noch Jahre dauert, bis es bezahlbare Hybrid- und Elektroautos für den Massenmarkt gibt.

Mercedes hat eine S-Klasse als Hybrid, VW einen Luxus-Geländewagen.

Das sind Feigenblätter, der Massenmarkt hat nichts davon. Die Deutschen bauen die Hybridtechnik nur in teure Autos ein, weil der Preisaufschlag deren Käufer kaum schmerzt. In einem Opel Corsa oder einem VW Polo ginge das gar nicht. Warum? Weil die Hersteller die Entwicklung verschlafen haben und die Produktion noch zu teuer ist.

Machen es andere besser?

Ich war kürzlich bei Hyundai in Korea. Die gehen bei den alternativen Antrieben ganz anders ran, 8000 Ingenieure beschäftigen sich dort ausschließlich mit diesem Thema. Zeigen Sie mir nur einen deutschen Konzern, der ein Zehntel davon für die neuen Antriebe beschäftigt, und ich spendiere Ihnen eine Kiste teuren Champagner. Die Kanzlerin will demnächst einen Autogipfel zur Elektromobilität veranstalten – damit ist sie aber zwei Jahre zu spät dran.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

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