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Forscher: "Wir verlieren den Wettbewerb"

Der Wissenschaftler Herbert Brücker über Volkswirtschaft und Zuwanderungspolitik.

Herr Brücker, was hat die Green Card bewirkt?

Die Green Card hatte vor allem kurzfristige Effekte. Insgesamt aber ist der Anteil der Hochqualifizierten unter den jährlich rund 600 000 Migranten sehr gering.

Warum ist das so dramatisch?

Deutschland leidet unter einem „Braindrain“. Wir verlieren deutlich mehr deutsche Hochschulabsolventen an das Ausland als wir gewinnen.

Welche Folgen hat das?

In Zeiten konjunkturellen Aufschwungs steigt die Produktion aufgrund des Arbeitskräftemangels weniger stark, als sie könnte. Außerdem werden wir aufgrund des demografischen Wandels Probleme haben, die sozialen Sicherungssysteme zu finanzieren. Wir brauche Zuwanderung, um dieses Problem zu bewältigen.

Politiker sahen in der Green Card eine Gefahr für den Arbeitsmarkt.

Wir wissen, dass die Effekte von hoch qualifizierten Zuwanderern auf die Arbeitslosigkeit sehr günstig sind. Sie integrieren sich gut, sie sind seltener arbeitslos und leisten einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaates.

An wen verliert Deutschland seine klugen Köpfe?

Wegen der gemeinsamen Sprache an die Schweiz und an Österreich. Vor allem aber an die angelsächsischen Länder. Diese haben viele Vorteile gegenüber Deutschland. Dort gibt es nicht nur ausgezeichnete Universitäten sondern auch deutlich höhere Löhne.

Diese Dinge kann man kurzfristig kaum ändern. Wie kann Deutschland mithalten?

Man kann ein permanentes Aufenthaltsrecht erleichtern. Auch die Einkommensgrenze für hoch qualifizierte Zuwanderer, die gegenwärtig bei 65 000 Euro liegt, müsste auf das Anfangsgehalt eines Akademikers gesenkt werden. Das liegt in Deutschland bei rund 36 000 Euro. Die meisten hoch qualifizierten Migranten gehen zu Beginn ihrer Karriere ins Ausland.

Die europäische Kommission will die Zuwanderungsbedingungen angleichen.

Die Blue-Card-Initiative der Kommission ist grundsätzlich sinnvoll. Sie ermöglicht es Arbeitskräften aus Drittstaaten, sich im europäischen Binnenmarkt zu bewegen. Die Richtlinie sieht aber vor, dass jedes Land eine eigene Quote festlegt. Und ich gehe davon aus, dass diese in Deutschland leider gering ausfallen wird.

Dabei rät auch die OECD zu einer langfristigen Migrationspolitik.

Man kann eigentlich nicht sagen, dass Deutschland eine gezielte und langfristig angelegte Politik betreibt, hoch qualifizierte Arbeitnehmer anzuwerben.

Herbert Brücker ist Bereichsleiter bei der Forschungsstelle der Arbeitsagentur IAB und Professor für Volkswirtschaft an der Universität Bamberg. Das Gespräch führte Anna Sauerbrey.

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