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Wirtschaft: Forschungsthemen für 10 Jahre voraus planen

Hochrangige Expertengruppe weist auf Erfolge der Japaner und Amerikaner in der Forschungsplanung hinVON UWE SCHLICHT BERLIN.Deutschland soll nun nachholen, was Japan und die USA schon seit langem praktizieren: herauszufinden, welche Forschungsthemen zur Beginn des nächsten Jahrhunderts wichtig sind.

Hochrangige Expertengruppe weist auf Erfolge der Japaner und Amerikaner in der Forschungsplanung hinVON UWE SCHLICHT BERLIN.Deutschland soll nun nachholen, was Japan und die USA schon seit langem praktizieren: herauszufinden, welche Forschungsthemen zur Beginn des nächsten Jahrhunderts wichtig sind.Sind solche Themen erkannt, dann müssen an den Hochschulen und Forschungsinstituten rechtzeitig Schwerpunkte gesetzt werden.Als Zeithorizont für solche mittelfristigen Überlegungen gelten zehn bis 15 Jahre.Vor allem ist es für die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, daß die gewonnenen Erkenntnisse auch möglichst bald in neue Produkte umgesetzt werden. Der Übergang von Hochschulabsolventen, die auf den zukunftsträchtigen Gebieten geforscht haben, zu jungen Unternehmern muß gefördert werden, und zwar von zwei Seiten: von den Hochschulen und vor allem den Banken, die das dazu benötigte Risikokapital bereitstellen. Das sind die wichtigsten Aussagen einer Pilotstudie, die eine Arbeitsgruppe unter Leitung der ehemaligen Vorsitzenden des Wissenschaftrats, Dagmar Schipanski, am Montag der Öffentlichkeit vorstellte.Am Beispiel der Materialwissenschaften hat die Arbeitsgruppe eine solche Neuorientierung der Wissenschaftspolitik durchgespielt.Je früher Forschungsfelder erkannt werden, um so langfristiger lassen sich Schwerpunkte aufbauen.Eine solche Politik wird seit Jahren erfolgreich in Japan und den Vereinigten Staaten betrieben, in Japan vor allem an den zwei Universitäten von Osaka und Kyoto.Die Japaner streuen ihre zukunftsorientierte Forschung nicht über die Hochschulen des Landes, sondern konzentrieren sie auf zwei führende Universitäten, die USA haben dagegen breit gestreute Forschungsaktivitäten an vielen Universitäten und Instituten. In der Materialforschung werden vor allem auf drei Gebieten entscheidende, auch wirtschaftlich verwertbare Fortschritte erwartet: in der molekularen Architektur von Materialien, in der Molekularelektronik und Bioelektronik und in den durch innere Grenzflächen bestimmten Materialien.Dabei geht es um die Herstellung von besonders dünnen Fasern und Schichten, die sich durch außerordentliche Festigkeit, Härte und Widerstand gegen Korrosion auszeichnen und dazu noch neue Funktionen erfüllen können.Auch die Miniaturisierung in der Mikroelektronik bis in den Nanobereich spielt eine große Rolle. Die Deutschen haben auf diesen Gebieten schon vieles erforscht, aber dennoch stehen sie hinter den USA und Japan zurück.Auf elf wichtigen Teilgebieten in der molekularen Architektur liegen die USA vorn, gefolgt auf sieben Teilgebieten von den Japanern auf dem zweiten Platz und den Deutschen, die auf vier Teilgebieten den zweiten Rang einnehmen.Das hat eine aufwendige Auswertung der einschlägigen Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen durch die Arbeitsgruppe Schipanski erbracht. Allein in den Materialwissenschaften gibt es zur Zeit jährlich 100 000 Veröffentlichungen.In der molekularen Elektronik "sind die deutschen Arbeiten dagegen durchgehend auf dem dritten oder vierten Platz zu finden.Die beiden Spitzenplätze werden ausnahmslos von den USA oder Japan eingenommen." Die Schipanski-Gruppe lobt zwar die Forschungsleistungen einzelner Universitäten und außeruniversitärer Forschungsinstitute auf diesem Gebiet, bemängelt aber, das diese Fragen in den Forschungslabors der Industrie in Deutschland nur "in verschwindend geringem Umfang in einzelnen Teilgebieten" verfolgt werden.Aber auch innerhalb der Wissenschaftsszene finde kaum eine Verständigung über mittelfristige Perspektiven statt, obwohl selbst europäische Länder wie Großbritannien und die Niederlande schon seit längerem dazu übergegangen sind.Besonders problematisch ist eine Verständigung über Ziele und Themen der Forschung, die jenseits der Fachgrenzen liegen, obwohl hier im Augenblick die größten Fortschritte in der Forschung zu erwarten sind.Aber die deutschen Hochschulen und ihre Fördereinrichtungen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft denken noch vorwiegend in den Grenzen von Disziplinen. Die Arbeitsgruppe kommt zu dem Ergebnis, daß es für die künftige Förderung wichtiger ist, herausragende wissenschaftliche Leistungen zu ermittlen als ein breit gestreutes Mittelmaß zu fördern.Es sei auch nicht sinnvoll, die Grenzen des Wissens in alle Richtungen gleichzeitig zu erweitern - eine Konzentration auf bestimmte Themen kann zu vielversprechenderen Ergebnissen führen.Als unerläßlich sieht die Schipanski-Gruppe "die Förderung risikoreicher Arbeiten" an. Ausgründungen aus den Hochschulen oder Forschungsinstituten könnten nur dann erfolgreich sein, wenn die Hochschulabsolventen weiter Zugang zu einem exzellenten wissenschaftlichen Umfeld haben.Dazu benötigen die jungen Unternehmer die Unterstützung von den Universitäten und von den Banken, die das benötigte Risikokapital zur Verfügung stellen müssen.Die Vereinigten Staaten könnten es den Deutschen vormachen, wie man langfristig mit einer solchen Politik in der Industrie und in der Beschäftigung Erfolge erziele. An der Arbeitsgruppe Schipanski haben herausragende Wissenschaftler mitgearbeitet.Unterstützt wurde die Arbeitsgruppe von der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Fraunhofer Gesellschaft, der Hochschulrektorenkonferenz, der Helmholtz-Gemeinschaft und dem Wissenschaftsrat.

UWE SCHLICHT

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