zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Fortschritte für den freien Welthandel

GENF (jdh/HB).Sobald die Rede auf Deutschland kommt, ist der Neapolitaner Renato Ruggiero in seinem Element.

GENF (jdh/HB).Sobald die Rede auf Deutschland kommt, ist der Neapolitaner Renato Ruggiero in seinem Element."Die Bundesrepublik ist der zweitgrößte Nutznießer der Welthandelsorganisation (WTO)", stellte der Generaldirektor der WTO in einem Gespräch mit dem Düsseldorfer Handelsblatt heraus.Um so mehr wundere es ihn, so Ruggiero, daß sich die Welthandelsmacht Nummer 2 gegen die Pläne sperrt, der WTO mehr Freiheit bei den Gestaltung ihres Gehaltsgefüges zu gewähren.Im Grunde sei dies "eine Politik, die den deutschen Interessen zuwiderläuft", sagt der WTO-Chef.

Im Kern geht es bei den Meinungsverschiedenheiten zwischen Ruggiero und den Deutschen, die unter anderem von den Briten unterstützt werden, um eine zukünftige leistungsorientiertere Bezahlung der WTO-Mitarbeiter.Ruggiero will ein eigenes Gehaltssystem für seine rund 500 Bediensteten durchsetzen - und die bisherigen Auflagen des Uno-Systems "Common System" für seine Behörde nicht mehr dulden.Bonn hat zwar einem Ausscheren aus dem "Common System" zugestimmt, aber nur unter der Bedingung, daß "die potentiellen Kostensteigerungen durch Effizienzgewinne kompensiert" werden.Experten sprechen von einem Personalkostendeckel, den die Deutschen durchsetzen wollen: Nur solange die Personalkosten insgesamt nicht steigen, darf Ruggiero das Gehaltssystem nach den Erfordernissen der Organisation umbauen.

Ruggiero befürchtet nun, daß die Experten innerhalb seiner Organisation von Ermüdungserscheinungen heimgesucht werden."Wenn wir unsere Vorstellungen nicht durchbringen, könnte das die erste Niederlage in meiner Amtszeit werden", äußerte Ruggiero seine Befürchtung, im Jahr vor seinem Ausscheiden aus dem Amt des Generaldirektors der Handelsorganisation in seiner Autorität beschädigt zu werden.

Insgesamt zieht der 68jährige allerdings eine durchweg positive Bilanz seiner mehr als dreijährigen Amtszeit: "Den größten Erfolg konnten wir mit der Etablierung des sehr gut funktionierenden Streitschlichtungssystems verbuchen." Als er 1995 sein Büro in der Genfer WTO-Zentrale bezog, hätten viele Skeptiker das System als extrem absturzgefährdet charakterisiert.Die über 130 Dispute, die unter dem Dach der WTO verhandelt wurden, belegten aber, daß das Gegenteil richtig sei."Auch die Großen wie die USA und die EU halten sich an die Regeln." Daß gewisse Konflikte, etwa der Helms-Burton-Fall, zwischen Brüssel und Washington außerhalb des Genfer Handelsgerichts ausgefochten werden, läßt Ruggiero nicht als Gegenargument gelten.

Meilensteine für die WTO und für einen freieren Handel in der Welt seien die Abkommen über die Liberalisierung der Finanzdienstleistungen und der Telekommunikation."Mit deren Abschluß haben wir auch unsere Kritiker eines besseren belehrt."

Herausforderungen sieht Ruggiero aber immer noch: "Es gibt ein starkes Bedürfnis, den Austausch von Informationen über die Natur und die Ziele der WTO zu verbessern." Allerdings sei seine Organisation noch weit davon entfernt, zufriedenstellende Resultate auf diesem Gebiet zu erzielen.Das führt Ruggiero nicht zuletzt auf die "beschränkten Ressourcen" seiner Behörde zurück.Um besser reüssieren zu können, erwartet der Generaldirektor ein stärkeres Engagement der Regierungen."Ich hoffe, daß wir zusammen Erfolge erzielen."

Als wichtigen Schritt, um mehr Transparenz in internationalen Handelsfragen herzustellen, kündigte Ruggiero eine bessere Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie dem World Wide Fund for Nature, der Internationalen Handelskammer oder dem Internationalen Bund freier Gewerkschaften an."Wir wollen die NGOs in regelmäßigen Treffen über unsere Arbeit informieren." Außerdem plant Ruggiero, die Arbeit der NGOs den Mitgliedern seiner Behörde näherbringen: "Das WTO-Sekretariat wird den Delegationen jeden Monat eine Liste mit den neuesten Dokumenten der NGOs zur Verfügung stellen."

Neben seinem Kampf für Transparenz treibt den WTO-Chef noch eine große Aufgabe um: "Wirkliche Fortschritte bei der Aufnahme neuer Mitglieder zu erzielen." Ruggiero räumt ein, daß er im Falle Chinas "besorgt" sei.In den Bereichen Landwirtschaft und Dienstleistungen müßten sich die Chinesen vor einem Eintritt in die WTO noch erheblich bewegen.Die Beitrittsverhandlungen mit Rußland sieht Ruggiero durch das jüngste milliardenschwere Hilfspaket des Internationalen Währungsfonds für Moskau begünstigt.Bei aller Aufmerksamkeit für die Chinesen und Russen dürften jedoch die Gesuche kleinerer Staaten wie Kirgistan nicht vergessen werden.Die WTO habe schließlich den Anspruch, eine universelle Organisation zu werden.

Über seinen möglichen Nachfolger will Ruggiero nichts sagen.Nur soviel läßt er wissen: "Es ist zu wenig, nur eine politische Vision zu haben.Der Generaldirektor muß auch die verwaltungstechnischen Mechanismen beherrschen." Ruggiero, den seine Mitarbeiter als "Neapolitaner mit deutschem Arbeitsethos" bezeichnen, verfüge, so heißt es in Genf, über beides.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false