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Wirtschaft: Frankfurt soll Europas Super-Börse werden

Deutsche Börse will mit Euronext über Fusion verhandeln – Nasdaq-Offerte für Londoner Finanzplatz erhöht den Druck

Frankfurt am Main/Berlin - Die Chancen für die Bildung einer europäischen Super-Börse sind gestiegen. Die Deutsche Börse kündigte am Mittwoch „konkrete Verhandlungen“ mit der Vier-Länder-Börse Euronext (Paris, Brüssel, Amsterdam, Lissabon) an. Ziel sei es, einen „weltweiten Marktführer in der Branche“ zu schaffen. „Der heutige Tag markiert den Verhandlungsbeginn“, sagte Sprecherin Alexandra Güntzer. Die Tür zu Gesprächen hatte Jean-François Théodore, der Chef von Euronext, am Vortag aufgestoßen, indem er sich für Fusionsgespräche mit der Deutschen Börse aussprach. Im Dezember hatten die Franzosen Annäherungsversuche noch abgewiesen.

Der Druck auf die europäischen Börsen, sich zusammenzuschließen, ist gewachsen, nachdem die US-Technologiebörse Nasdaq vergangene Woche eine Offerte zum Kauf der Londoner Börse (LSE) vorgelegt hatte. Die Deutsche Börse war 2005 am Widerstand von Hedge-Fonds mit dem Versuch gescheitert, die LSE zu übernehmen. Die Fonds hatten Börsenchef Werner Seifert aus dem Amt gedrängt. Nachfolger Reto Francioni wagt nun einen neuen Expansionsschritt.

Unterstützung für einen grenzüberschreitenden Zusammenschluss der Börsen kommt aus der Politik. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Jacques Chirac hatten eine Fusion befürwortet. Auch der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Klaus Peter Müller, sprach am Mittwoch von einem „interessanten Projekt“. Er hoffe auf einen „positiven Abschluss“. „Noch schöner wäre es, wenn irgendwann auch Platz für London bliebe“, sagte Müller.

Allerdings gibt es auf beiden Seiten noch erhebliche Hürden zu überwinden. Francioni betrachtet eine Fusion mit Euronext zwar als attraktivste Option. Und er setzt ausdrücklich auf eine Fusion unter Partnern. Gleichwohl stellt er klare Bedingungen, die für Euronext schwer zu akzeptieren sind. So soll Frankfurt nach dem Willen der Deutschen Hauptsitz des neuen Unternehmens sein. „Das ist weiterhin eine harte Kernbedingung des Angebots“, hieß es am Mittwoch. Unterstützung erhält Francioni bei dieser Haltung beispielsweise aus dem Sparkassenlager: Verbands-Präsident Dietrich Hoppenstedt hatte kürzlich gegenüber dem Handelsblatt betont, Frankfurt müsse Firmensitz sein. Die Deutsche Börse will außerdem keinen wesentlichen ihrer Geschäftsbereiche abgeben. Das zielt vor allem auf die Abwicklungs- und Abrechnungssparte Clearstream (siehe Kasten), die rund 30 Prozent zum Gewinn der Deutschen Börse beiträgt. Aber auch Euronext-Chef Théodore hat klare Vorstellungen. Danach sollen Handel und Abwicklung getrennt werden, was auf einen Verkauf von Clearstream hinauslaufen würde. Auch die Europäische Union und die großen Investmentbanken betrachten die Anbindung von Clearstream an die Börse kritisch. Experten sehen folgenden Kompromiss: „Man könnte Clearstream separat an die Börse bringen und der Deutschen Börse zum Beispiel eine Sperrminorität belassen“, sagte Lucio de Geronimo, Analyst bei der Hypo-Vereinsbank. Auch mit dem Sitz Frankfurt wäre Euronext nicht einverstanden: Sie plädiert für einen dritten neutralen Standort. Schließlich würde eine Fusion der jeweiligen Terminbörsen Eurex und Liffe (die zur Vier-Länder-Börse zählt) für Diskussionen sorgen.

Ein Termin für konkrete Fusionsverhandlungen steht noch nicht fest. In Frankfurter Finanzkreisen wird damit gerechnet, dass die Gespräche Monate dauern können. Sicher ist, dass sowohl Euronext als auch die Deutsche Börse ihr Interesse an der Londoner Börse zunächst zurückstellen. „Die Deutsche Börse beabsichtigt nicht, ein Angebot für die London Stock Exchange abzugeben, behält sich aber vor, diese Position zu überdenken“, teilte das Unternehmen mit.

Zusammengenommen würden beide Börsen, gemessen am Börsenwert von rund 20 Milliarden Dollar, vor der Terminbörse in Chicago, der Wall Street in New York und der Londoner Börse zum weltweit größten Börsenbetreiber. Im Kassahandel läge die Gruppe hinter New York und Tokio an dritter Stelle, in Europa wäre sie vor London Nummer eins. Weltweit entstünde die größte Terminbörse. Die neue Gruppe würde zusammen rund 4100 Mitarbeiter beschäftigten.mit HB/dr

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